Frauen handeln

Hauptsache Macht

Ist der Feminismus noch eine subversive Kraft oder längst ein Bestandteil der neoliberalen Herrschaftsstrukturen? Das Beispiel Mexiko zeigt die Widersprüche feministischer Praxis.

Frauenbewegungen agieren heute in der gesamten Welt in einem völlig anderen politischen Kontext als noch vor wenigen Jahrzehnten. Wirtschaftspolitische Maßnahmen unter neoliberalem Vorzeichen gehen einher mit einer allgemeinen Verschlechterung der Lebensbedingungen insbesondere von Frauen in den Ländern des Südens. Andererseits haben bestimmte frauenpolitische und feministische Belange in den letzten 20 Jahren international größere Sichtbarkeit und Resonanz erlangt.

In Mexiko wurde diese gesellschaftliche Akzeptanz insbesondere durch die feministischen Interventionen bei der Gewalt gegen Frauen erreicht. So geriet dieses Thema zum Katalysator für Neuorientierungsprozesse innerhalb der feministischen Strömungen. Heute sehen sich die mexikanischen Feministinnen mit neuen Herausforderungen konfrontiert, angesichts der neoliberalen Umstrukturierungen in dem mittelamerikanischen Land, die im Juli 2000 mit dem Sturz der mehr als 70 Jahre amtierenden Partei der Institutionalisierten Revolution (Pri) und der Wahl des ehemaligen Coca-Cola-Managers Vicente Fox von der Partei des Nationalen Fortschritts (Pan) zum Staatspräsidenten ihren deutlichsten Ausdruck fanden.

Viel Veränderung

Mexiko, das Land, von dem gerne behauptet wird, es sei die Wiege des machismo, macht in seiner Frauenpolitik große Fortschritte. Im August des vergangenen Jahres führte beispielsweise das vom neuen rechtskonservativen Präsidenten Fox erst im März eingeweihte nationale Fraueninstitut ein viertägiges Hearing durch, auf dessen Grundlage jetzt ein ressortübergreifendes Programm für Chancengleichheit und gegen Geschlechterdiskriminierung entwickelt werden soll. Auch kann es sich heute keine mexikanische Partei mehr leisten, in ihrer Programmatik auf den Begriff equidad (Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern) zu verzichten.

Bereits 1991 wurde die juristische Definition von Vergewaltigungen im Strafrecht erheblich erweitert, das Strafmaß erhöht und der Straftatbestand der sexuellen Belästigung neu eingeführt. 1996 und 1997 erließ man spezielle Gesetze gegen Gewalt in der Familie, und auch die Vergewaltigung in der Ehe wurde erstmals ausdrücklich unter Strafe gestellt. In den Jahren 1998, 1999 und 2000 wurden die zivilrechtlichen Bestimmungen zur Beschleunigung von Scheidungsverfahren reformiert und Schutzmaßnahmen für misshandelte Frauen ergriffen. Gleichzeitig entstanden zwischen 1989 und 1999 in der Hauptstadt Mexiko-Stadt eine Reihe öffentlicher Einrichtungen zur Beratung und Unterstützung von Frauen mit Gewalterfahrungen, auf Sexualdelikte spezialisierte Polizeikommissariate mit weiblichem Personal, Therapie- und Beratungszentren sowie ein Frauenhaus.

Die Art und Weise, wie sexistische Gewalt in der mexikanischen Öffentlichkeit wahrgenommen und diskutiert wird, hat sich grundlegend verändert. Zum einen steht seit den späten achtziger Jahren das Thema Gewalt gegen Frauen, welches bis dahin vom gesellschaftlichen Mainstream lediglich als Stoff für unseriösen Klatsch abgehandelt wurde und in der »großen Politik« erst gar nicht auftauchte, regelmäßig auf der politischen Agenda.

Zum anderen existiert heute in breiten Teilen der urbanen Öffentlichkeit ein Unrechtsbewusstsein, das in dieser Form neu ist. Bis vor wenigen Jahren wurden Gewalt - einschließlich Vergewaltigung - in der Ehe sowie sexuelle Belästigung als legitime und »natürliche« Alltagspraktiken wahrgenommen. Heute empfinden über 70 Prozent der erwachsenen EinwohnerInnen von Mexiko-Stadt, einer Umfrage der linken Tagezeitung La Jornada vom Januar 2001 zufolge, innerfamiliäre Gewalt als das gravierendste aller »schweren Delikte«. Über Vergewaltigungen, die bis Anfang der neunziger Jahre vor allem als Ehrdelikte behandelt wurden und durch die Heirat mit dem Opfer gesetzlich »getilgt« werden konnten, wird heute öffentlich gesprochen.

Zweifellos haben Feministinnen einiges dazu beigetragen, diese Themen im gesellschaftlichen Diskurs zu etablieren. Seit den siebziger Jahren haben sie immer wieder konkrete Einzelfälle von Vergewaltigungen öffentlich gemacht und damit zumindest einen Teil vor allem der städtischen Bevölkerung sensibilisiert. Zudem entwickelten Feministinnen überhaupt erst theoretische Konzepte und Begrifflichkeiten, um eine Vergewaltigung, eine Misshandlung oder sexuelle Belästigung zu definieren. Heute greifen Politiker und Staatsanwälte auf feministisches Gedankengut zurück, das mittlerweile den Status von Expertinnenwissen genießt, um eigene Initiativen bei der Gewalt gegen Frauen zu untermauern.

