Hartmut Bitomskys »B-52«

Der Problemlöser

Hartmut Bitomsky porträtiert in der Dokumentation »B-52« einen Dauerbrenner der Militärgeschichte. von

Die Maschinen, das Kino, der Tod und die Arbeit, so könnte man die Themen von Hartmut Bitomsky etwas pathetisch umreißen. Bitomsky, der wie Harun Farocki zu den Studenten gehörte, die 1968 wegen politischer Aktivitäten von der Berliner Filmakademie relegiert wurden, arbeitete als Autor und Mitherausgeber für die legendäre Zeitschrift Filmkritik und dreht seit den sechziger Jahren Filme, die Gegenstrategien zur Vernutzung filmischen Materials entwickeln. Die zusammen mit Heiner Mühlenbrock gefertigte Arbeit »Deutschlandbilder« (1983) ist eine kundige Montage aus Nazikulturfilmen. »Reichsautobahn« (1986) räumt mit vielen Legenden über »unsere Autobahn« auf, indem er das Propagandamaterial seziert. Im »VW-Komplex« (1989) ist das Ende des Industriezeitalters als verstörende Elegie zu betrachten, und in »Die Ufa« (1992) untersucht Bitomsky die Verbindung von Kino, Wirtschaft und Politik anhand einer Installation mit gestaffelten Monitoren, die den schweifenden und vergleichenden Blick auf das Archivmaterial erlaubt.

Der neue Dokumentarfilm von Hartmut Bitomsky geht vom Bomber B-52 aus, diesem technisch perfekten Ding, und untersucht dessen Geschichte konsequent bis zu seiner Verschrottung.

Längst vor dem Feldzug in Afghanistan wurde der Film fertig gestellt. Die Waffe, die für den Kampf um globale Hegemonie und nukleare Überlegenheit im Jahr 1947 entwickelt wurde, befindet sich aber weiterhin im Dienst. Die B-52 flogen nach ihrem 50jährigen »goldenen Geburtstag« vom amerikanischen Stützpunkt auf dem Korallenatoll Diego Garcia im indischen Ozean nach Afghanistan und warfen dort Bomben und Flugblätter ab, darunter das Flugblatt, das die afghanische Bevölkerung davon abhalten sollte, die gelben Hilfspakete mit den gleichfarbigen Sprengkörpern zu verwechseln.

Die B-52-Bomber wurden für den Kalten Krieg als Träger von Kernwaffen mit großer Reichweite entwickelt und waren Nachfolger so berühmter Flugzeugtypen wie der Memphis Belle (B-17), der William Wyler einen ganzen Film im Auftrag des Office of War Information widmete, oder auch der Enola Gay (B-29), von der aus die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden. Die Technik wurde den amerikanischen Hegemonieanstrengungen immer wieder angepasst, so wurden die Flugzeuge für den Vietnamkrieg zu Tieffliegern umgerüstet, nachdem man sie in den fünfziger Jahren für die nuklearen Tests in der Atmosphäre gebraucht hatte.

Bitomsky beginnt seinen Film mit einer mitreißenden Sequenz von stillen, in schneller Abfolge geschnittenen Bildern der Bomber, Details und Totalen, im strahlenden Wüstenlicht. Ein Vergnügen am Gegenstand der Untersuchung und an den Bildern des Kameramanns Volker Langhoff, eines Absolventen der Filmhochschule Konrad Wolff, stellt sich ein. Die 35-mm-Bilder verlangen das große Format der Kinoleinwand.

Als nächstes sehen wir Handgriffe und Tätigkeiten, die der Vorbereitung auf einen Flug dienen, eine spannungsvolle Routine entsteht, ab und an fällt ein Wort. Die hoch spezialisierte Arbeit des Bomberpiloten spiegelt sich in Bildern des Ankleidens, des Verschnürens der Westen, des Testens der Geräte, Verkabelns von Instrumenten und des Ausfüllens der Listen. Eine Pilotin ist auch dabei. Männer, die an Fluggeräten schrauben, tragen schwarze T-Shirts und Stiefel, Militärhaarschnitte und Tarnhosen, es sind Techniker in Uniform. Die Flugzeuge stehen da, völlig ruhig, in einem matten, eher dunklen, pelzigen Grau.

