Videobeweise im Fußball

Autoritäres Rechthaben

Hin und wieder sehnen sich auch ansonsten ausgesprochen antiautoritäre Fußballfans nach dem Law & Order-Prinzip. Z.B. beim Spiel HSV gegen Kaiserslautern, als Barbarez nach einem Foul gegen Schjönberg, das jedoch auch in Zeitlupe keines war, vom Platz gestellt wurde.

Die Folgen dieses Fehlurteils könnten gravierend sein und den abscheulichsten aller deutschen Erstligisten, Hertha BSC, begünstigen. Denn vielleicht hätte Kaiserslautern mit Barbarez ja gewinnen und möglicherweise am Ende der Saison auch verhindern können, dass Berlin demnächst in der Champions League spielen darf.

In Fällen wie diesem können plötzlich auch diejenigen Menschen für lückenlose Überwachung sein, die außerhalb des Fußballplatzes bei jeder auf einem öffentlichen Platz installierten Videokamera gleich das Ende des Rechtsstaates nahen sehen. Jedes noch so verdeckte Foul wäre dann plötzlich sichtbar, jedes Zupfen am Trikot des Gegners, jede Schwalbe.

Der Schiedsrichter würde sich deswegen auch nicht mehr irren können, denn natürlich würde er sich vor jeder anstehenden Entscheidung noch einmal die aufgezeichneten Bilder des jeweiligen Tatbestandes ansehen, die von allen nur möglichen Positionen gefilmt wurden. Nachdem er dann sehr sorgfältig auch noch die Zeitlupen-Aufnahmen geprüft hätte, würde er sein Urteil fällen. Rote Karte eben, oder auch nicht.

Im Fußball mag es zwar seit jeher um Rechthaben gehen, um Rechtbekommen ist es jedoch in seiner ganzen Geschichte noch nie gegangen. Elfmeter sind immer entweder völlig gerechtfertigt oder aus extrem niedrigen Beweggründen verhängt worden, Platzverweise geschahen aus purem Kalkül oder aus Bosheit, und selbst Ecken unterliegen bisher keinem objektiven Kriterium. Das macht die Sportart zwar unkontrollierbar, verleiht ihr aber auch einen gewissen Charme: Worüber, wenn nicht über seltsame Entscheidungen des Schiedsrichters, sollte der fußballinteressierte Teil der Bevölkerung an jedem Wochenende reden? Über vermittelte Eindrücke etwa?

Und was wäre, wenn der Schiedsrichter im Spiel tatsächlich andauernd zum Videorekorder rennen würde? Kein wirklicher Fan würde es ihm danken. Hertha in der Champions League wäre nicht mehr das Ergebnis einer wie auch immer gearteten bösen Verschwörung und auch der beklagenswerte Abstieg des VfL Bochum wäre lediglich das selbstverständliche Resultat einer verfehlten Einkaufspolitik.

Und so macht eine autoritätsbedingte Fußballtabelle eben keinen Spaß. Verschwörungstheorien gehören schließlich unabdingbar zur Sportart hinzu. Mit dem nicht gegebenen Elfmeter oder dem unrechtmäßigen Platzverweis lässt sich das Gegurke der geliebten Elf eben viel besser entschuldigen als mit doofen Taktiken oder schlechten Trainingsplänen.

Und vielleicht trifft so ein Schiedsrichter-Fehlurteil ja irgendwann auch einmal den Gegner.