Die kleine feministische Szene Mexikos hat sehr geschickt viele Handlungsspielräume ausgenutzt, die sich im Verlauf des politischen Reformprozesses der letzten 20 Jahre auftaten. Feministinnen publizierten regelmäßig, sowohl in eigenen Zeitschriften als auch in großen Tageszeitungen, und organisierten in besonders spektakulären Fällen von Vergewaltigung oder Notwehr gegen Vergewaltiger öffentliche Kampagnen.

Sie traten sogar zu Wahlen an. 1988 und 1991 stellten sie auf den Listen von Oppositionsparteien eigene Kandidatinnen auf. Nach 1996, als dies erlaubt wurde, gründeten Feministinnen eigene so genannte Agrupaciones Políticas Nacionales, frauenpolitische WählerInnenvereinigungen. Sie organisierten im Parlament völlig neuartige, parteiübergreifende Bündnisse zwischen weiblichen Abgeordneten, die als geschlechterpolitische Lobby verschiedene Gesetzesentwürfe mit frauenpolitischen Themen in zähen Verhandlungen zur Verabschiedung brachten.

Und auch außerhalb des Parlaments schlossen sich Feministinnen mit renommierten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu pressure groups in Sachen Gewalt gegen Frauen zusammen. Vor allem aber gründeten Feministinnen zahlreiche Nichtregierungsorganisationen (NGO) - 1994 zählte man in ganz Mexiko fast 100 NGO zu Genderfragen - und ließen sich als Expertinnen auf Beratungsverträge mit den Regierungen oder sogar auf direkte Regierungsbeteiligungen ein.

Veränderung oder Verbesserung?

Die Fülle der politischen Reformen im Bereich der Gewalt gegen Frauen kann jedoch nicht ausschließlich als feministischer Erfolg verbucht werden. Auch eine Reihe anderer politischer Faktoren brachte die mexikanischen Regierungen der letzten Jahre in Zugzwang.

Dazu gehören einerseits die internationalen Abkommen und Konventionen gegen die Diskriminierung von Frauen im Rahmen der Uno-Konferenzen, aber auch die der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), die Mexiko allesamt unterzeichnet und ratifiziert hat und von deren Umsetzung internationales Prestige und nicht zuletzt auch die Kreditwürdigkeit des Landes abhing. Andererseits begann spätestens 1988 mit dem Amtsantritt von Präsident Salinas de Gortari ein beschleunigter Modernisierungsprozess, der unter anderem 1994 zum Eintritt Mexikos in die Nordamerikanische Freihandelszone (Nafta) führte. Dieser Modernisierungsprozess wird nun, nach der historischen Wahlniederlage der Staatspartei Pri im Juli 2000, von Vicente Fox in noch schnellerem Tempo fortgesetzt.

Schließlich zeichnete sich seit 1988, dem Jahr, in dem der für die Präsidentennachfolge designierte Pri-Kandidat de Gortari nurmehr mit Hilfe von Wahlbetrug sein Amt antreten konnte, der Niedergang der seit 1929 herrschenden Staatspartei ab. Deshalb war Salinas' Regierung darauf angewiesen, verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und ihren politischen Forderungen entgegenzukommen, um den wegen des Wahlbetrugs erlittenen Legitimationsverlust wieder wettzumachen. Die neue Frauenpolitik reihte sich so in eine Serie von Maßnahmen ein, die unter anderem 1992 auch die endgültige Versöhnung des postrevolutionären Staates mit der katholischen Kirche durch eine Verfassungsreform beinhaltete, ebenso wie ein direkt vom Präsidentenamt aus gesteuertes »Solidaritätsprogramm« zur Bekämpfung der Armut (Pronasol).

Der Reformeifer der Regierung unter de Gortari im Bereich Gewalt gegen Frauen war so ausgeprägt, dass er den Feministinnen vorübergehend die Initiative aus der Hand nahm und diese zum großen Teil auf die von oben vorgegebenen Maßnahmen nur noch reagieren konnten. Noch vor dem Amtsantritt de Gortaris im September 1988 wurde der erste Kooperationsvertrag zwischen einigen feministischen Gruppen und der städtischen Polizeibehörde in Mexiko-Stadt zur Gründung eines Beratungszentrums für Vergewaltigungsopfer (Coapevi) geschlossen. Als eine seiner ersten Amtshandlungen brachte de Gortari dann im Dezember 1988 eine Strafverschärfung für verschiedene Delikte, unter anderem für Vergewaltigung, ins Parlament ein, die gegen die Stimmen der Opposition verabschiedet wurde. Die Feministinnen im Parlament mussten daraufhin um ihren eigenen Reformentwurf zu Sexualdelikten, der mehr auf Prävention setzte, zwei Jahre lang harte Auseinandersetzungen führen, bevor er schließlich mit Abstrichen verabschiedet wurde.

