Bignes?

Lernen von Oberhausen

Eine Kritik der unternehmerischen Stadtentwicklung.

Bigness, so die spöttische Bemerkung des niederländischen Architekten Rem Koolhaas in seinem Buch »S, M, L, XL«, sei der Gipfel der Architektur. Er preist den von ihm entworfenen, stadtteilgroßen Bahnknoten EuraLille mit dem Argument, dass nurmehr Größe ein »Regime der Komplexität« sei und die »geballte Intelligenz der Architektur« mobilisieren könne. (1) Als »Revolution ohne Programm« bestehe hier die »Chance zu einer Neuordnung des gesellschaftlichen Lebens«.

Koolhaas' Reformkapitalismus setzt auf die entfesselten Kräfte des Marktes, die der zögerlichen Politik des so genannten Gemeinwohls schon Beine machen werden. »Den Tiger reiten« nannte das kurz nach der Wende Berlins Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer mit Blick auf die »größte Baustelle Europas« am Potsdamer Platz, die die globalen Unternehmen Daimler und Sony, ABB und Metro unter sich aufgeteilt hatten.

Size Does Matter

»Bigness ist nicht mehr Teil eines wie auch immer definierten urbanen Zusammenhangs. (...) Ihr Subtext lautet: Scheiß auf Kontext!«, kommentiert Koolhaas die aktuelle unternehmerische Stadtentwicklung. Bigness selbst ist Stadt und sich »angesichts der Menge und Vielfalt der Einrichtungen, die sie birgt« schon selbst genug. Dies sei »die einzige Architektur, die den mittlerweile globalen Zustand der Tabula rasa überleben, ja sogar nutzen kann (...); opportunistisch strebt sie zu jenen Orten, die ein Maximum an Infrastruktur verheißen«.

Bigness wird als heilsamer wie unabwendbarer Schock beschrieben. Sie »zerstört, aber sie ist auch ein Neuanfang. (...) Sie ist die einzige Architektur, die das Unberechenbare meistern kann. Statt Koexistenz zu erzwingen, ist Bigness abhängig von Systemen, die größtmögliche Freiheit und maximale Differenz bieten.«

Wie bemisst sich Bigness? Anderthalb Fahrstunden für die Durchquerung des Terrains von Greater Lille haben Rem Koolhaas und sein Office for Metropolitan Architecture kalkuliert. Wo aber endet der von Koolhaas entworfene Stadtteil EuraLille, wenn das Einzugsgebiet per Hochgeschwindigkeitszug auf über 50 Millionen Menschen kalkuliert ist, die im 90-Minuten-Umfeld zwischen London, Rotterdam und Paris leben? Und wo befindet sich die Stadtgrenze von London, wenn zwischen den beiden nach der Stadt benannten Flughäfen 85 Kilometer liegen?

Im »Regime der Komplexität« sind die Interessen, Konditionen und Sachzwänge derart ineinander verkeilt, dass nurmehr unter den Konditionen unternehmerischer Stadtentwicklung Fortschritte zu erzielen seien. J. P. Baietto beschreibt in »S, M, L, XL« die von ihm gegründete, »Qualitätszirkel« titulierte EuraLille-Kommission als »Höllendynamik«: »Die Beziehungen, die gegenseitigen Abhängigkeiten, die Befruchtung von Schnittstellen, die Überlagerungen von Nutzern und Besitzern werden so komplex, dass sie eine Gruppe von Gefangenen bilden, zusammengekettet durch gegenseitige Verbindlichkeiten, verschlimmert durch die hohe Komplexität, die sie unwillentlich angeboten haben.«

Der von Koolhaas als marktwirtschaftlich definierten Abgewandtheit seiner Tätigkeiten von der Politik widerspricht schon die eigene Berufspraxis. Ein Großteil seiner Bauten hat öffentliche Auftraggeber und Finanziers, oder sie entstammen kommunaler Initiative. In die als befreiend empfundene »Revolution ohne Programm«, die in der schillernden, aber kaum beherrschbaren neuen Größe schlummere, ist trotz allem produktivem Chaos Herrschaft eingeschrieben.

So konnte Koolhaas sein Projekt EuraLille nur dank der Durchsetzungskraft von Pierre Mauroy, dem Oberhaupt in der nordfranzösischen Provinz, fortsetzen. Derzeit allerdings steckt EuraLille unvollendet in einer Krise - wie so viele großmaßstäbliche Stadtentwicklungsprojekte in Stuttgart, Frankfurt oder im Ruhrgebiet, von denen noch die Rede sein wird.

Learning From Oberhausen

Mein Ausgangspunkt für das Bigness-Vorhaben liegt in Oberhausen. Nicht mehr die vor bald 50 Jahren gegründeten Internationalen Kurzfilmtage, sondern ein für die Bundesrepublik einmaliger Komplex aus Einkaufszentrum, Veranstaltungsarena und Freizeitpark steht für das aktuelle Image der Stadt im Ruhrgebiet. Die Shopping Mall CentrO als Kern der »Neuen Mitte Oberhausen« lässt sich auf vielerlei Art beschreiben, etwa als überbewertete Erlebnis-Einkaufswelt, als tollkühnes Stück Investorendreistigkeit, als eine Folge des Umbaus des Ruhrgebiets oder als nicht zu unterschätzende Neuformierung einer Region, ihrer Verwaltung und des soziokulturellen Lebens.

