Die Geschichte der faschistischen Ustascha

Das Herz schlägt rechts

An vielen Häuserwänden in Kroatien steht ein »U«. Es ist das Zeichen der faschistischen Ustascha.

kerstin eschrich

Bei Familie Vinkovic hängt ein roter Herzaufkleber links neben der Wohnungstür. Darauf ist ein »U« zu sehen. Unter dem Buchstaben steht Hercegovina. Der Aufkleber sieht ein bisschen so aus wie jene, auf denen »I love New York« steht. Das »U« steht allerdings für die Ustascha, eine faschistische Bewegung, die zwischen 1941 und 1945 Kroatien beherrschte.

Die Ustascha war als Organisation analog zur SS aufgebaut. Ihre Mitglieder stellten die Regierung, nahmen Polizeifunktionen wahr und bewachten die Konzentrationslager. Sie waren die treibende Kraft bei den antijüdischen Aktionen. Nur jeder Fünfte der 30 000 kroatischen Juden überlebte den Terror der kroatischen Faschisten.

Viele Kroaten zucken bei der Frage nach dem Wirken der Ustascha mit den Schultern. »Von damals weiß ich nichts. Wir sind alle Ustascha«, sagt Frau Vinkovic. Ustascha gelten als Freiheitskämpfer, die geehrt werden. Gab es doch unter ihrer Herrschaft den ersten kroatischen Nationalstaat. Ein Satellitenstaat Deutschlands zwar, aber immerhin kein Teil des verhassten Jugoslawiens.

Kroatien und Slowenien waren die einzigen Teile des Königreichs Jugoslawien, die 1941 nicht von den Deutschen besetzt oder den Verbündeten zugeschoben wurden. Nach Verhandlungen mit den kroatischen Führern wurde am 16. April die kroatische Regierung gebildet. Ein militanter Katholizismus bildete die ideologische Grundlage des faschistischen Ustascha-Regimes.

Bereits zwei Wochen nach der Gründung des Staates veröffentlichte die Regierung das erste antijüdische Gesetz. Es beinhaltete eine Definition des Begriffs »Jude«, getreu nach deutschem Vorbild. Mit nur einer Ausnahme: Der Staatschef war ermächtigt, allen »Nichtariern«, die sich um die kroatische Sache verdient gemacht hatten, den Rechtsstatus eines »Ariers« zu verleihen. In kürzester Zeit setzte die kroatische Regierung all jene antijüdischen Gesetzte in Kraft, die die Nationalsozialisten in Deutschland innerhalb von acht Jahren erlassen hatten. Genauso rigoros gingen die Kroaten gegen Roma und Serben vor.

Auch heute sind Rassismus und Antisemitismus in Kroatien weit verbreitet. Der Mord an den Juden und den Roma wird nach einigen Gläsern Slibowitz als Heldentat gefeiert. Der spätere kroatische Staatspräsident Franjo Tudjman konnte 1990 ungestraft verkünden, er sei froh, dass seine Frau keine Jüdin oder Serbin sei. Er erklärte auch, dass die Zahlen über den Holocaust zu hoch und zu einseitig seien. Dabei wusste er es besser. Das kroatische Vernichtungslager Jasenovac galt als »Auschwitz des Balkans«. Nach Schätzungen des Simon Wiesenthal Zentrums wurden dort etwa 700 000 Menschen ermordet, vor allem Serben, Roma, Juden und kroatische Antifaschisten.

Das KZ wurde von einer katholischen Laienorganisation verwaltet. Einer der Lagerkommandanten war der Franziskanerbruder Miroslav Filipovic-Majstorovic. Er wurde nach dem Krieg wegen seiner Verbrechen hingerichtet. Anders erging es dem letzten Kommandanten von Jasenovac, Dinko Sakic. Er wurde erst 1999 von einem kroatischen Gericht wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Bis dahin konnte er ungestört unter seinem richtigen Namen in Argentinien leben.

Dass es überhaupt zu der Auslieferung kam, ist internationalem Druck, vor allem jüdischer Organisationen sowie der Forderung Serbiens nach einer Auslieferung des Massenmörders an ein serbisches Gericht zu verdanken. Die kroatischen Behörden befürchteten, bei einer Verhandlung gegen Sakic in Belgrad würden die Kroaten als faschistische Mörder dargestellt.

Sakic hätte sicherlich noch viele Jahre unbehelligt in Argentinien leben können, wenn er nicht 1998 einem argentinischen TV-Sender ein Interview gegeben hätte, das international für Aufsehen sorgte. Darin behauptete er, das Konzentrationslager Jasenovac sei von den Insassen selbst verwaltet worden und Tote habe es nur durch Krankheiten gegeben.