Diese Situation wirkte sich auch auf die Inhalte feministischer Interventionen aus. Ein Mitarbeiter von Covc, einer der traditionsreichsten feministischen Nichtregierungsorganisationen im Bereich der Gewalt gegen Frauen, resümierte 1993: »Als es einem Teil des mexikanischen Staates gelang, die wichtigsten Überlegungen des Feminismus in Bezug auf Gewalt im Geschlechterverhältnis in den offiziellen Diskurs einzubauen, verlor die Tradition von Opposition und Protest ihre Grundlage. Zwischen 1990 und 1992 existierte auf der Diskursebene kein großer Unterschied zwischen den feministischen Aktivistinnen und den Funktionären der Strafverfolgung, die zum Thema Sexualdelikte arbeiteten. Nun gingen die wichtigsten Aktionen vom Staat aus, so, wie es über lange Zeit hinweg gefordert worden war.«

Die Auswirkungen der Reformen

Die Auswirkungen der genannten Reformen auf das mexikanische Alltagsleben zeigen jedoch ihre Beschränktheit. So sorgen die reformierten Gesetze angesichts der derzeitigen Verfasstheit der mexikanischen Justiz eher für einen internationalen Prestigegewinn der mexikanischen Regierung, als dass sie von Gewalt betroffenen Frauen konkret weiterhelfen würden. Denn wo, wie Martha Robles im Februar 1997 in der Tageszeitung Excelsior feststellte, »Gesetze so wert- und nutzlos sind wie das Papier, auf dem sie geschrieben stehen, und generell niemand an ihre Befolgung glaubt«, kann mit Gesetzesreformen nur wenig bewirkt werden. Robles bezog sich in ihrem Kommentar auf den Fall Claudia Rodríguez, die 1996 trotz feministischer Proteste zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war, weil sie in Notwehr einen Mann erschossen hatte, der sie vergewaltigen wollte.

In der Tat ist es selbst der seit 1997 amtierenden linksliberalen PRD-Administration (Partei der Demokratischen Revolution) von Mexiko-Stadt, der ersten demokratisch gewählten Regierung der Hauptstadt, bislang nicht gelungen, die Strukturen der Sicherheitsorgane und des Justizsystems aufzubrechen. Die Strafverfolgung und das Justizsystem funktionieren immer noch weitgehend nach dem an traditionellen Gefolgsmännerstrukturen orientierten Prinzip von Patron-Klientel-Beziehungen. Deshalb können insbesondere Frauen, aber auch mittellose oder indigene Männer ihre gesetzlich garantierten Rechte nach wie vor nicht erfolgreich einklagen.

Auch die ab Anfang der neunziger Jahre eingerichteten Anlaufstellen für Frauen mit Gewalterfahrungen stellen keine angemessene Antwort auf das Problem dar. Zum einen reichen ihre Kapazitäten bei weitem nicht aus. Zum anderen zeichnen sich die meisten der städtischen Stellen zur Unterstützung von Frauen mit Gewalterfahrungen durch einen sehr hohen Personalverschleiß aus. Oft verfügt das Personal auch über keinerlei oder nur sehr oberflächliche Anweisungen, wie mit den Beratung Suchenden umzugehen sei.

So sind die Neuerungen auf der symbolischen Ebene und in den offiziellen Diskursen, die auf den ersten Blick am unbedeutendsten erscheinen, vielleicht sogar die nachhaltigsten. Hier wirken sich auch die neuen Gesetze aus. Frauen gelten heutzutage gesetzlich nicht mehr, wie noch vor wenigen Jahren, lediglich als Trägerinnen gesellschaftlicher Moral. Die Keuschheitsgebote katholischer Prägung sind zumindest aus den Gesetzestexten in Mexiko-Stadt weitgehend verschwunden. Durch das explizite Verbot der Vergewaltigung in der Ehe wurde Frauen erstmals ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung zugestanden. Auch das gesetzliche Verbot von sexueller Belästigung unterstreicht, dass Frauen personale Subjekte mit eigenem, zu respektierendem Willen sind. Die automatische Unterordnung von Frauen unter Familieninteressen beginnt ebenfalls, aus den Texten zu verschwinden, auch wenn in einigen Gesetzen zur Gewalt in intimen Beziehungen der Schutz der Institution Familie immer noch Priorität vor den persönlichen Rechten und der Integrität von Frauen genießt.

Insgesamt kommt jedoch der Familie als Einheit stiftender nationaler Institution in dem mehr und mehr von Modernisierung und wirtschaftlicher Liberalisierung geprägten Nationaldiskurs eine geringere Bedeutung zu als während der Blütezeit der Staatspartei Pri. Heute wird die Familie weniger als idealisierte, unbedingt solidarische und von einer mythisch überhöhten Mutterfigur zusammengehaltene Schule aller Tugenden beschrieben. Anstelle der patriarchalen Normfamilie werden vielfältige Familienformen berücksichtigt. In einigen offiziellen Texten wie beispielsweise in den Broschüren der PRD-Stadtverwaltung über familiäre Gewalt von 1999 werden Familien nur noch als pragmatische Einheiten gesellschaftlichen Zusammenlebens verstanden, in denen durchaus divergierende Interessen aufeinander treffen, die idealerweise in Verhandlungsprozessen miteinander in Einklang gebracht werden sollen. Angesichts eines derart reformierten Begriffs der Familie dürfen nun auch Machtbeziehungen und Gewalt in deren Innerem öffentlich problematisiert werden.