Aber auch im übrigen Ruhrgebiet zeichnen sich mit mehreren Musical-Theatern, dem Freizeitpark Movie-World in Bottrop und einem Ufo-förmigen Bahnhofsneubau in Dortmund neue Großprojekte ab, die tief in die Struktur, die Kommunalpolitik, das Freizeitverhalten, die Kultur und das Image der Städte eingreifen sowie den »postindustriellen Strukturwandel« des Ruhrgebiets verbildlichen sollen.

Großmaßstäbliche Entwicklungen wie die »Neue Mitte Oberhausen« sind kein Einzelfall mehr. Vergleichbare Planungen in Stuttgart (Stuttgart 21, SI-Center), München (Messestadt Riem, Franz-Josef-Strauß-Flughafen), Hannover (Expo 2000), Berlin (Potsdamer Platz-Projekt, Sony Center), Leipzig (Promenade Hauptbahnhof, Neue Messe / Warenverteilzentren / Flughafen), Duisburg (Multi Casa), Dortmund (UFO/ MultiThemenCenter) oder Frankfurt/ Main (Urban Entertainment Center, Airport-City) machen deutlich, wie sehr die Dimensionen sich verändert haben. Denn »Größe zählt« bei der »Size does matter«-Werbekampagne, die das Publikum in Roland Emmerichs »Godzilla«-Film und vor die Großleinwände der Multiplexe locken sollte.

Bigness oder Bignes?

Bignes? schreibt sich hier nicht mit Doppel-s und nimmt so auch typografisch den Zweifel auf. Eine Frage jedoch bleibt: Wie kritisiere ich die Entwicklung großmaßstäblicher, unternehmerischer Stadtentwicklungsprojekte? Der häufig kulturpessimistische Unterton »Alles Plastik« oder »Alles Amerika« hilft nicht weiter, wenn es um Fragen der Macht geht. Zudem heißt »Lernen von Oberhausen« eben auch, seine eigene Freude am Falschen kenntlich zu machen.

Und was wäre smallness? Das japanische Trashmonster Godzilla zerstört zwar die Stadt und ist ein Produkt unternehmerischer Kräfte, aber es ist zugleich auch deren Mutation. Als Resultat (nuklear-) technologischen Fortschritts erwächst ein Ungeheuer, das sich gegen die mächtige Ökonomie zur Wehr setzt. Größe, das zeigt auch das Beispiel des autonomen Kopenhagener Stadtteils Christiania auf ehemaligem Kasernengrund, ist nicht per se ein Problem, und so muss small auch nicht immer beautiful sein. Größe im Aktienmarkt wiederum heißt, Sicherheiten zu entwickeln gegen das Geschlucktwerden von der Konkurrenz. Feindliche Übernahmen nennt man solch einen unfreundlichen Akt.

Glückspilz-City

Die »Neue Mitte Oberhausen«, errichtet auf den Ruinen der Gute-Hoffnung-Stahlhütte des Thyssen-Konzerns, löst die alte Innenstadt ab. So schloss C&A in Oberhausen und Mülheim zwei Filialen, um das Geschäft im neuen Einkaufskomplex CentrO zusammenzufassen. Aber auch mittelständische Läden im Besitz lokaler Kaufleute folgten den Kundenströmen und verlagerten ihre Geschäfte zur Neuen Mitte. (2) Hierbei hinterließen sie im »alten« Oberhausen - die Stadt ist gerade 125 Jahre alt geworden - ein seltsames Pattern aus CitiBank, Kodi, Rudi's Resterampe, einem Zeeman-Klamottenladen sowie anderen Schnäppchenläden.

»Urbanität« bedeutet in Oberhausen nicht die gediegene Konservierung innerstädtischer Altbauensembles, sondern eine schlichte Filialistenmeile mit Kaufhauskistenarchitektur. Eingebunden in den nur noch selten anzutreffenden Charme der Nachkriegsmoderne, bietet die Innenstadt zurzeit eine Atmosphäre von Flohmarkt und Basar, mit besonderen Attraktionen jenseits der üblichen Produktpalette, wo smart shopper ihren Erlebniseinkauf tätigen.

Auf dem Weg von der alten zur Neuen Mitte eilt der Expressbus auf einer Sonderroute (3) vorbei am neu gebauten Arbeitsamt, das mit seiner palastartigen Größe die Situation auf dem Arbeitsmarkt nur zu kenntlich macht. Gebrochene Arbeitsplatzversprechen prägen Großprojekte wie dieses in regelmäßigen Abständen, da hier die Kommunalpolitik besonders erpressbar scheint. Das annoncierte Jobwunder von Oberhausen blieb weitgehend aus, es entstanden wenige Teilzeitjobs unterhalb der Besteuerungsgrenze. Es heißt, dass sich in den vom Publikumsverkehr abgewandten Bereichen des CentrO einige prekär Beschäftigte mit ebenso prekärem Aufenthaltsstatus in der Bundesrepublik gegen ihre miserablen Arbeitsbedingungen aufgelehnt hätten - leider erfolglos.