Bereits 1990 hatte Sakic bei einem Revanchistentreffen in Österreich dem Journalisten Victor Ivancic gesagt, er würde alles noch mal machen und habe stets als aufrechter Christ gehandelt. »Ich bedaure, dass wir nicht das getan haben, was sie uns vorwerfen, getan zu haben«, fuhr er fort. Diese Äußerungen hielten den damaligen Staatspräsident Tudjman nicht davon ab, ihn während eines Besuchs in Argentinien 1994 zu empfangen.

Zusammen mit seiner Frau, die mit unglaublicher Grausamkeit den Frauenblock des KZ Jasenovac leitete, war Sakic nach 1945 über die so genannte Rattenlinie der katholischen Kirche nach Argentinien geflohen. Im Vatikan trafen sie einen Landsmann, den aus Kroatien stammenden Bischof Alois Hudal, die zentrale Figur bei der Organisation der Rattenlinie. Er sorgte dafür, dass die Faschisten Ausweisersatzkarten erhielten, die das Österreichische Bureau, ein Pseudo-Konsulat, ausstellte. Zusätzlich bezeugten päpstliche Organisationen die falsche Identität der gesuchten Kriegsverbrecher und besorgten die Visa. Das italienische Rote Kreuz kümmerte sich um die Pässe.

Sakic war nicht der einzige kroatische Faschist, für den sich die guten Beziehungen zur katholischen Kirche auszahlten. Der Ustascha-Innenminister Andrija Artukovic kam über die Rattenlinie in die USA. Erst 1986 lieferte ihn die USA an Jugoslawien aus. Zwei Jahre später wurde er dort wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Ante Pavelic, der faschistische Staatspräsident, konnte dank der Hilfe des Vatikan nach Argentinien fliehen. 1959 starb er als freier Mann in Madrid.

In Argentinien und anderen südamerikanischen Ländern wurden die Faschisten nach dem Zweiten Weltkrieg mit offenen Armen empfangen. Neben dem Führer der kroatischen Regierung Pavlic sollen nach offiziellen argentinischen Angaben mindestens 60 weitere Kroaten gekommen sein. Unter ihnen war Mirko Eterovic, der bis 1999 als angesehener Universitätsprofessor der klassischen Philologie in Cordobar lebte. Nach einer Anfrage der israelitischen Gemeinde in Argentinien von 1999 erwog Präsident Carlos Menem seine Auslieferung, dennoch konnte Eterovic noch im gleichen Jahr untertauchen. Unter dem Ustascha-Regime diente er als Kommandant des zweiten kroatischen Vernichtungslagers Stara Gradiska.

Auch der ehemalige Stadtkommandant von Dubrovnik und Ustascha-Führer Ivo Rojnika hält sich in Argentinien auf. Er war verantwortlich für zahlreiche Verhaftungen und Deportationen der nicht-kroatischen Bevölkerung. 1996 forderte das Simon Wiesenthal Zentrum die kroatische Regierung auf, Untersuchungen gegen Rojnika einzuleiten.

Doch stattdessen empfing im gleichen Jahr der Bürgermeister von Dubrovnik den ehemaligen Ustascha-Führer offiziell, als er in Kroatien sein Buch »Meetings and Happenings« vorstellte. Darin beschreibt er das Leben und die Aktivitäten von kroatischen Emigranten in Argentinien.

Und er hat viel zu erzählen, was die kroatische Leserschaft gerne hört. Anfang der neunziger Jahre war er in der Presse mit den Worten zitiert worden: »Alles was ich 1941 getan habe, würde ich wieder tun.« Nach internationalen Protesten musste Staatspräsident Tudjman daraufhin seine Idee aufgeben, ihn zum Botschafter in Argentinien zu machen. Zuvor hatte er ihm noch einen hohen kroatischen Orden verliehen, genauso wie 13 anderen ehemaligen Ustascha-Offizieren die 1996 geehrt wurden.

Unter Tudjman war die Chance für ehemalige Ustaschi größer geehrt zu werden als juristisch belangt, das geschah nur unter starkem internationalen Druck. Aber auch die neue sozialdemokratische Regierung zögert, sich mit der Aufarbeitung der faschistischen Vergangenheit unbeliebt zu machen.

Viele Kroaten sind dankbar für die militärische und materielle Hilfe, die die exilierten Kriegsverbrecher ihnen während des Bürgerkriegs leisteten. Und von staatlicher Seite wird alles getan, um die Verbindung mit dem faschistischen Ustascha-Staat positiv hervorzuheben. Die Republik Kroatien hat die Fahne und den Namen der Währung des ersten kroatischen Nationalstaates übernommen. Die Verbeugung vor den Rassisten ging so weit, dass Straßen nach dem für die so genannten Rassengesetze verantwortlichen Ustascha-Minister Nile Butak benannt wurden.

Die Bevölkerung ehrt die Ustascha-Faschisten auf ihre Weise: an vielen Mauern prangt das erwähnte »U«, daneben ist oft ein Hakenkreuz gemalt.