Generell finden sich in der neuen Diktion von Regierungstexten viele Elemente feministischen Denkens wieder. Die faktische gesellschaftliche Benachteiligung von Frauen wird nicht nur in geschlechterdifferenzierenden Statistiken quantifiziert. Sie wird auch nicht mehr auf biologische Faktoren, die fehlende Durchsetzungsfähigkeit von Frauen oder »weibliche Passivität« zurückgeführt, sondern auf ein kulturelles System von Zu- und Einschreibungen, das man als ungerecht (inequitativo) und veränderbar identifiziert. In den PRD-Publikationen seit 1997 rückte außerdem erstmals auch die Konstruktion von Männlichkeit ins Blickfeld der Auseinandersetzung, womit Männer nicht mehr grundsätzlich als unhinterfragbare Norm des Menschlichen gelten. Die Regierungstexte der Pri und der PRD der späten 90er Jahre richten sich an Frauen nicht mehr nur als Mütter und Ehefrauen, sondern ebenso als Berufstätige, Wählerinnen und Individuen.

Darüber hinaus sind erste Tendenzen sichtbar, die die Verschiedenheit der Lebensrealitäten von Frauen berücksichtigen und Frauen nicht durch den generischen Singular la mujer (die Frau) systematisch auf ihre Geschlechtszugehörigkeit reduzieren. Dies verweist auf eine neue Perspektive, in der Frauen als personale Subjekte wahrgenommen werden und nicht lediglich auf ihre gesellschaftliche Funktion beschränkt bleiben. In jüngster Zeit ist auch die Darstellung der Geschlechter in den staatlich ausgegebenen Schulbüchern reformiert worden, und seit Ende der 90er Jahre führt man punktuell öffentliche Plakat- und neuerdings auch Fernsehkampagnen zur Prävention von Gewalt gegen Frauen durch.

Der Staat profitiert

Auch wenn die Ära der Pri nun endgültig vorbei zu sein scheint, so war zumindest die Rechnung der Regierung de Gortari noch aufgegangen, mit öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen gegen so »niederträchtige« Verbrechen wie Sexualdelikte ihr Image aufzubessern. Auch der nachfolgende Präsident Ernesto Zedillo konnte sich mit seinen Reformen zur Gewalt in der Familie als Modernisierer profilieren. Und zwar zu einem Zeitpunkt, als die Institution Familie durch die Weltfrauenkonferenz in Peking (1995) und auch durch erste Studien, die mexikanische NGO mit internationaler Finanzierung durchgeführt hatten, in ihrem makellosen Ruf bereits stark beschädigt war.

Allerdings ließ das Interesse der Machteliten an den in diesem Kontext neu geschaffenen öffentlichen Einrichtungen zur Gewalt gegen Frauen oder an einer Umsetzung der neuen Gesetze schnell nach, sobald der Werbeeffekt einmal erreicht war. Auch die PRD-Administration in der Hauptstadt gesteht ihren städtischen Beratungsstellen für innerfamiliäre Gewalt nur einen äußerst fragilen Status zu. Fast alle Einrichtungen zur Gewalt gegen Frauen in Mexiko-Stadt sind auf den guten Willen anderer Ressorts angewiesen, da die Mittel für sie von anderen Haushalten abgezweigt werden müssen.

Die mexikanische Gesetzgebung entspricht heute weitgehend westlichen Standards. Bis in die neunziger Jahre hinein hatten Ehemänner in einigen mexikanischen Bundesstaaten noch das gesetzlich einklagbare Recht, »ihrer« Frau die Arbeit außer Haus zu verbieten. Die neue Familiengesetzgebung erleichtert Frauen den Eintritt ins Berufsleben und damit ihre Eingliederung in den Markt.

In der Hauptstadt wurde im Frühjahr des vergangenen Jahres von der PRD-Stadtregierung sogar das Abtreibungsverbot reformiert. Allerdings führte man nicht die soziale Indikation ein, die vielen Mexikanerinnen das Risiko eines in der Not illegal durchgeführten Schwangerschaftsabbruchs erspart hätte, sondern neben der medizinischen die eugenische Indikation. Dies dürfte dem Staat künftige Einsparungen im Gesundheitswesen ermöglichen, korrespondiert aber nicht gerade mit dem ebenfalls im vergangenen Jahr erlassenen Verbot der Diskriminierung Behinderter.