Manifest Oberhausen

Oberhausens stadtteilgroßes Umbauprojekt »Neue Mitte« ersetzte baulich wie sozial das demontierte Stahlwerk als Zentrum der zergliederten Stadt. Die 225 000 EinwohnerInnen verteilen sich auf die drei Kernstadtteile Sterkrade, Osterfeld und Alt-Oberhausen. Wo im 19. Jahrhundert neben dem Heidebahnhof (Oberhausen) schon das eigentliche Zentrum der werdenden Ruhrgebietsstadt entstand, klaffte nach der Schließung des Werks in den achtziger Jahren eine riesige Brache von mehr als 30 Prozent der Stadtfläche und beließ die Kommune dreigeteilt. Die zu Beginn der neunziger Jahre eingeleitete Industriekonversion »Neue Mitte« sollte als großflächiger Gewerbepark die Teile der Stadt zusammenführen, neue Arbeitsplätze schaffen und Kaufkraft binden.

Die Gute-Hoffnung-Hütte (GHH) bildete früher eine geschlossene Gesellschaft. Obwohl sie sozialer Treffpunkt der männlichen Arbeiterbevölkerung war, hielten die Werktore und der Werkschutz den Großteil der Oberhausener davon ab, dieses Areal jemals zu betreten. Es gab Tage der offenen Tür, Vati gehörte am Wochenende der Familie und ging ansonsten malochen. Betrachtet man jedoch die Aufnahmen von Herbert Viktors Dokumentarfilm »Schichten unter der Dunstglocke« von 1959 genauer, so sieht man dort Sonnenbadende am Rande des Emscher-Kanals, gleich gegenüber vom Gasometer, der nun als touristischer Aussichtspunkt fungiert. Die Arbeitskämpfe haben den Industriearbeitern im Ruhrgebiet nicht nur mehr Lohn, sondern auch mehr Freizeit verschafft. Mit der Schließung der Werke öffnete sich das Werksgelände, und für viele wurde Freizeit ein Dauerzustand.

Die allgemeine Öffnung der »Neuen Mitte« bedeutet keineswegs die Etablierung einer städtischen Öffentlichkeit. Dem widerspricht schon ihr Entstehungsprozess. Während eine Stadt mit ihren sichtbaren Widersprüchen in unzähligen Einzelentscheidungen und Prozessen entsteht, wurde das CentrO-Umfeld mit seinem homogenisierenden Branchenmix in wenigen Jahren straff zentralistisch entwickelt.

Das nach außen hin baulich wie eigentumsrechtlich abgeschlossene CentrO ist durch riesige Parkplatzfelder, Brachen, den Emscher-Kanal, die A 42 sowie Gleisdämme vom Rest der Stadt wie durch mehrfach gestaffelte Burggräben einer Zitadelle getrennt. Die genau kanalisierten Auto-, Bahn- und Busverkehrsströme führen gleich einer Ziehbrücke zu den trichterförmig geöffneten Zugängen der »In-Door-City«, einer suburbanen Insel inmitten eines neuen Stadtkerns, der sich allein nach Rendite bemisst.

Kontrolle ist besser

Die postfordistische Umnutzung überschüssiger Areale setzt gewaltige Flächen frei, die in dicht bebauten Städten liegen und planerische Phantasien beflügeln. Statt der GHH-Werkskantine besucht man nun »Planet Hollywood«, die ehemalige Werksstraße »Kombinat Carl Zeiss« in Jena heißt jetzt »Jena Goethe Galerie«, aus dem Güterbahnhof von Frankfurt am Main wird eine Messe- und »Europa-Stadt«, und aus der ehemaligen Schiffswerft AG Weser in Bremen erwächst ein »Space Park«.

Vormals verschlossene Terrains wie Werke und Werften, Kasernen, Gefängnisse oder Krankenhäuser, aber auch Lagerstätten, Schlachthäuser und Gleisareale öffnen sich, um als Orte der Konsumgesellschaft kommerziell erschlossen zu werden. Aus dem Werkschutz entstehen Wachschutzunternehmen, die diese Areale kontrollieren. Die in Oberhausens Nachbargemeinde Essen ansässige Raab Karcher Sicherheit GmbH ist Teil des postindustriellen Veba-Konzerns; die Firma Securitas wiederum entstammt dem RWE-Konzern.

Die aktuellen Phänomene großmaßstäblicher und privatwirtschaftlich beeinflusster Stadtentwicklung auf innerstädtisch gelegenen Industrie-, Infrastruktur- oder Militärbrachen lassen Deregulierung zur Selbstdisziplin erwachsen. Deregulierung, schreibt Harun Farocki, »bedeutet keineswegs Verringerung der Kontrolle«. Der Berliner Filmregisseur recherchierte gleichzeitig zu den beiden in den USA paradigmatischen Kontrollsystemen: dem privatwirtschaftlich umgebauten Strafvollzug als neuem Arbeitslager sowie dem elektronischen Markterkunden zur Optimierung von Shopping Malls. Die Konvergenz der Themen entspricht der Verschmelzung der Typologien: »Ein Flughafen enthält ein Einkaufszentrum, ein Einkaufszentrum enthält eine Ausbildungsstätte, eine Ausbildungsstätte bietet Erholung usf. Was folgt daraus für das Gefängnis, das ein Spiegel der Gesellschaft ist, ebenso ein Gegenbild und eine Projektion?«

In seinem »Postskriptum über die Kontrollgesellschaften« skizziert Gilles Deleuze den epochalen Wandel geschlossener Milieus zu modularen Kontrollen einer durch das Unternehmerische geprägten Macht, die »die Individuen zueinander in Gegensatz bringt, jedes von ihnen durchläuft und in sich selbst spaltet«. Die Krise der Institutionen Familie, Schule, Gefängnis, Fabrik oder Krankenhaus sowie deren unmögliche Reformen sind Teil einer »tiefgreifenden Mutation« des Kapitalismus. Die Einschließungsmilieus werden durch soziale Kontrolle, lebenslange Lernpflicht, elektronisches Halsband, unternehmerische Selbstdisziplinierung und Spaltung in diverse Risikogruppen gleichsam überlagert oder ganz abgelöst.

