Streit um die Love Parade

One World, One Future

Jeder vernünftige Mensch weiß: Die beste Route für die Love Parade verläuft durch die Karl-Marx-Allee. Vom Frankfurter Tor zum Straußberger Platz und wieder zurück. Breite Straße, viel Platz, hohe Häuser, prima Akustik. Und nicht nur das: Die Karl-Marx-Allee ist auch an Hipness kaum zu überbieten. Nichts ist im Moment so gefragt wie die großzügigen Anlagen der sozialistischen Stadtplanung. Kein heimeliges Altbau-Klein-Klein, sondern klare Linien und weiter Blick. Der vernünftige Mensch schaut in hippe britische Magazine wie Wallpaper oder in die italienische Vogue und sieht überall Stasi-Chic.

Wenn es um die Love Parade geht, streiten sich die, die dafür zuständig sind, seit Jahren um den Tiergarten. Verrückte Welt. Wo doch jeder vernünftige Mensch die Veranstaltung ohne sich stattfinden lässt, seitdem sie durch den Tiergarten geht. Wo doch Techno nichts mit Bäumen zu tun hat, aber eine ganze Menge mit Häusern.

Aber die Welt wird nun mal von Kräften gesteuert, die ihrer eigenen Vernunft folgen. Die Veranstalter der Love Parade zum Beispiel, die planetcom, werden die Love Parade eher absagen, als darauf zu verzichten, die Wagen durch den Tiergarten fahren zu lassen. Sie brauchen das Brandenburger Tor und die Siegessäule für die Fernseh-Übertragungen. Außerdem brauchen sie die Siegessäule für die Abschlussveranstaltung, wo alle Wagen zu einer Anlage zusammengeschaltet werden und wo Dr. Motte seine Abschlussrede hält.

Ganz ähnliche Interessen haben der Senat und seine Marketing-Agentur Partner für Berlin. Wenn die Love Parade ein internationales Erkennungszeichen von Berlin sein soll, dann muss es zum einen immer das gleiche sein und zum anderen muss es eines sein, dass sich auch in anderen Zusammenhängen nutzen lässt. Da man aber die architektonischen Leistungen der DDR am liebsten ganz verschwinden lassen würde, wäre es Unfug, sie mit der Love Parade aufzuwerten.

Und die Tiergartenschützer? Wenn es nicht so erbärmliche Hanseln wären, die einfach nur ihre Ruhe haben wollen - es würde nicht einer gewissen Komik entbehren, dass sie ausgerechnet deshalb die Love Parade in Schwierigkeiten bringen können, weil sie das Demonstrationsrecht gegen die Love Parade in Stellung bringen.

Gibt es doch die ganze Love Parade nur deshalb, weil sie Jahr für Jahr als politische Demonstration genehmigt wird und die Veranstalter deshalb nicht dafür zahlen müssen, dass der Müll weggeräumt wird. Und nun hat die Bürgerinitiative Rettet den Tiergarten ihre Veranstaltung »Rettet unsere grüne Lunge Tiergarten« ein paar Wochen eher angemeldet als die planetcom die Love Parade. Und wer zuerst anmeldet, der demonstriert auch.

Aber irgendeine Lösung wird es geben, denkt man sich als vernünftiger Mensch. Vielleicht wird die Veranstaltung ja verlegt. Auf Freitag etwa. Oder auf Sonntag. Oder die Gegner der Love Parade gestehen, dass nie und nimmer 25 000 Menschen zu ihrer Veranstaltung kommen werden, und geben sich mit einer kleinen Lichtung im Tiergarten zufrieden, wo sie dann die Bäume retten dürfen.