Die Anfang der neunziger Jahre eingeführte neue Gesetzgebung zur Sanktionierung von Sexualdelikten diente darüber hinaus als legitimatorisches Vehikel, um einer neuen Sicherheitspolitik den Weg zu bereiten, die dem Staat weitgehende Befugnisse im Kampf gegen die »organisierte Kriminalität« und für eine präventive Verbrechensbekämpfung einräumte. Eine solche Ausweitung der staatlichen Kontroll- und Strafmacht bedeutet im Zuge neoliberaler Umstrukturierungen trotz der darin enthaltenen antidemokratischen Elemente einen Standortvorteil, da durch die staatliche Garantie politischer Stabilität das Investitionsklima verbessert wird.

Der damalige Generalstaatsanwalt der Hauptstadt, Ignacio Morales Lechuga, war einer der wichtigsten Verbündeten der Feministinnen im Kampf gegen Vergewaltigungen und sexuellen Missbrauch. Und er war gleichzeitig ein prominenter Vertreter dieser neuen Sicherheitspolitik, die seit der Mitte der neunziger Jahre in die Praxis umgesetzt wurde. Darüber hinaus wurden die ersten, zwischen 1989 und 1991 unter Präsident Salinas de Gortari geschaffenen Einrichtungen für vergewaltigte oder geschlagene Frauen ausgerechnet innerhalb des Polizeiapparates der Hauptstadt aufgebaut. Dies geschah im Rahmen einer Politik, die das stark angeschlagene Image der Sicherheits- und Justizbehörden durch mehr »Bürgernähe« verbessern sollte.

Die Kriminologin María de la Luz Lima Malvido, die damals als Beraterin des Generalstaatsanwalts arbeitete und gleichzeitig der feministischen Lobbygruppe Grupo Plural pro Víctimas angehörte, erklärt im Rückblick, dass die Regierung sich in jener Zeit bemüßigt fühlte, »auf die unzähligen Forderungen nach Veränderung und die gesellschaftliche Empörung über die Instanzen, die mit der Rechtsfindung beauftragt waren, zu reagieren, indem sie vor allem versuchte, drastische Veränderungen in der ungenügenden institutionellen Praxis gegenüber den Opfern von Straftaten einzuführen«. (1)

So ist das Interesse vieler Feministinnen am Versprechen von Modernität, bei dessen Umsetzung sie die Regierungen de Gortari und Zedillo bereitwillig unterstützten, vor dem Hintergrund verständlich, dass der hegemoniale mexikanische Geschlechterdiskurs Frauen immer zu den Hüterinnen und Trägerinnen von Werten und Traditionen ernannte, die bereits an sich zutiefst patriarchal geprägt waren und die Handlungsmöglichkeiten von Frauen radikal einschränkten. Deshalb musste Feministinnen jede Form der Modernisierung erstrebenswert erscheinen, da sie eine Befreiung der Frauen aus diesem Korsett versprach.

Andererseits findet die Modernisierung des politischen Systems in Mexiko jedoch bestenfalls in den Grenzen eines bestimmten Modells repräsentativer Demokratie statt, das in anderen lateinamerikanischen Ländern, insbesondere in Chile und Argentinien, bereits durchgesetzt ist, und das Lucy Taylor wegen seiner Funktionalität für die neoliberale Wirtschaftsweise als »neoliberale Demokratie« bezeichnete. (2)

Spätestens durch die von der Regierung de Gortari forcierte Einbindung in die Nordamerikanische Freihandelszone waren auch in Mexiko für die »neoliberale Demokratie« die Weichen gestellt. Der Politikwissenschaftler Roderic Camp hat die so genannte Demokratisierung unter de Gortari als Anpassung der politischen Verhältnisse von oben an wesentlich weiter reichende ökonomische Dezentralisierungsprozesse interpretiert. Um diese Reformen durchzuführen, habe de Gortari die politische Macht noch enger als zuvor auf die Exekutive und das Präsidentenamt konzentriert, was einer tatsächlichen Demokratisierung jedoch entgegenstehe (3).

Von der Bewegung zur Beratung

Die Funktionalität von Maßnahmen zur Gewalt gegen Frauen für bestimmte Machtinteressen ist in den feministischen Kreisen Mexikos bisher kaum diskutiert worden. Ein Grund dafür ist, dass sich die feministische Bewegung parallel zu den staatlichen und juristischen Reformen im Bereich der Gewalt gegen Frauen strukturell grundlegend verändert hat, was Konsequenzen für die Inhalte und Ausrichtung feministischer Interventionen hatte.

Die feministische Szene Mexikos, in den siebziger Jahren noch ein nur minimal organisiertes, gesellschaftlich marginales Experimentierfeld für neue Aktionsformen, ist heute ein durch und durch institutionalisierter und formalisierter Sektor, der große Anerkennung in offiziellen politischen Kreisen genießt. Die kleinen feministischen Gruppen von damals haben sich in ein Konglomerat aus Nichtregierungsorganisationen verwandelt, welche sich, um besser bezahlt und gehört zu werden, mehr und mehr zu Dachverbänden und Konsortien zusammenschließen.

NGO-Mitarbeiterinnen praktizieren Feminismus heute meistens als Beruf und haben sich vom Gedanken einer sozialen Protestbewegung verabschiedet. Allerdings konnte den Professionalitätsanforderungen der Geldgeber nur genügen, wer über einen gewissen Bildungsgrad und formelles kulturelles Kapital verfügte, weshalb die NGO nur überdurchschnittlich gebildeten Mittelschichtsfrauen eine Perspektive zur beruflichen und politischen Selbstverwirklichung außerhalb des herkömmlichen Arbeitsmarkts boten.