Michel Foucault,der mit »Überwachen und Strafen« den Klassiker der Machtanalyse innerhalb der Einschließungsmilieus verfasste, skizzierte in einer Vorlesung 1978 eine postdisziplinarische Perspektive der gouvernementalité. Die Verknüpfung aus Regieren (Gouvernement) und Denkweise (Mentalität) beschreibt neue soziale (Regierungs-)Beziehungen und Herrschaftstechniken zwischen Menschenführung und »Technologien des Selbst«, die Befreiung vom Machtregime verheißen.

In ihrem Band »Gouvernementalität der Gegenwart - Studien zur Ökonomisierung des Sozialen« wenden die HerausgeberInnen Ulrich Bröckling, Susanne Krasmann und Thomas Lemke Foucaults Skizze auf verschiedene Sphären des neuen Regierungshandelns an. Der vermeintliche »Niedergang der Politik« sowie die »Herrschaft des Marktes« werden in der Einführung »selbst als ein politisches Programm dechiffriert«, das die Veränderung der Form und die Informalisierung des Regierens unkenntlich zu machen sucht.

Der Markt wird »selbst zum organisierenden und regulierenden Prinzip des Staates«. Dieser zieht sich also gegenüber den Marktkräften nicht zurück, wie es immer wieder mit latenter Sehnsucht nach vermeintlich besseren Zeiten staatlicher Regelsetzung heißt.

Weit eher formatiert sich das Regierungshandeln neu - und reitet sozusagen den Tiger, statt gefressen zu werden. »Der Staat ist nichts anderes als der bewegliche Effekt eines Regimes vielfältiger Gouvernementalität«, formulierte Foucault 1984 in der Tageszeitung Libération. Subjekte werden nicht durch Gesetze diszipliniert, sondern zu einem bestimmten Handeln veranlasst: »Regierung stachelt an, gibt ein, lenkt ab, erleichtert oder erschwert, erweitert oder begrenzt, macht mehr oder weniger wahrscheinlich«.

Mediation

Ein Beispiel dieses neuen Regierungshandelns ist die Definition des Berliner Senats von »sozialen Brennpunkten« - bemessen nach dem Krankenstand, der Anzahl der SozialhilfeempfängerInnen und dem Ausländeranteil. Sind diese Orte erst einmal markiert, wird mit Mitteln der »Selbstaktivierung« das unternehmerische Potenzial der »Betroffenen« aufgerufen. Denn mehr als ein »Quartiersmanagement« hat man ihnen oftmals nicht zu bieten. Zugleich kommt dies aber auch dem Bedürfnis lokal organisierter Kieze entgegen, Probleme aus der örtlichen Perspektive selbst angehen zu wollen.

Bei Großprojekten wie zuletzt der Expansion des Flughafens Frankfurt-Rhein-Main wird der Protest mit langwierigen Mediationsverfahren und durch die Einbindung kritischer Kräfte kleingekaut. Ein »Regieren durch communities« als »post-soziale Strategien der Verhaltensregulierung« (Nikolas Rose) kommt ohne Gesellschaft aus, indem es sich auf die unternehmerisch aktivierten Einzelnen beruft. Das Soziale wird in Marktwerte gewandelt und innerhalb fluktuierender Netzwerke gehandelt. Eine »Art permanentes ökonomisches Tribunal« nennt dies Foucault.

Konsum für alle

Die alte Schwerindustrie diktierte ihre eigenen Gesetze, der sich Stadt und Land weitgehend unterzuordnen hatten. Innerhalb eines Jahrhunderts wandelte sich das brachliegende Heideland am Rande des Provinzbahnhofs Oberhausen zur gigantischen Hüttenanlage. Binnen eines Jahrzehnts wird nun der Strukturwandel vollzogen. Statt der Produktion von Gütern prägen die Serviceindustrie sowie reproduktive Tätigkeiten das Areal. Konsum für alle?

Der Kulturpolitiker Hilmar Hoffmann - in der Nachkriegszeit Volkshochschulleiter und Kulturdezernent der Stadt Oberhausen, heute scheidender Präsident des Goethe-Instituts - wollte den Kumpels »Kultur für alle« bringen und begründete 1954 das Filmfestival in Oberhausen. Die 1958 als »Weg zum Nachbarn« bezeichnete Einladungspolitik, durch die Filme aus den realsozialistischen Ländern zu sehen waren, und das Oberhausener Manifest von 1962 gegen den nachfaschistisch geprägten Heimatfilm waren Ergebnisse der lokalen Kulturpolitik.

