Die Auswirkungen der Kirch-Pleite

Spielen auf Raten

Von der Kirch-Pleite ist nicht nur der Fußball betroffen. Eine Bestandsaufnahme

Als ausgewiesener Fußballexperte gilt der Kanzlerkandidat der CDU/CSU, Edmund Stoiber, eigentlich nicht - sieht man einmal davon ab, dass er Fan von Bayern München ist. Und somit in 95 Prozent aller Fälle richtig liegt, wann immer er auf einen Sieg seines Teams tippt. Warum Stoiber als Finanzexperte gelten sollte, ist seit der Pleite des Medienmoguls Leo Kirch auch unklar. Die Bayerische Landesbank hatte jahrelang »gutes Geld schlechtem hinterhergeworfen«, mussten Analysten nun zugeben.

Trotzdem reichte eine recht verschwommene Aussage des Kandidaten den Vertretern der Fußball-Bundesliga, um optimistisch in die Zukunft zu blicken. Er habe klare Hinweise erhalten, dass die am 1. Mai fällige Rate für die Rechte an der Saison 2001/2002 an die Clubs pünktlich und in voller Höhe gezahlt werde. So hatte es Stoiber während der öffentlichen Diskussion um eventuelle staatliche Beihilfen für die Profivereine gesagt.

Wie das gehen sollte, wenn wesentliche Unternehmensteile unter Zwangsverwaltung stehen und daher nur noch Ausgaben getätigt werden können, die für den Fortbestand wichtig sind, erklärte Stoiber nicht. Und auch die Liga-Verantwortlichen schauten nicht im Insolvenzgesetz nach, sondern verließen sich blind auf die Zusage aus Bayern.

Um in der letzten Woche doppelt heftig hereinzufallen: Am 30. April stellte sich heraus, dass die erwarteten 103 Millionen Euro definitiv nicht gezahlt werden. Gleichzeitig war klar, dass der Bund auf keinen Fall mit Ausfallbürgschaften einspringen würde, wie es zuvor der optimistische Stoiber gefordert hatte.

Der Ligaverband DFL, der Repräsentant der 36 Profivereine, erklärte umgehend, dass nun der Plan X in Kraft treten werde. Zuvor hatten die Verantwortlichen noch tapfer erklärt, auf das außerordentliche Kündigungsrecht verzichten zu wollen. Demnach werden 40 Millionen Euro aus dem »Notfalltopf« an bedürftige Clubs ausgezahlt. Es solle damit sichergestellt werden, dass »alle Vereine die Saison zu Ende bringen können«, erklärte DFL-Boss Werner Hackmann.

Für Insider klang das jedoch nicht unbedingt gut. Der Notfalltopf wird aus Rücklagen der Vereine während der Lizenzierungsverfahren gebildet. Partizipiert wird daraus anteilig, das heißt, jeder Verein erhält nur das Geld, das er zuvor auch eingezahlt hat. Die Clubs kalkulierten jedoch höchst unterschiedlich mit den TV-Prämien. Bayern Münchens Etat in Höhe von 173 Millionen Euro hängt nach einem Bericht des Kicker etwa zu 44 Prozent von den gezahlten Fernsehgeldern ab, bei Leverkusen sind es 31, bei Hertha 42 und bei Schalke 36 Prozent.

Besonders schwierig wird es am Ende der Tabelle, wo diejenigen rangieren, die nicht unbedingt am meisten in den Fonds eingezahlt haben. Zu 37 Prozent ist etwa St. Pauli von Premiere abhängig, bei Energie Cottbus sind es 48 Prozent. Teure Transfers sind angesichts solcher Abhängigkeiten nun auch für die Nochmal-knapp-Drinbleiber ausgeschlossen, kein vernünftig wirtschaftender Präsident kann derzeit den Einkaufswünschen des Trainers entsprechen. Schließlich ist nicht klar, wie viel Geld in der nächsten Saison zur Verfügung steht.

