Die Rezession ist da

Wirtschaft stirbt nicht

Da die Europhorie vorüber ist, wenden sich die Berichte der »Tagesschau« von den Lasershows auf der Akropolis und den Bankautomaten auf Martinique ab und der Rezession und dem Anwachsen der Zahl der Arbeitslosen auf über vier Millionen zu. In einer Art Neujahrsansprache hat nun Gerhard Fels, der Direktor des Instituts für Wirtschaftsforschung in Köln, den Deutschen ihre tatsächliche wirtschaftliche Lage vor Augen geführt. Sie ist schlecht, so schlecht, dass selbst er »im streng formalen Sinn von einer Rezession« sprechen muss.

Besonders bedenklich ist es, dass sich nach längerer Zeit die großen kapitalistischen Ökonomien - Japan, USA und Europa - wieder gemeinsam im Abschwung befinden. Trotzdem versucht Fels, den Leuten Mut zu machen: »Nach der Rezession kommt die Erholung. Es war schon immer so. Noch nie ist eine Volkswirtschaft gestorben.«

Diese Versicherung könnte als Rechtfertigung für Gerhard Schröders so genannte Politik der ruhigen Hand gewertet werden. Allerdings ist Fels mit der Lage hierzulande besonders unzufrieden. Deutschland sei »nicht mehr die Lokomotive der europäischen Volkswirtschaft, sondern eher der Bremswagen am Ende des Zuges«. Hoffnung komme allenfalls von außen, nämlich von der expansiven Geld- und Fiskalpolitik der USA.

Diese Formulierung und der Vergleich mit der Eisenbahn erinnern an alte keynesianische Ideen. Im Gefolge der Weltwirtschaftskrise der siebziger Jahre wurde die so genannte Lokomotivtheorie formuliert, nach der größere Volkswirtschaften durch eine koordinierte expansive Wirtschaftspolitik der ganzen Weltwirtschaft positive Konjunkturimpulse geben können. Kleinere Volkswirtschaften müssten im Alleingang mit einer solchen Politik scheitern. Das wusste man, bevor der Begriff Globalisierung überhaupt erfunden worden war.

Hat Fels also neue Ratschläge für die Regierung im Gepäck? Nein. Es sind die alten in einem neuen Begründungszusammenhang. So müssten bei der Konsolidierung des Staatshaushaltes nun doch konjunkturell bedingte Defizite in Kauf genommen, Eichels strikter Sparkurs müsse korrigiert werden. Allerdings sollen keine staatlichen Konjunkturprogramme aufgelegt werden. Fels empfiehlt ein Vorziehen der Steuerreform, um Erleichterung für die Privatwirtschaft zu erreichen. Bei den Investitionen in die öffentliche Infrastruktur sei in den letzten Jahren an der falschen Stelle gespart worden, da gebe es einen Nachholbedarf, der »endlich auch einmal« (!) auf Kosten der Sozialsysteme zu decken sei.

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) könnte einen expansiven Kurs mit Zinssenkungen unterstützen, da weltweit die Inflationsgefahr eher gering sei. Deutschland scheint aber nicht von dieser Welt zu sein, denn ausgerechnet hier bänden »die maßlos hohen Lohnforderungen der IG-Metall« der EZB die Hände.

Fels lobt die »Konsumkonjunktur« in den USA, die sich nach dem 11. September schnell wieder erholt habe. Dass Europa im Vergleich zu den USA kein übergroßes Leistungsbilanzdefizit aufweist, hält er für einen europäischen Vorteil. Damit könnte Fels eigentlich den Spielraum für konsumfördernde Maßnahmen in Europa begründen.

Doch er wertet die Tatsache, dass mehr Kapital in die USA fließt als von dort in andere Länder, als Zeichen der US-amerikanischen Standortstärke, die dank der Flexibilität der Arbeits- und Kapitalmärkte zustande kam. Am Ende also doch die alte Leier: Nach wie vor verweigerten sich hierzulande die Regierung und die Gewerkschaften beharrlich der Deregulierung des Arbeitsmarktes. Keynesianismus ist zwar wieder gewollt, aber nur solange ihn die anderen betreiben.

Das Wort zum Neujahr von Gerhard Fels findet sich unter www.iwkoeln.de