Oberhausens ehemaliger Bürgermeister Friedhelm van den Mond ist selbst noch als gelernter Bergarbeiter in die Kohlegruben des Ruhrpotts gestiegen; der als Verwaltungsfachmann ausgebildete Oberstadtdirektor Burkhard Drescher löste ihn im Zuge der Durchsetzung der »Neuen Mitte« (4) ab. »Die Metropole Ruhrgebiet hat im Konzert der europäischen Metropolen nur dann eine Stimme, wenn sie sich ein eigenes Profil schafft. Die wachsende Freizeitindustrie kann dieses Profil prägen«, formulierte Burkhard Drescher den Anspruch Oberhausens, die neue Mitte eines Verflechtungsraums zwischen Ruhr und Emscher zu bilden.

Stabsstelle Beteiligungen

Der zeitgenössische Marktplatz in Form überdachter Einkaufszonen und Arenen, von Erlebnisbahnhöfen, Multiplex-Kinos oder Urban Entertainment Centers zeigt sich als nach außen abgeschottete Kombination aus Gastronomie, Shopping- und Freizeitanlage. Die Privatisierung vormals als öffentlich empfundener Bereiche scheint eine privatwirtschaftliche Ausrichtung der öffentlichen Verwaltung geradewegs zu bedingen.

So war die »Neue Mitte Oberhausen« immer schon mehr als nur eine komplexe Bauaufgabe oder eine »Jobmaschine« in einer »strukturschwachen« Region. Ihre privat-öffentliche Planung und privatwirtschaftliche Realisierung ist eingebettet in eine tief greifende Reform der Kommune zu einer »unternehmerischen Stadt« mit ausgelagerten Subunternehmen und einer von der »Stabsstelle Beteiligungen« firmenähnlich geführten Verwaltung. Alle Leistungen der Stadt von der Müllent- bis zur Kulturversorgung werden in detaillierte Kostenrechnungen übersetzt. Meist nur mit anderem Namen versehen, können nun die als Betriebe outgesourceten Verwaltungseinheiten (5) steuerliche Abzugsfähigkeit reklamieren. Man entzieht also der Öffentlichkeit Geld, um den kommunalen Haushalt zu entlasten.

Im Zuge des Oberhausener Konzepts eines »Rathauses ohne Ämter«, verfasst vom jetzigen Oberbürgermeister, wurden selbst die Kurzfilmtage in eine gemeinnützige GmbH umgewandelt. (6) Die beiden einzigen noch im Besitz der Stadt befindlichen Eigenbetriebe sind das wenig profitable Stadttheater sowie die städtischen Alteneinrichtungen.

Nach dem CentrO

»Wir reden hier nicht über Architektur, wir reden hier über Politik«, äußerte sich der Architekturkritiker Gerd Kähler beim Hamburger Symposium über die »Privatisierung der Stadt« zur aktuellen Stadtentwicklung. Die fortschreitende »'Entöffentlichung' des Städtischen« umfasse nicht nur Grund und Boden, sondern auch Gesundheit, Sicherheit, Mobilität oder Kultur. Für Kähler ist Bigness eine Demontage städtischer Öffentlichkeit, und es führt zur Einschränkung kommunaler Gestaltungsspielräume, wenn Architektenbüros wie städtische Baubehörden nur mehr als Zulieferbetriebe für großformatige City-Developer dienen. Jetzt schon wende die Hamburger Bauverwaltung 20 Prozent ihrer Arbeitszeit für die Regulierung neuer Zentren auf. Dem Druck der Developer halten viele Kommunen kaum mehr Stand. Dies sei »eine unserer bittersten Auseinandersetzungen - häufig auch gegen die Politik« seiner Senatskollegen, ergänzte Hamburgs ehemaliger Oberbaudirektor Kossak.

»Bis Griffhöhe Originalmaterial, darüber schon mal Plastik.« Mit gesenkter Stimme beschrieb Ulrich Hatzfeld vom Düsseldorfer Landesministerium für Stadtentwicklung, Kultur und Sport beim Hamburger Symposium den Strukturwandel des Ruhrgebiets. Mit jeder routiniert aufgelegten Farbfolie drang er tiefer ein in die neuen Welten von Bigness, Illumination, Erwartungsgenuss, Kultur zur Verlängerung des Aufenthalts, Berechenbarkeit sowie Sicherheit, Kontrolle und Hausordnung. Seine unheimliche Faszination wollte er nicht ganz verbergen.

»Wie gehen wir damit um, ohne es nur zu beschreiben oder zu affirmieren?«, fragte sich der Referent und stellte sich auf die Zeit nach dem CentrO ein. Dann stehe der Umbau von Oberhausens »Neuer Mitte« an und böte die Chance, in diesem Prozess wieder Souveränität zu erlangen. Doch bis dahin seien solche Prozesse wohl nur in enger Verkopplung mit den Developern zu entwickeln. Auch seien neue Regeln und Umgangsformen mit den neuen Akteuren zu entwickeln, da diese sich einer demokratischen Kontrolle entzögen.