Dieser Konzentrations- und Professionalisierungsprozess feministischer Organisationen wird begleitet von einem ähnlichen Prozess auf der personellen Ebene. In dessen Verlauf gewinnt eine kleine, heterogene frauenpolitische Elite an Einfluss. Dieses Phänomen ist eine Folge der vertikalen Strukturen innerhalb der mexikanischen NGO, die in den meisten Fällen um eine weibliche Führungsfigur aufgebaut sind. Diese feministischen Führungspersönlichkeiten konzentrieren sich in den letzten Jahren immer mehr auf die Lobbyarbeit innerhalb des politischen Apparats, während die hauptsächlich von »Gefolgsfrauen« innerhalb der NGO geleistete Arbeit ihnen dabei als Legitimation dient. Wegen der sich mehrenden übergreifenden Zusammenschlüsse sind zudem Möglichkeiten zur Ämterhäufung entstanden, sodass heute etwa 30 Frauen »die feministische Politik« oder zumindest das, was davon in der mexikanischen Öffentlichkeit wahrgenommen wird, untereinander und mit den politischen Parteien aushandeln sowie nach außen vertreten.

Die mexikanische frauenpolitische Elite arbeitet einerseits hocheffizient. Ihre Erfolge kommen insbesondere auf der symbolischen Ebene durchaus vielen Mexikanerinnen vor allem im urbanen Kontext zugute. Der Preis dafür war jedoch die Anpassung an die politische Kultur der Pri und die Befolgung ihrer Spielregeln. Zudem repräsentieren die feministischen Eliten faktisch nur einen kleinen, in seiner Zusammensetzung sehr homogenen Ausschnitt der weiblichen Bevölkerung Mexikos. Wie in der Geburtsstunde der feministischen Gruppen handelt es sich fast ausschließlich um mestizische oder weiße gebildete Frauen aus der städtischen Mittel- oder Oberschicht. (4) Eine demokratische Kontrolle oder Legitimation ihrer Aktivitäten durch eine »Basis« ist wegen der entstandenen Machtstrukturen kaum noch möglich. Vielmehr wird der Feminismus als solcher in Mexiko meist mit den Protagonistinnen sowie mit deren Politikformen und Inhalten identifiziert.

Die soziale Homogenität der feministischen Eliten wirkt sich auch inhaltlich aus. Sie konzentrieren sich häufig ausschließlich auf die asymmetrischen Geschlechterverhältnisse und sehen diese nicht als lediglich eines von zahlreichen zu bekämpfenden Herrschaftsinstrumenten. Unter dem Stichwort des liderazgo femenino (weibliche Führung) geht es darum, in möglichst allen gesellschaftlichen Bereichen »weibliche Macht« aufzubauen. Viele feministische Organisationen, die sich Anfang der achtziger Jahre noch an marxistischen Grundsätzen orientierten und Bündnisse mit anderen linken Gruppen suchten, haben sich von diesen Ansätzen längst verabschiedet.

Auch werden Klasse und Rasse als gesellschaftliche Ausschlusskategorien meist weder analytisch mitreflektiert noch in der politischen Praxis berücksichtigt, obwohl diese in einer so stark hierarchisch fragmentierten Gesellschaft wie der mexikanischen eine sehr große Rolle spielen. Frauen aus unterprivilegierten sozialen Gruppen, die in den Siebzigern und Anfang der achtziger Jahre von Feministinnen noch als Mitstreiterinnen im gemeinsamen Kampf umworben wurden, sind heute wegen mangelnder formaler Qualifikationen von der aktiven Mitarbeit in den hochspezialisierten NGO ausgeschlossen. Außen vor bleiben insbesondere auch indigene Frauen, deren spezifische Situation von den wenigsten feministischen NGO praktisch und konzeptionell berücksichtigt wird. (5)

So ist die Kehrseite der politischen Erfolge mexikanischer Feministinnen im Ausschluss indigener, armer oder ungebildeter Frauen, im Verlust sozialer Mobilisierungsfähigkeit und in der raschen Entfernung vom politischen Ziel der Systemveränderung zu sehen.

Befördert werden diese Strukturen auch durch die Anforderungen der Geldgeber aus den Industrieländern, die klare Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten verlangen. Darüber hinaus stellt sich die Frage nach den möglichen Alternativen: International hat sich die Gründung von NGO als nahezu einzige akzeptierte und auch Erfolg versprechende Form durchgesetzt, jenseits herkömmlicher Organisationsformen wie Parteien oder Gewerkschaften kollektive Interessen zu artikulieren. Damit geht einher, dass Basisgruppen oder soziale Bewegungen, die sich nicht der NGO-Form bedienen wollen oder können, gesellschaftlich kaum mehr wahrgenommen werden. Denn sie können mit der diskursiven Präsenz finanziell gut ausgestatteter und auch marketingstrategisch professionalisierter NGO nicht mithalten.

