Rot-Rot will sparen

New Labour für Berlin

Die SPD und die PDS wollen den Berliner Haushalt mit Entlassungen und Finanzhilfen des Bundes sanieren.

Die gerade erst mit rund zwei Milliarden Euro vor dem Bankrott bewahrte Berliner Bankgesellschaft erweist sich weiterhin als Fass ohne Boden. Um die Gesellschaft überhaupt ins neue Jahr zu retten, beschloss der Senat, alle Altrisiken des Immobiliengeschäfts zu übernehmen - eine Sozialisierung von Verlusten im großen Stil. In welcher Höhe das Land zukünftig belastet wird, hält auch die noch amtierende Finanzsenatorin Christiane Krajewski (SPD) für nicht kalkulierbar. Je nach Entwicklung der Konjunktur und des Immobiliensektors können es schnell mehrere Milliarden Euro werden.

Der PDS-Fraktionsvorsitzende Harald Wolf forderte bereits die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Doch ob er sich damit gegen die SPD durchsetzen wird, ist mehr als fraglich. Schließlich stellte die SPD mit Annette Fugmann-Heesing von 1995 bis 1999 die Finanzsenatorin, sie war in dieser Funktion für die Geschäfte der Bankgesellschaft verantwortlich.

Dass Berlin kaum in der Lage sein dürfte, sich selbst aus dem Schlamassel zu ziehen, ist inzwischen ein offenes Geheimnis. Doch die Idee des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD), die Haushaltslöcher vom Bund stopfen zu lassen, wurde schnell zurückgewiesen. Noch bevor die Gespräche über einen »Berlin-Pakt« beginnen konnten, weigerte sich Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD), die Hauptstadt finanziell zu unterstützen.

Denn Eichel erreicht nach dem Absturz der Konjunktur und immer neuen kostspieligen Kriegen erstmals seine Etatvorgabe nicht und muss eine Milliarde Euro mehr Schulden aufnehmen als geplant. Seiner Ansicht nach muss Berlin zunächst eigene Konsolidierungsanstrengungen unternehmen. Wieder einmal. Schließlich wurde seit 1995 gespart, gekürzt und verkauft. Die SPD in der Hauptstadt war mächtig stolz darauf, genützt aber hat es nicht viel. Das so genannte Tafelsilber ist weg und die Pleite wurde trotzdem nicht abgewendet.

Einzig Krajewski widersprach schließlich Eichel und schloss auch eine Klage beim Bundesverfassungsgericht auf eine bessere Finanzausstattung der Hauptstadt nicht mehr aus. Wohl weil sie sah, dass sie sich nicht durchsetzen würde, kündigte sie dann im Dezember an, aus »ganz persönlichen Gründen« dem neuen Senat nicht mehr angehören zu wollen.

Immerhin gelang es der neuerdings geschlossen agierenden Berliner SPD, die Konflikte mit der Finanzsenatorin unter der Decke zu halten. In der Berliner Presse wurde darüber spekuliert, ob etwa der eingeschränkte Sparwille der entstehenden rot-roten Koalition Krajewski zu ihrem Schritt bewogen habe. Tatsächlich werden die angestrebten Kürzungen kaum ausreichen, den Haushalt zu konsolidieren. Wer das will, müsste den halben öffentlichen Dienst entlassen. Und zwar sofort.

Die SPD und die PDS planen, bis 2006 allein die Personalkosten um über eine Milliarde Euro jährlich zu senken. Das geht aber nur in Absprache mit den Gewerkschaften. Nachdem sich die Führung der Berliner SPD in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre dank Fugmann-Heesing erfolgreich mit den Berliner Arbeitnehmervertretern entzweit hatte, liegt es nun an der PDS, den neokorporatistischen Kürzungspakt abzuschließen. Die finanzpolitische Drecksarbeit soll Harald Wolf erledigen. Für den Fall aber, dass die Gewerkschaften dennoch nicht mitmachen, droht der SPD-Landesvorsitzende Peter Strieder bereits jetzt mit betriebsbedingten Kündigungen im öffentlichen Dienst ab 2004.