Doch die Politik steht nicht außen vor, sondern sie wandelt ihre Rolle innerhalb der sich abzeichnenden städtischen Veränderungen der Maßstäbe. Die Durchsetzung großer Stadtentwicklungsprojekte baut auf die Macht von Staats- und Landesregierungen. So eröffnete der damalige Ministerpräsident Johannes Rau die CentrO-Mall, schritt der damalige Kanzler Helmut Kohl als erster durch das ECE-Shoppingcenter »Promenade Hauptbahnhof Leipzig«, und auch Bundeskanzler Gerhard Schröder wollte gemeinsam mit Berlins Regierendem Bürgermeister die tausendste McDonald's-Filiale im Park-Center Berlin-Treptow eröffnen - wäre nicht der Kosovo-Krieg dazwischengekommen.

Marché International

Als Gradmesser der fortgeschrittenen Internationalisierung und Ökonomisierung der Immobilienwirtschaft kann die alljährlich in Cannes abgehaltene Messe Marché International des Professionells de l'Immobilier (Mipim) gelten. »Die Globalisierung der Wirtschaft spiegelt sich auch auf den Immobilienmärkten in grenzüberschreitenden Investitionen und im internationalen Beratungs- und Finanzbedarf wider«, berichtete Jens Friedemann im FAZ-Immobilienmarkt.

Zur ersten Mipim befanden sich unter den 500 Gästen nur fünf deutsche Teilnehmer. »Heute stellen die deutschen Teilnehmer in Cannes die größte Delegation dar, und zwar nicht nur Makler und Bauträger, sondern Vorstände großer Kreditinstitute, Vertreter öffentlicher Einrichtungen wie Landesentwicklungsgesellschaften, die Ministerpäsidenten einiger Bundesländer und eine Vielzahl von Bürgermeistern und Stadtverordneten.«

Nach nur neun Jahren ist die Mipim die bedeutendste Immobilienmesse der Welt und gilt bei korporativ ausgerichteten Stadtmanagern (8) als Pflichtveranstaltung. Caspar Freiherr von Weichs schrieb in der FAZ-Immobilienmarkt-Verlagsbeilage über die »Erfolgsstory einer Immobilienmesse«: »Der Markt wandelte sich sehr stark von einer Dealer-Wheeler-Mentalität hin zum Immobilien-Investmentbanking (...). Nachdem ursprünglich Makler und Bauträger sowie Architekturbüros die Szene beherrschten, sind es heute vor allen Dingen Regionen, Banken, Investmentbanken, internationale Beratungsgesellschaften, EDV-Firmen und nicht zuletzt auch die Politiker, die sich präsentieren.« Die Immobilienentwicklung der letzten Jahre ist zum Segment der Finanzindustrie geworden, die sich im Weltmaßstab kaum mehr um lokale Gegebenheiten kümmert.

Image / Politik

»Ohne Bilder kann man heute nichts mehr erklären«, erklärte Birgit Breuel bei der Eröffnung der Expo 2000. Auch das »starke Stück Deutschland«, wie es der Initiativkreis Ruhrgebiet jahrelang in doppelseitigen Anzeigenserien propagierte, wird mit immer neuen Imagekampagnen überzogen, auf dass kein white collar-Arbeiter mehr Ruß ansetze. (9) Die »Location NRW«-Initiative der Landesfilmstiftung verabreicht Kino- und FernsehproduzentInnen ein Kombipräparat aus Drehortevermittlung und Finanzierungsspritzen. In Bottrop-Kirchhellens Warner Bros. Movie World kann man nicht nur Batmans Spuren folgen, sondern aus Subventionsgründen stehen dort auch einige TV-Studios, während das hoch bezuschusste, jedoch nach Gesichtspunkten des Marktes überflüssige Computertrickstudio HDO Oberhausen die Landesregierung zu einem dramatischen Legitimationszwang trieb.

Politik in der Krise will permanent Zeichen setzen. Und so führte Ministerpräsident Wolfgang Clement vor laufenden Kameras seinen bayerischen Kollegen Edmund Stoiber durch den neuen Amtssitz im Glas-Tower »Düsseldorfer Stadttor«, das wie ein Firmensitz über das benachbarte Parlament ragt. Der Neubau liegt nahe der Medienmeile am ehemaligen Hafen, wo von Telefonfirmen über Werbeagenturen bis zum WDR kreative Wertschöpfung vorgeführt wird.

Die Imageberater in Nordrhein-Westfalen operieren mit einer symbolischen Politik, die von der Bildproduktion über die Wirtschaftsförderung bis zum Fun-Park vielfältig auf den Modernisierungskurs einstimmt. Die von Gerhard Schröder und Wolfgang Clement 1999 eröffnete Finale der Internationalen Bauausstellung IBA Emscher Park sollte ein Netzwerk des soziokulturellen Umbaus zwischen der Rekultivierung der Industriebrachen, dem Christo-Spektakel und der Musealisierung der Zeugnisse einer abgestorbenen Montanbranche vorstellen.

Schaustelle Politik

»Ein neuer Typus von Politik wird sichtbar: Die Politik der großen Ereignisse. Dabei werden kampagnenartig Gelder, Menschen und Medien auf ein möglichst klar umrissenes Ziel hin mobilisiert. Die Kampagne ist zeitlich befristet, das Ereignis räumlich begrenzt und inhaltlich auf ein massenwirksames Thema focussiert (...). Neu aber ist, dass solche Inszenierungen zum Kristallisationspunkt der Stadtentwicklung werden«, schrieben die beiden Stadtsoziologen Hartmut Häußermann und Walter Siebel schon 1993. Olympiaden, Expos oder Bundesgartenschauen gelten als die bevorzugten Instrumentarien für ein großmaßstäbliches, parallel zum Parlament und zur kommunalen Verwaltung angesiedeltes Stadtmanagement, das zu einer steten »Festivalisierung der Stadtpolitik« beiträgt.