Autonome gegen etablierte Feministinnen

Dies trifft auch für eine Gruppe mexikanischer Feministinnen zu, die seit Mitte der neunziger Jahre eine Minderheitsposition einnimmt. Die Spaltung, die kurze Zeit später auch in ganz Lateinamerika ihre Entsprechung fand, vollzog sich in Mexiko während der Vorbereitungen zur Pekinger Weltfrauenkonferenz.

Die Minderheit, die sich als feministas autónomas (autonome Feministinnen) bezeichnete, verweigerte sich den Verlockungen der Realpolitik und formulierte ihre Ablehnung der Zusammenarbeit mit offiziellen Stellen. Ximena Bedregal und Rosa Rojas, zwei Vertreterinnen dieser Strömung, kritisierten in der Zeitungsbeilage doble jornada vom Juli 1995 die Fokussierung der meisten NGO auf die Konferenzteilnahme in Peking. Denn dies bedeute erstens, »zu akzeptieren, dass es nur ein einziges, unumstrittenes sozioökonomisches Modell gibt: das patriarchale neoliberale, in dessen Instanzen man sich eingliedern muss, um es zu korrigieren und zu retuschieren.« Zweitens führe die Verwendung aller Finanzmittel für die Konferenzvorbereitung zu einer fatalen Austrocknung lokal orientierter Gruppen und Initiativen, und drittens würde durch die Aufwertung von NGO zu Lobbygruppen die große Mehrheit der Bewegung, die nicht in NGO arbeite oder diesen angehöre, von vornherein ausgeschlossen.

Die so genannten autónomas fordern eine Debatte über ethische Grundsätze des Feminismus, beispielsweise was die Finanzierung feministischer Projekte durch den IWF oder die Weltbank anbelangt. Sie wollen den Feminismus mit Hilfe einer Macht und einer Legitimität, die durch Mobilisierungen auf der Straße gewonnen werden können, wieder zu einer subversiven Kraft machen, die nicht nur die Sprache, sondern die gesamte soziale Wirklichkeit neu erfindet. (6)

Die meisten der prominenten mexikanischen Feministinnen dagegen haben sich tief in die Sachzwänge der Realpolitik verstrickt. Sie übernehmen in diesem Kontext auch Argumentationen, die den Interessen des Marktes oder des Staates dienen. So argumentierte Patricia Duarte von Covac in einem 1996 veröffentlichten Text, Gewalt gegen Frauen sei ein »sozialer Kostenfaktor«, da sie Produktivitätsverluste bewirke und deshalb ein Hindernis für die ökonomische Entwicklung Mexikos sei. (7) Enoé Uranga, führendes Mitglied der feministischen Wählerinnenvereinigung Diversa und heute Vorsitzende der Menschenrechtskommission im Hauptstadtparlament, bezeichnete im Jahr 2000 »das Gleichgewicht der wichtigsten makroökonomischen Variablen« sowie den »erfolgreichen Kampf gegen Korruption, Gewalt und fehlende öffentliche Sicherheit« als zentrale Bestandteile der Gesellschaft, für die Diversa eintrete. (8)

Einige mexikanische Feministinnen schlossen sich nach der Weltfrauenkonferenz von Peking der internationalen Kampagne »Die Weltbank aus der Sicht der Frauen« an, die es sich zum Ziel setzte, als zivilgesellschaftliche Kraft die Verwendung der von der Weltbank vergebenen Gelder zu überwachen und zu diesem Zweck zu deren Entscheidungsgremien zugelassen zu werden.

Handeln im Neoliberalismus

Während sich also die einen in dem Bestreben, möglichst pragmatisch und effizient die für Frauen oft unerträglichen Verhältnisse im Hier und Jetzt zu ändern, sehr weit an hegemoniale Denk- und Handlungsmodelle angepasst haben und dem neoliberalen Modell, das ihnen als gebildeten Mittelschichtsfrauen tatsächlich vollwertige Beteiligung und gesellschaftlichen Aufstieg in Aussicht stellt, aufgeschlossen gegenüberstehen, bezahlen die anderen ihre Unversöhnlichkeit mit einer politischen Marginalität, die ihnen praktische Interventionen kaum ermöglicht.

Inwieweit feministisches Handeln, auch wenn es einem oppositionellen Selbstverständnis entspringt, für neoliberale Herrschaftsmodelle funktional ist und die Festigung zentraler Paradigmen der neuen Herrschaftsdiskurse unterstützt, zeigt sich im Bereich Gewalt gegen Frauen vor allem an zwei Aspekten.

Die neoliberale Globalisierung hat ein neues Verhältnis zwischen Individuum, Staat und Ökonomie hervorgebracht, das als »Übertragung des Marktmodells auf alle sozialen Beziehungen und Lebensbereiche« bezeichnet werden kann. Im Kontext dieser Umbrüche haben viele Konzepte, die bislang die Handlungskompetenzen von Frauen stärkten und damit Emanzipation versprachen, eine neue Bedeutung erlangt. Die Abkehr von der Auffassung, Frauen seien vor allem Opfer patriarchaler Verhältnisse, die sich in der feministischen Theorie am Ende der achtziger und am Anfang der neunziger Jahre durchsetzte, versprach zunächst die Möglichkeit, einen Prozess in Gang zu setzen, der Frauen jenseits erlittener Gewalt neue Lebensentwürfe ermöglichte.