Wowereit und sein Partner von der PDS, Gregor Gysi, wandeln in der Wirtschafts- und Sozialpolitik auf den Spuren des britischen Premiers Tony Blair. Mehrere hundert Millionen Mark will der neue Senat etwa bei der Sozialhilfe sparen. Nach dem so genannten Kölner Modell soll jedem »arbeitsfähigen« Antragsteller zunächst ein Jobangebot unterbreitet werden. Strieder bringt es in lupenreiner New-Labour-Diktion auf den Punkt: »Das werden manche nicht als Chance, sondern als Zumutung empfinden.« Wo allerdings kaum Jobs zu verteilen sind, dienen solche Maßnahmen vor allem der Etablierung eines staatlich subventionierten Niedriglohnsektors.

Es stellt sich nur die Frage, in welchem Maße sich die Wähler nun von der PDS abwenden werden. Nach der Zustimmung zum Großflughafen Berlin-Schönefeld war die Empörung der Anwohner und der treuen Anhänger riesig. In Zeiten der großen Koalition konnte sich die PDS als soziales Gewissen und ehrlichen Makler links von der Sozialdemokratie anbieten. Jetzt muss sie selbst tiefe Einschnitte verantworten.

Jenseits der Parteien simuliert nur noch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in Berlin den Widerstand mit wohlklingenden Presseerklärungen. Anstatt sich die Forderung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) nach Geld vom Bund zu Eigen zu machen und sie zur Abwechslung mal mit einer Streikdrohung zu untermauern, versuchen die Arbeitnehmervertreter lieber am Katzentisch des Berliner Bündnisses für Arbeitslosigkeit und Sparzwang Platz zu nehmen.

Da mag der Landesvorsitzende des DGB in Berlin-Brandenburg, Dieter Scholz, noch so viele Gutachten beim DIW bestellen und bezahlen, bringen wird das nichts. Und auch die Versuche der übrig gebliebenen außerparlamentarischen Linken, verschiedene Aktivisten nach dem Vorbild des Genoa Social Forum in einem Aktionsforum Berlin zu vereinen, wirken so ehrenwert wie hilflos.

Dagegen setzt New Labour East, die PDS, geschickt auf symbolische Politik. Die Bewerbung für die Olympiade 2012 wurde kurzerhand abgesagt, der Kulturetat wird nicht gekürzt, der Alexanderplatz behält sein östliches Aussehen (rote Karte für böse West-Investoren), die Tram fährt bald auch über die Leipziger Straße und der bereits unter Rot-Grün arg gebeutelte Staatsschutz wird in eine Agentur für Politikberatung umgewandelt.

Bis zur Entscheidung am 8. Januar darf nun über die künftigen SenatorInnen spekuliert werden. In der SPD gelten Stadtentwicklungssenator Strieder, Schulsenator Klaus Böger vom rechten Flügel und selbst Innensenator Erhart Körting (»Kein Grundrecht auf Ausreise«) als gesetzt. Ob Arbeitssenatorin Gabriele Schöttler mit der Dreifachquote (weiblich, aus dem Osten und links) ihren Job behält, hängt von der Ressortverteilung ab.

Was die Kandidaten der PDS betrifft, so gilt Gysi immer noch als heißer Anwärter für das Kulturressort, auch wenn der ehemalige Kulturstaatsminister Michael Naumann in der vergangenen Woche vor ihm warnte und ihn als »Schauspieler« bezeichnete. Neben Harald Wolf für das Finanzressort ist der parteilose linke Jura-Professor Uwe Wesel als Justizsenator im Gespräch. Gezänk gibt es allein bei der Frage, ob die PDS drei oder vier der insgesamt acht Ressorts erhält.

Auf die entscheidende Frage jedoch, ob das Land in Karlsruhe auf Bundeshilfe klagen wird, geben die beiden Koalitionspartner keine Antwort. Wahrscheinlich hat der Kanzler wieder einmal eines seiner berüchtigten Machtworte gesprochen und unseren schwulen Bürgermeister in die Schranken gewiesen. Armer Smithers.