Inzwischen werden auch auf Dauer geplante Projekte mit Computerhilfe vorab ins Bild gesetzt und durch eine Infobox, eine »Schaustelle Berlin« oder ein Kranballett inszeniert. Neben der Visualisierung als Imagepolitik bezeichnet die Politologin Karin Lenhardt die »Inszenierung von Stadt-Diskurs« als Berliner »Variante der neuen 'Herrschaftstechnik'«, die als Kulisse für Entscheidungen jenseits öffentlicher Einsichtnahme herzuhalten habe. Mit Ausstellungen, Freiluftveranstaltungen, Schautafeln, Bauschildern, Simulationsvideos oder Katalog- und Bücherbombardements wird das Stadtbild fixiert, während es in Wirklichkeit noch im Bau oder in der Planung ist, Genehmigungen ausstehen oder Firmen längst pleite sind. Proteste, Sabotageakte und eine alltägliche Praxis des Widerstreits finden dagegen selten Repräsentanz.

Straße I

»Weder zur Furcht noch zur Hoffnung besteht Grund, sondern nur dazu, neue Waffen zu suchen«, schrieb Deleuze über die Mutationen des unternehmerisch geprägten Kapitalismus. Kann man diese neuen Instrumentarien einer »Politik nach der Politik« (Franziska Roller) noch in Kategorien von Protest oder Widerstand beschreiben oder braucht es hierfür eine neue Vorstellung? Deleuze zweifelte im Mai 1990 an der Tauglichkeit der Gewerkschaften: »In ihrer ganzen Geschichte waren sie gebunden an den Kampf in den Einschließungsmilieus oder gegen die Disziplinierungen. Können sie sich der neuen Situation anpassen oder machen sie neuen Widerstandsformen gegen die Kontrollgesellschaften Platz?«

Wie sieht Widerstand und politische Praxis jedoch bei Personen aus, deren Alltagsbewältigung im ständigen Konflikt mit einer »normalen« Politik steht? Diese Frage stellte sich im vergangenen Jahr bei der »Kanak Attak-History Revue« in der Berliner Volksbühne, wo der Darsteller Naneci Yurdagül artifiziell von Antennenabknicken, Reifenstechen, Fenster zerkratzen sprach - vor lauter Bitterkeit über die Deutschen, die ihm das Herz durchbohrten.

Selbstverständlich widersprechen renitente Akte dem allgemeinen Verständnis von kollektiver und schriftsprachlich artikulierter Politik. Doch wurde hier deutlich, welche Praktiken das Leben der Straße bedingt, und woran linke Bündisse wie die innen!stadt!aktion oder Kanak Attak sich abarbeiten müssen, wenn sie Straße und Akademie, Bahnhofsvorplatz und Volksbühne, Fußgängerzone und Szene in Beziehung setzen wollen. Ein Leben auf Abruf kennt Politik häufig nur als Notwehr im Angesicht der Räumung, Vertreibung oder Abschiebung. (10)

Städtisches Handeln

Gegenüber der unternehmerisch orientierten Stadt und den häufiger werdenden innerstädtischen Kontrollen zur Festigung der inneren Sicherheit formierten sich in den letzten Jahren diverse Aktionsgruppen und Bündnisse, die zwischen Party-Demo (11) und Politik, Videoclip und Theorieproduktion neue Wege »städtischen Handelns« erproben. Stadtpolitik gilt hierbei als Schnittmenge gesellschaftlicher Konfliktlinien.

Interessanterweise begeben sich viele der Initiativen auch auf das Terrain der Imagepolitik, wobei sie so auch ein anderes Bild der Stadt entwickeln. Die Kritik eines städtischen Handelns ist immer zugleich Analyse und Praxis. Gruppen wie das aktivistische Videomagazin AK Kraak, die symbolischen Aktionen des freien fachs, die allmonatlichen Sendungen des Berliner steinschlag TV oder die in den Werbeblock der Mainstreamkinos hineingeschleusten »A-clip«-Kurzfilme begleiten, dokumentieren und kommentieren ein alternatives städtisches Handeln oder überzeichnen die realen Verhältnisse.

Zwischen Illegalisierung und Illegalität, vom Mall-Skaten bis zum Bummelstreik in der Coca-Cola-Oase entwickeln sich neue Formen einer Politik und ihrer Vermittlung »zwischen künstlerischer Behauptung, kollektiver Praxis, subjektiver Perspektive und politischer Redaktion« (»A-clip«). Im Unterschied zu den Nachbarschaftsvideos der siebziger oder den Bewegungsfilmen der achtziger Jahre sind nunmehr die Bildproduktion und der politische Aktivismus kaum voneinander zu trennen. Eine symbolische Politik neoliberaler Modernisierung wird mit Imagebeschmutzungskampagnen und Gegenbildproduktionen gekontert, verstreute Szenen werden durch herumreisende Videomagazine virtuell miteinander verknüpft, und eine alternative Geschichte der Städte wird festgehalten.

