Die Spendenaffäre der CSU

Stoibers Sternstunde

Kurz vor seiner Wahl zum Kanzlerkandidaten platzt Edmund Stoiber eine unangenehme Spendenaffäre ins Haus.

Wie übersetzt man eigentlich Peanuts ins Bayerische? Pipifax? Kloageld? Oder gleich: Goarnix? Die CSU-Führung dürfte getobt haben, als sie in der vergangenen Woche die Enthüllungsstory im stern las. Drei Millionen Euro an staatlichen Spendenzuschüssen soll sich die Partei durch falsche Spendenquittungen erschlichen haben. Drei Millionen Euro! Als ob das die fiskalische Dimension der bayerischen Regierungspartei beschreiben würde. Dafür bückt sich ein echter CSUler doch gar nicht.

Das Problem an der Enthüllung des stern war allerdings, dass Rita Süßmuth in ihrer Funktion als Bundestagspräsidentin bereits 1996 diese Spendenpraxis der CSU ausdrücklich genehmigt hatte. »Damit erreicht die Reihe von medialen Peinlichkeiten des stern nach dem Missgriff bei den angeblichen Hitlertagebüchern und der jüngsten Berichterstattung über Hannelore Kohl einen neuerlichen Höhepunkt«, wetterte CSU-Generalsekretär Thomas Goppel. Adolf Hitler und Hannelore Kohl? Der nostalgische Teil des Publikums war damit schnell gewonnen. Aber auch die Süddeutsche Zeitung mochte in der stern-Stunde des Enthüllungsjournalismus am Tag danach nur noch eine »nasse Silvesterrakete« erkennen.

Doch die CSU blies zum Angriff. Die Attacke galt vor allem Wolfgang Thierse (SPD), der es als Bundestagspräsident gewagt hatte, die Spendenpraxis der CSU untersuchen zu lassen. Der CSU-Landesgruppenvorsitzende Michael Glos forderte seinen Rücktritt als stellvertretender SPD-Vorsitzender. Auch CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer schoss sich auf Thierse und die SPD ein. Die Vorwürfe seien »ganz offensichtlich in der SPD-Zentrale entwickelt« worden, in der »Abteilung Schmutz«.

Thierse bekam unerwartete Unterstützung. Für Hermann Otto Solms (FDP), den Vizepräsidenten des Deutschen Bundestags, war hier eine »Zweifelsfrage« aufgetaucht, die Thierse untersuchen müsse. Der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Max Stadler, sagte, die CSU bewege sich in einer »Grauzone«. Die Freidemokraten machen es nämlich neuerdings vor. Sie haben erst kürzlich ihr eigenes Spendensystem mit dem »Bürgerfonds für Deutschland« erneuert. Die »erste professionell gemanagte und transparente Fundraisingkampagne« schaffe »eine Spendenkultur mit Anstand: offen, ehrlich, gradlinig und jenseits von rotem Filz und schwarzen Koffern!« Nie wieder Flick!

So weit ist die CSU noch lange nicht. Bevor aber der Spendenskandal weiter durch die Medien mäandern konnte, gab die Staatsanwaltschaft München Entwarnung. Es gebe keine Anhaltspunkte für eine Straftat, meinte der Münchner Oberstaatsanwalt Horst Lehmpuhl bereits am vergangenen Donnerstag. Er muss nachts durchgearbeitet haben, denn einen Tag zuvor hatte es noch aus seiner Behörde geheißen, man wolle die Vorwürfe »in aller Gründlichkeit« prüfen. Aber gäbe es überhaupt einen Oberstaatsanwalt Horst Lehmpuhl ohne die CSU und Stoiber und den hauseigenen Bayernkurier? Ist in Bayern nicht alles irgendwie ein Ableger der CSU?

»Wir sind wir - und wir sind sauber«, sagte Goppel der Welt. Ganz so sauber aber auch wieder nicht, denn was der stern berichtet hatte, war ja nicht falsch, sondern nur schon längst bekannt und vom Parteienfilz abgesegnet. Die CSU schickt seit Jahren Drückerkolonnen los, die Spendenabos für den Bayernkurier werben, der Drücker bekommt die eine Hälfte der »Spende«, die CSU die andere. Und die »dritte Hälfte« spendiert dann der Staat, weil er jede Parteispende mit der Hälfte des Betrags unterstützt. Gibt die CSU einen Euro aus, legt der Steuerzahler noch mal 50 Cent drauf. Und der wohltätige Spender, etwa ein Altruist wie der Medienunternehmer Leo Kirch, kann seine Spende auch noch von der Steuer absetzen. Das ist dann die »vierte« Hälfte. Ergebnis: 100 Prozent für die CSU, minus 100 Prozent für die Staatskasse.

