Kooperation zwischen deutschen und vietnamesischen Beamten

Besuch aus Hanoi

Vietnamesische Beamte sollen die Identität ihrer Landsleute in Deutschland überprüfen, um deren Abschiebung zu beschleunigen.

Es war eine illustre Reisegruppe, die sich da in den vergangenen beiden Wochen durch Berlin und Brandenburg bewegte. Ein gutes Dutzend Polizeibeamter aus Hanoi, der Hauptstadt Vietnams, stattete Deutschland einen Besuch ab. »Sie sollen uns helfen, das Rückübernahmeabkommen zwischen beiden Regierungen schneller und besser erfüllen zu können«, hieß es dazu aus dem Bundesinnenministerium. Bettina Cain vom Brandenburger Innenministerium sprach von einem »Testlauf«, der 14 Tage lang in zwei Bundesländern abgehalten werde.

Deshalb wurden abgelehnte vietnamesische Asylbewerber in die Berliner Ausländerbehörde oder in das Gebäude der ehemaligen Polizeischule im Brandenburgischen Basdorf vorgeladen und dort den Beamten aus Hanoi gegenübergestellt. »Gemäß Paragraf 15 Abs. 1 und 2 Asylverfahrensgesetz ist ein Ausländer persönlich verpflichtet, (...) an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken«, steht in dem Brief, den die Betroffenen zuvor erhalten hatten. Sie mussten erscheinen, wenn sie Repressalien vermeiden wollten.

Der Hintergrund der Reise der vietnamesischen Beamten und ihrer Gegenüberstellung mit in Deutschland lebenden Landsleuten ist das deutsch-vietnamesische Rückübernahmeabkommen, das die beiden Regierungen 1995 abgeschlossen haben. Darin ist vereinbart, dass bis zum Jahr 2000 insgesamt 40 000 Vietnamesen aus Deutschland abgeschoben werden, die hier ohne Aufenthaltsrecht leben.

Vietnam hatte sich zunächst geweigert, diese Menschen wieder aufzunehmen, falls sie unfreiwillig zurückkämen oder sich etwas hätten zuschulden kommen lassen. Auch einer freiwilligen Einreise wollte man nicht zustimmen, wenn der Betroffene zuvor illegal das Land verlassen oder sich regimekritisch betätigt hatte.

Vietnam hatte damals wie heute kein Interesse daran, Emigranten zurückzunehmen, denn solange sie im Ausland leben, schicken sie ihren Familien in Vietnam Geld und steigern damit die Kaufkraft.

Deutschland aber machte 1995 die Gewährung von Entwicklungshilfe und Exportbürgschaften von der Unterschrift der vietnamesischen Regierung unter das Abkommen abhängig. Deutsche Entwicklungs- und Menschenrechtsgruppen bezeichneten diese zwischenstaatliche Erpressung damals als Skandal. Der Widerstand gegen den Menschenhandel blieb jedoch gering.

Andererseits wurde das Abkommen nur schleppend in die Tat umgesetzt, was auch der vietnamesischen Bürokratie zu verdanken ist. Vietnam vergleicht in einem umständlichen Listenverfahren die Angaben, die die Vietnamesen hier über ihre Person, ihre Eltern, ihren letzten Wohnsitz in Vietnam oder ihren Fluchtweg machen, mit den Daten in seinen Einwohnerregistern. Nur bei völliger Übereinstimmung ist die Wiederaufnahme möglich. Fehlen Angaben oder findet sich der letzte Wohnsitz des Betroffenen nicht in den vietnamesischen Melderegistern oder wurden diese im Krieg vernichtet, dann lehnt Vietnam die Wiederaufnahme ab. Bis zum Februar des letzten Jahres stellte die deutsche Seite 27 400 Prüfanträge, Hanoi stimmte aber nur 6 700 Rückübernahmeersuchen zu. Den von Hanoi abgelehnten Rückkehrkandidaten verweigert Deutschland ein Bleiberecht.

Die Fragebögen, welche die hier lebenden Vietnamesen auszufüllen haben, entsprechen nicht den deutschen Datenschutzbestimmungen. Wegen solcher Bedenken hat der damalige Bundesinnenminsiter Manfred Kanther 1995 noch versichert, dass »der Fragebogen von den Rückkehrern freiwillig ausgefüllt werden soll«. Doch da unvollständige Angaben für die Behörden in Hanoi ein Grund sind, die Rückübernahme abzulehnen, sieht die Realität anders aus. »Heute ist in der Praxis der Ausländerbehörden von der Freiwilligkeit nicht mehr die Rede«, kritisiert die Münchener Sektion der Internationalen Gesellschaft für Frieden und Menschenrechte (IGFM). Wer das Formular nicht ausfüllt, werde häufig sanktioniert, »etwa mit einer sehr kurz befristeten Duldung, mit dem Einzug der Arbeitserlaubnis oder mit einer starken Kürzung der Asylbewerberleistungen«.

Der IGFM liegen Aussagen von Abgeschobenen vor, die behaupten, dass die Angaben auf den Fragebögen später gegen sie verwendet wurden. »Vietnamesische Rückkehrer wurden Verhören über ihre politischen Aktivitäten im Ausland ausgesetzt. Oft dauerten die Verhöre monatelang. In solchen Fällen stellte der vietnamesische Staatssicherheitsdienst Fragen, denen fundierte Kenntnisse über das politische Leben des Betroffenen in Deutschland zugrunde lagen. Zahlreiche vietnamesische Rückkehrer schrieben der IGFM, dass sie monatelang keinen Ausweis, keine in Vietnam lebensnotwendige Familienregistrierkarte und keine Arbeit bekommen haben. Kinder konnten deswegen nicht eingeschult werden.«

Während der Reise der Beamten aus Hanoi durch Berlin und Brandenburg sollte überprüft werden, ob sich die Erfüllung des Abkommens beschleunigen lässt, wenn vietnamesische Beamte die Identität der Menschen feststellen, die Deutschland so gerne abschieben will. Die Überprüfungen lassen erahnen, was in Zukunft an deutsch-vietnamesischer Zusammenarbeit möglich sein könnte. Ein Betroffener berichtet, er habe seine Fingerabdrücke abgeben und sich fotografieren lassen müssen. Dann habe ihn der Hanoier Beamte gefragt, ob er nach Vietnam zurückkehren wolle. Der Betroffene habe verneint und sei ins Asylbewerberheim zurückgeschickt worden. Ob ihm diese Antwort schaden wird, weiß er nicht.

Die PDS-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke kritisiert dieses Vorgehen: »Ich habe mich vor einigen Jahren in Hanoi über den Stand des Rückübernahmeabkommens informiert. Das dortige Innenministerium berichtete mir von Fällen, wo Deutschland asiatisch aussehende Menschen nach Vietnam verfrachten wollte, die gar keine Vietnamesen waren.« Zudem habe Hanoi unmissverständlich erklärt, politische Flüchtlinge auf keinen Fall wieder aufnehmen zu wollen. Jelpke fordert von der Bundesregierung, diesen Menschen hier eine Lebensperspektive zu gewähren und sie nicht jahrelang in einem unsicheren Rechtsstatus leben zu lassen.