Das Hinterteil eines Bombers guckt keck aus einem Hangar hervor. Er ist 49 Meter lang, das Heck ist 12 Meter hoch, die Spannweite der Tragflächen beträgt 56 Meter. Dazu schneidet Bitomsky kurz ein Himmelsbild mit freundlichen Wölkchen. Das Flugzeug wird erklärt. Am Bauch befindet sich die Elektronik, die zur Abwehr dient. Der Gegner wird mit einer Fülle von Radarmeldungen, von Informationen überschüttet, damit dieses Flugzeug, das sich nicht verstecken lässt, im dicken Brei des Radarbildes nicht mehr zu lokalisieren ist.

»Manche Probleme können nur mit einem gewaltigen Knall gelöst werden, wird gesagt. Die B-52 ist mit der Lösung solcher Probleme beauftragt. Sie ist eine Aggregat von extremen Kräften und technischer Intelligenz und einem weit reichenden Vernichtungspotenzial.« Hartmut Bitomskys sonore Stimme stellt die Gegenwart der Technik in einen übergeordneten Zusammenhang. Das ist nicht die Voice of God, die auf Bilder eintextet. Das ist eine eigene literarische Kategorie, die zwischen Ironie und unerbittlicher Kristallisation von Gedanken schillert und manchmal einfach direkt am Bild sitzt und zusammen mit diesem umso mehr zur erkenntnisreichen Kostbarkeit wird.

Bitomsky verwendete Archivmaterial aus dem Armeepropagandafilm »The B52-Story« (1955) und konnte dabei auch auf herausgeschnittenes Material zurückgreifen. Ein Colonel Smith, der die neue Ausbildungsstaffel befehligt, wird befragt. Jedes Flugzeug koste zwölf Millionen Dollar, wird das Flugzeug jetzt gebaut? Ein schmaler, hellgekleideter Mann schießt plötzlich ins Bild und bedeutet dem Interviewer, dass diese Frage nicht erwünscht ist, unterwürfig und beschwichtigend hebt er neu an. Auch die Propaganda befindet sich in Ausbildung. Und dann wendet sich der Militärsprecher an sein Publikum: »Sie da draußen - wenn Sie sich 6 000 Chevrolets kaufen können, dann reicht das für eine B-52!«

»Die B-52-Bomber repräsentieren die Stärke und den Schutz unseres Landes«, sagt der Flugzeugmaler über sein Stillleben der militärischen Flieger. Der Künstler verheddert sich ganz selbstbewusst in einem Konglomerat von Faszination, Rechtfertigungen und Hegemoniebekundungen. Er wiederholt das obsolet gewordene Mantra des Kalten Krieges von Frieden und Abschreckung. »Die Atombomben haben wir im Zorn abgeworfen.« - »Eine lückenlose Kette der Abschreckungsstrategie, immer nah an der Katastrophe«, sagt Bitomsky.

Landschaftsaufnahmen: Die Bombenkrater, gefüllt mit brackigem, ockerfarbenen Wasser, sind in der schütter bewachsenen vietnamesischen Landschaft am Anfang des Ho-Chi-Minh-Pfades noch immer ohne Anstrengung auszumachen; die Krater sind vor 30 Jahren entstanden. Zwei alt gewordene Bomberpiloten, der eine mit Stoiberfrisur, der andere mit stumpfschwarz gefärbtem Schopf, beschreiben ihre Einsätze über Nordvietnam. Die vietnamesische Perspektive erläutern ein Mann, der seine ganze Familie verloren hat, ein Mig-Pilot, der eine B-52 abgeschossen hat, und ein General und damaliger Verteidigungsminister. Die Trümmerteile der Bombenmaschinen sind im Stadtbild von Hanoi präsent. In Amerika sagt man »der Vietnamkrieg«, in Vietnam sagt man »der Amerikakrieg«.

Nach der Pressevorführung forderte ein Journalist, man müsse doch mehr von den Opfern zeigen. Vehement entgegnete Bitomsky, dass es eher obszön sei, Opfer und Schreckensbilder vorzuführen. Und noch dazu eine voreilige Versöhnung.

»B-52«. Dokumentation von Hartmut Bitomsky, USA 2001