Die DFL verkündete jetzt, nicht nur mit Kirch, sondern auch mit anderen Anbietern in Verhandlungen treten zu wollen. Bei der Bundesliga handele es sich ja schließlich um ein begehrtes Gut, daher sei man verhalten optimistisch. »Ende nächster Woche wissen wir definitiv, ob wir den Vertrag mit KirchMedia erfüllen oder aber kündigen und in konkrete Verhandlungen mit einem neuen Partner gehen. Es gibt zwei Kündigungsgründe: Zahlungsverzug und Nichtzahlung trotz erbrachter Leistung«, sagte Hackmann, »unsere weitere Vorgehensweise hängt vom Verlauf der Gespräche ab.«

Am 17. und 18. Mai soll ein außerordentlicher DFB-Tag über weitere Schritte entscheiden, unter anderem ist ein eigener Bundesliga-Sender im Gespräch. Gerd Niebaum, der Präsident von Borussia Dortmund, hat bereits vorgerechnet, dass interessierte Fans insgesamt 250 Millionen Euro zahlen würden, um die Liga-Spiele live zu sehen. Warum es hier mehr Zuschauer geben soll als bisher bei Premiere, verriet er nicht. Immerhin, T-Online könnte als Partner für die UMTS-Rechte einspringen. Dem Konzern mangelt es für die flächendeckende Vermarktung der 3-G-Technologie an Content, die Bundesliga wäre da ein willkommener Partner.

Dabei betrifft die Kirch-Pleite nicht nur den Fußball. Die Deutsche Eishockey-Liga DEL erklärte jetzt, dass die ihr angeschlossenen Vereine in ihrer Etatplanung für die nächste Saison »nicht mit den Fernseh-Geldern rechnen sollten«. Die letzte Rate sei im März bezahlt worden, erst im September sei die nächste fällig. Ein Viertel davon gehe satzungsgemäß an die Nachwuchsförderung der Liga, wie DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke sagte: »Wenn kein Fernsehgeld mehr kommt, weiß ich nicht, wie die Clubs das bezahlen sollen.«

Der Ligabetrieb sei jedoch aktuell nicht gefährdet, denn lediglich zehn bis 15 Prozent der Jahresetats aller Vereine gründeten sich auf Geld der Kirch-Gruppe. Trotzdem sagte Tripcke, »es müsse nun vorsichtig kalkuliert werden. Nach dem derzeitigen Stand der Dinge sollten die Klubs bei ihrer Etatplanung für die kommende Saison nicht mit den TV-Geldern rechnen.«

Bei der deutschen Basketball-Liga BBL ist dagegen noch lange nicht klar, welche Auswirkungen die Insolvenz des Medienmoguls haben wird. Das Topspiel der Woche wurde bisher auf DSF live übertragen, Sat.1 präsentierte ein wöchentliches BBL-Magazin. »Ein siebenstelliger Betrag« sprang dabei bisher für die Liga heraus, aber damit könte nun bald Schluss sein. Denn die Taurus GmbH, eine Tochter der Kirch-Gruppe, hatte einen Vertrag mit der Basketball-Liga bis zum Jahr 2005 abgeschlossen.

Nun steht auch die Taurus vor dem Aus. »Wir müssen sehen, wie wir welche Lösungen finden werden, um in allen Bereichen zu sparen. Denn wir können nicht sofort verändern, was wir heute noch nicht wissen«, erklärte der NNL-Geschäftsführer Otto Reintjes. Zu zehn bis 15 Prozent hänge die Liga vom Fernseh-Multi ab, sagte Reintjes, nun müsse halt überprüft werden, inwiefern Kosten eingespart werden könnten.

Beim Boxen ist man schon ein bisschen weiter. Nach Angaben des Promoters Klaus-Peter Kohl könnten in Deutschland in nächster Zeit einige aktuelle Kämpfe nicht stattfinden. Der Kampf von Dariusz Michalczewski gegen den US-Amerikaner Joey de Grandis, der Europameisterschaftsfight von Michel Trabant gegen den Dänen Christian Bladt sowie der WM-Kampf von Regina Halmich gegen die Rumänin Anca Moise am 20. April in Danzig sind genauso gefährdet wie die Europameisterschaft im Schwergewicht, bei der Luan Krasniqi gegen den Polen Przemyslaw Saleta antritt, und die Kämpfe von Artur Grigorjan und Daisy Lang.

»Jetzt werden die Drähte glühen. Eventuell müssen Kampftage abgesagt werden. Aber ich will nicht wie andere auf Kirch herumtrampeln. Ich vergesse die guten Zeiten nicht. Die Zusammenarbeit mit ihm hat uns nach vorn gebracht«, so Kohl. Dabei sind die Boxer fein raus: Ab dem 1. August 2002 werden die so genannten Universumskämpfe vom ZDF übertragen. Für sie hatte Stoiber ja auch schließlich keine Bestandsgarantie gegeben.