Genau hier setzte die von Mogniss Abdallah gegründete und in Paris ansässige Bild- und Filmagentur IM media schon in den frühen achtziger Jahren an: als Beitrag zum kollektiven Gedächtnis von MigrantInnen, »das ja die Voraussetzung ist für weiteres gemeinsames Handeln«. (Mogniss Abdallah).

Straße II

»Reclaim The Streets« nennt sich eine Mischung aus Party und Politik, die sich mit Soundsystemen und karnevalesken Aktionen den öffentlichen Raum zurückerobern möchte. Die neue antikorporative Haltung der United Colors of Resistance entwickelte sich zur globalen Bewegung, auch wenn sie noch in den Kinderschuhen steckt. Die Branded Youth kümmert sich um Menschenrechte, Arbeitskämpfe und die Macht der Global Players, indem sie auf Werbeplakaten Nike zu Riot umschreibt, Fensterscheiben von McDonalds eindrückt, Torten auf Bill Gates wirft oder im Londoner Börsenviertel tanzend die City herausfordert.

Aus der kulturellen Koalition zwischen der Ökobewegung, Ravern und Politaktivisten ist der Nukleus eines Anti-Globalisierungsprojekts erwachsen. Unter dem Motto »Der Widerstand wird so transnational sein wie das Kapital« entspann sich in über 30 Städten rund um den Globus ein »Karneval der Unterdrückten«, der mit parallelen Straßenaufzügen den Weltwirtschaftsgipfel zu kontern suchte. Doch wer könnte sich einer Welthandelsorganisation entgegenstellen?

Redaktionell gekürzter und leicht überarbeiteter Auszug aus: Jochen Becker (Hg.): »BIGNES? Size does matter | Image/Politik | Städtisches Handeln. Kritik der unternehmerischen Stadt« b_books Verlag, Berlin 2001, 280 S., 16 Euro

Anmerkungen:

(1) Im Allgemeinen scheine Bigness »dem Dinosaurier vergleichbar: zu massig, zu langsam, zu starr und zu anfällig. Doch in Wirklichkeit ist allein Bigness der Bahnbrecher für ein Regime der Komplexität, das die geballte Intelligenz der Architektur und der ihr verwandten Disziplinen zu mobilisieren vermag.«

(2) In der Top-Ten der transaktionshöchsten McDonald's-Standorte in der Bundesrepublik liegt Oberhausens Centro-Allee hinter München/Karlsplatz, Frankfurt/Hauptbahnhof und Berlin/Hardenbergplatz auf dem vierten Platz.

(3) Die autobahnähnliche Spur darf nur von Expressbussen und Niederflur-Straßenbahnen benutzt werden. Sie verläuft auf der Trasse der früheren Werksbahnlinie.

(4) Oberhausens »Neue Mitte« wurde noch vor dem gleich lautenden Wahlkampfslogan der SPD geprägt.

(5) Für Beispiele siehe: »Rat und Verwaltung stellen sich vor«, www.oberhausen.de

(6) »Die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen haben in ihrem ersten Jahr als gemeinnützige GmbH gezeigt, dass Kultur und Wirtschaft keine unversöhnlichen Gegensätze sind, sondern dass ein Kulturbetrieb erfolgreich als GmbH geführt werden kann.« Burkhard Drescher, Grußwort des Oberbürgermeisters der Stadt Oberhausen, im Festivalkatalog 2000.

(7) Stella-Musicals wurden nicht immer mit offenen Armen empfangen. So hatte 1988 der Protest gegen »Phantom der Oper« im Hamburger Flora-Theater Erfolg und brachte dem Schanzenviertel neben der an einer Schnellstraße gelegenen Neuen Flora der Stella AG vor allem das besetzte Kulturzentrum Rote Flora ein.

(8) »Jürgen Stinner, Vorsitzender der Westdeutschen Immobilien Bank (Projektentwickler für UFO Dortmund, Multi Casa Duisburg, etc.), ließ sogar Bürgermeister und Stadtverordnete einfliegen, um ihnen Gelegenheit zu bieten, über Perspektiven strategischer Stadtentwicklung durch Kooperation der öffentlichen Hand mit privaten Unternehmen zu sprechen.« FAZ-Immobilienmarkt, 19. März 1999.

(9) In der Fernsehreklamereihe »OMO-Reporter unterwegs« von 1960 sah man Frau Hensel aus Herne noch im Kampf gegen den Grauschleier: »Dadurch, dass ich im Ruhrgebiet wohne, ist meine Wäsche besonders schmutzig und auch fettig.« Im Hintergrund steht ein rauchender Schlot. Quelle: Ruhrland-Museum Essen.

(10) In den Hallen für die Bohrer des Eurotunnel in Sangatte bei Calais installierte das Rote Kreuz ein Center, welches mehreren tausend Transitflüchtlingen als Zwischenstation dient. Hierzu wurden in der kahlen, weiten Halle zahlreiche Zelte sowie Kabinen aufgestellt.

(11) Siehe hierzu mein Gespräch »Sonic Youth: Lärm 97« mit Beteiligten der Frankfurter Nachttanzdemonstration, die von Greiftrupps der Polizei angegriffen wurde. In: Stadtrat (Hg.): »Umkämpfte Räume«, Verlag Schwarze Risse, Berlin 1998.