Abenteuer Arbeitsamt

Der Maulwurf im Plattenbau

Zum ersten Mal zum Arbeitsamt. Kita zu. Muss die Tochter eben auch mit. S-Bahn-Station Landsberger Allee. Kein Vorzeigebahnhof. Immerhin schneit es nicht mehr. Dafür sind die Straßen voll Matsch. Hässliche Straße. Kilometerlang leere Büroplattenbauten. Autoverkehr. Kaum Arbeitslose unterwegs. Freitag, 11.30 Uhr. Wo ist bloß das Arbeitsamt? Die dritte Frau weiß es gleich ganz genau. Der Klotz rechts ist für Hohenschönhausen, Marzahn, Hellersdorf. Der Klotz links für Prenzlauer Berg, Pankow, Weißensee. Die arbeitet da wohl. Entsprechend geschult, nett zu den Arbeitslosen zu sein. Habe gehört, dass es in Schöneberg auf dem Amt sehr angenehm sein soll. Infoservice und so. Alles ganz normal. Arbeitslosigkeit ist ja ein Massenphänomen, wie Popkultur. Wer nach drei Monaten nichts hat, kriegt nichts mehr, behauptet ein Freund. Das Kind hat Hunger.

Die Damen Sachbearbeiter haben keine Stühle für begleitende Kleinkinder. Nicht so schlimm. Das Kind kriegt einen Behelfsstuhl und sieht sich ein Buch an: »Der kleine Maulwurf in der Stadt«. Schon auf der zweiten Seite ist der ganze schöne Wald abgeholzt. Der kleine Maulwurf hat nichts mehr zu tun und sitzt im Plattenbau. »Kleine Tiere, die ähnliche Fragen haben an die Welt wie die Kinder selbst«, steht auf dem Klappentext. Scheißsatz. Keine Fragen. Das Buch gefällt.

Das matrizenartige Sparpapier-Formular habe ich nicht richtig ausgefüllt. Ohne Angabe von Tag, Monat, Jahr des Studiums geht gar nichts. Per Telefon die Daten durchgeben? Nein. Telefonisch geht nichts. Rufe den arbeitslosen Freund einer Freundin an. Der ist vormittags zu Hause und gibt mir die richtigen Angaben. Blutleere Gesichter, Vorschriften. Tür auf, Tür zu. Flurgehocke. Einsamkeit. Langeweile. Träume von Schöneberg. Ist es da massenkompatibler? Gibt es da einen Getränkeautomat? Warme Brühe? Nächste Runde. Neues Formular. Ausfüllen. Nicht jetzt. Heute ist Freitag. Schon nach zwölf. Montag ist zu. Wiedersehen.

Auf den Aufzug warten. Sammle die wertvollen Unterlagen zusammen. Ordnung halten. Bloß nichts verlieren. Papier vor Berliner Nieselregen schützen. Die Tasche ist oben offen. Das Kind ist genervt. Will schon mal vorlaufen. Kind auf dem Arbeitsamt verloren. Nein, das geht nicht. Erzähle mein kurzes Drama einem älteren Herrn auf der Fahrt nach unten. Er gibt mir seine Karte. Ein Vermögensverwalter auf dem Arbeitsamt. Auch ein Schicksal. Habe es mir nicht gemerkt. Zu viel zu tun. Arbeitslose halten nicht zusammen.

Mit Bus und Bahn durch eine verschlammte Stadt. S-Bahnhof Schönhauser Allee. Zu McDonald's und dann endlich dem Kind winterfeste Schuhe gekauft. Schönhauser Allee Arkaden. Das erste literarisch geadelte Einkaufscenter. In Berlin. In Europa? Herr Kaminer hat hier seine Homestories vorgetragen. Vielleicht ist er auch hier. Würde ihn gerne treffen. Jetzt, wo so viel Zeit da ist. Soll er meinen Weg zum Arbeitsamt in kleine Prosa gießen. Lese das dann demnächst auf meinem Weg zur Sachbearbeiterin. Isoliert. Kontaktarm. Scheu. Denke mir: Das kenne ich ja. Stimmt. Wie lustig. Wie fein beobachtet. Wie leicht man doch ein bisschen Spaß in die ödeste Ecke bringen kann. Würde mich wie zu Hause fühlen können. Zum Arbeitsamt Nord? Cool. Randständig. Mittendrin. Da hat doch dieser ungeheuer populäre Autor mal was sehr Erheiterndes und Wahres geschrieben ...