Und dennoch ist es eine der harmloseren unter den zahllosen CSU-Affären der vergangenen Jahre, die fast schon nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind. Goppel gab unfreiwillig selbst den Hinweis, als er die »verleumderische Veröffentlichung« des stern als »Leuna-Wiederholungskampagne« bezeichnete. Denn das Gros der CSU-Affären hängt mit dem Komplex Leuna zusammen, auch wenn die Öffentlichkeit immer nur die CDU damit in Verbindung bringt.

Beispielsweise die Amigo-Affäre, ein Vorläufer der Leuna-Affäre. Der damalige bayerische Interimsministerpräsident Max Streibl (CSU) musste deswegen zurücktreten und Stoiber übernahm sein Amt. Waffen und Spenden, verwickelt war die ganze Hautevolee der bayerischen Skandal-Champions-League: Karl-Heinz Schreiber, Waffenhändler und »Spezi« von Franz Josef Strauß, dessen Sohn Max, der flüchtige ehemalige Staatssekretär Holger Pfahls (CSU), Spendenonkel Walther Leisler Kiep (CDU) und Zahnrad Horst Weyrauch (CDU).

Bei der Affäre um die Bayerische Landesbank ging es dagegen um den Verdacht der Untreue, um Milliardenbeträge bei einem dubiosen Südostasiengeschäft. Mehrere CSU-Größen waren darin verwickelt. Die halbstaatliche Landesbank soll auf Betreiben Stoibers auch stets mit Milliardenkrediten und Bürgschaften zur Stelle gewesen sein, wenn Leo Kirch klamm war, behauptete die Süddeutsche Zeitung am vergangenen Wochenende.

Die Landesbank-Affäre mündete mehr oder weniger direkt in die LWS-Affäre, die zweifelhafte Immobiliengeschäfte zum Motiv hatte. Auch damals wurde Edmund Stoiber kritisiert. Und wer kann sich noch an die Affäre um ein Steuergeschenk des damaligen bayerischen Finanzministers Kurt Faltlhauser (CSU) an die Nürnberger Rüstungsfirma Diehl erinnern? Wie wäre es mit der Zwick-Affäre? Sagt ihnen der Name Gerold Tandler noch etwas? Na sehen Sie. Das denkt sich die CSU auch.

Damit keine allzu großen Erinnerungen an das Amigo-Geflecht aufkommen konnten, feuerte die CSU weiter. Auch der Parteirechtsexperte Martin Morlok, der dem stern als Zeuge der Anklage diente, geriet ins Visier der Christsozialen. Goppel behauptete, Morlok sei zugleich Berater der SPD-Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier. Und der stellvertretende Vorsitzende des Parteispenden-Untersuchungsausschusses im Deutschen Bundestag, Hans-Peter Friedrich (CSU), schimpfte über Morlok, er habe schon im Untersuchungsausschuss »sein angebliches Expertenwissen für SPD-Propagandazwecke zur Verfügung gestellt«.

Michael Donnermeier aus der Wahlkampfzentrale der SPD bezeichnete die Attacken der CSU als eine »Dreistigkeit«. »Vorwärtsverteidigung, das machen die immer so.« Die Springerzeitung Die Welt und der Focus hätten in einer »konzertierten Aktion versucht, die SPD reinzuziehen«. Einen Bericht des Bayernkurier verortete er »in derselben Kategorie«.

Denn ausgerechnet der Bayernkurier hatte in seiner Weihnachtsausgabe über das »Milliarden-Monopoly der Genossen« berichtet. Die SPD sei »die mit Abstand reichste Partei Deutschlands, Beobachter halten sie sogar für eine der reichsten Parteien der Welt.« Die SPD besitze mit zwei Holding-Gesellschaften ein »Milliardenvermögen an Immobilien sowie an Zeitungen und Radiosendern«. Ein Experte wurde zitiert, der den »Verkehrswert des Medienimperiums der SPD im Juli 2000 auf rund eine Milliarde Mark« schätzte. Ist die CSU-Affäre eigentlich eine SPD-Affäre? Fast scheint es so.

Am Ende ist nur eines sicher. Der Wahlkampf hat begonnen, und im Herbst heißt der Gewinner entweder Gerhard Schröder oder Edmund Stoiber. Denn trotz des Skandals haben sich nach Informationen der Süddeutschen Zeitung die meisten CDU-Landesvorsitzenden bereits auf Stoiber als Kanzlerkandidaten festgelegt. Nur der Chefredakteur des stern, Thomas Osterkorn, glaubt noch an die Macht der Aufklärung und daran, Stoibers Kandidatur verhindern zu können. Er würde die ganze Geschichte noch mal drucken: »Absolut. Wir haben nichts zu korrigieren. Im Gegenteil: Wir werden nächste Woche noch mal nachlegen.« Hoffentlich richtig. Die Preisklasse von Leuna sollte schon erreicht werden. Denn alles andere ist Pipifax.