Heute fügen sich diese Theoreme jedoch in einen generalisierten Diskurs des so genannten victim blaming ein, in dem niemand mehr den gesellschaftlichen Verhältnissen die Schuld für das eigene Versagen zuschreiben soll. Im Gegenteil wird propagiert, jede und jeder könne durch geschicktes Selbstmanagement die eigenen Chancen optimieren. Aus der Option, sich nicht nur als Opfer, sondern auch als Handelnde zu definieren, ist der Zwang zur individuellen Selbstverantwortung geworden. Denn das Prinzip der kollektiven Verantwortung für gesellschaftliche Missstände tritt im neoliberalen Denken hinter der Betonung individueller Pflichten zurück. (9)

Als Grundkonstante feministischer Politik galt es immer, das Selbstbewusstsein und die Kompetenzen von Frauen auf allen Ebenen gesellschaftlicher Praxis zu stärken. Was früher hauptsächlich in informellen Selbsterfahrungsgruppen stattfand, ist heute professionalisiert und wird von spezialisierten NGO an so genannte Klientinnen vermittelt. Das Ziel ist das vielgerühmte empowerment von Frauen, im Sinne der Stärkung ihres Zugangs zu Ressourcen und ihrer Entscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeiten in allen gesellschaftlichen Bereichen. (10)

Doch ist auch der Begriff des empowerment, der ursprünglich eine Transformation der Geschlechterverhältnisse anvisierte, inzwischen weitgehend auf den Bereich des Ökonomischen reduziert worden. Während Frauen der Mittelschicht mittlerweile als Rechtssubjekte anerkannt sind, werden die Klientinnen aus den Unterschichten von feministischen NGO in Seminaren zu kostenlosen Dienstleisterinnen für die Familie und die Community geschult. Die Förderung von Handlungsoptionen ist mit der Forderung verbunden, die neu erworbenen Kenntnisse gemäß dem unternehmerischen Paradigma auf dem Markt möglichst Gewinn bringend einzusetzen.

Kollektive Selbstorganisierungsprozesse, in denen arme Frauen eigene gesellschaftspolitische Zielsetzungen entwickeln und formulieren könnten, bleiben dabei außen vor. Vielmehr geht es darum, Armutsbekämpfung durch Mikrounternehmertum im informellen Sektor zu privatisieren.

Feministische Emanzipationskonzepte wirken den heute hegemonialen neoliberalen Herrschaftsformen also nicht mehr unbedingt entgegen. Sie können sogar zu deren Akzeptanz und Durchsetzung beitragen. Eine kritische Auseinandersetzung mit diesen Effekten hat in Mexiko bislang jedoch kaum stattgefunden.

Anmerkungen

(1) Lima Malvido, María de la Luz (1991): Criminalidad femenina. Teorías y reacción social. México, S.348.

(2) Lucy Taylor (1997): Privatising Protest: NGOs and the Professionalisation of Social Movements. Vortrag auf dem XX. internationalen Kongress der Latin American Studies Organization, 17.-19. April, Guadalajara.

(3) Roderic Ai Camp (1996): Politics in Mexico. Oxford, S.224.

(4) Dies war vor allem in den achtziger Jahren anders, als feministische Inhalte Frauen aus Stadtteil- und anderen sozialen Massenorganisationen in Mexiko-Stadt zu beeinflussen begannen. Die damals entstandene »breite Frauenbewegung« (movimiento amplio de mujeres) war zwar auch auf urbane Räume begrenzt, ihre Akteurinnen waren aber vor allem Frauen aus den Unterschichten.

(5) Eine der wenigen Ausnahmen bildet die in Chiapas und Mexiko-Stadt tätige NGO K'inal Antzetik (Welt der Frauen), die maßgeblich an der Entstehung der Coordinadora Nacional de Mujeres Indígenas beteiligt war, der ersten Selbstorganisation und Interessenvertretung indigener Frauen auf Bundesebene.

(6) Vgl. Margarita García; María Elena García et al. (1997): Propuestas, voces y miradas. Información desde la autonomía sobre el VII Encuentro Feminista Latinoamericano y del Caribe. México.

(7) Patricia Duarte (1996): Violencia contra la mujer, obstáculo para el desarollo y la democracia. In: Duarte/González (Hg.): La violencia de género en México, un obstáculo para la democracia y el desarollo. México, S.193ff.

(8) Enoé Uranga (1999): El colectivo lesbi-gay de Diversa. In: Letra S, Beilage zu La Jornada, 3. Juli.

(9) Ulrich Bröckling (2000): Totale Mobilmachung. Menschenführung im Qualitäts- und Selbstmanagement. In: Ders. et al. (Hg.): Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen. Frankfurt am Main, S.131-167.

(10) Christa Wichterich (1994): Empowerment. Vom Widerspruch zum Widerstand der Frauen. In: EPD Entwicklungspolitik Nr. 14.