Nicht Wurst, nicht Fleisch

Grüne Friedenspolitik von regina stötzel

Die Behauptung des grünen Parteivorsitzenden Reinhard Bütikofer, seine Partei sei »die Speerspitze der Friedensbewegung«, ist eine grobe Beleidigung für alle KriegsgegnerInnen. Denn wenn sich die Grünen im Jahr 2003 zur Friedenspartei erklären, dann ist das so, als würde sich jemand als Vegetarier bezeichnen, der zwar keine Würstchen, aber doch gern mal ein saftiges Steak isst.

Mit den Grünen an der Regierung sind deutsche Kriegseinsätze zur Normalität geworden. In der Geschichte der Bundesrepublik kamen noch nie so viele Bundeswehrsoldaten im Ausland zum Einsatz. Etwa 10 000 Soldaten sind kontinuierlich im Kosovo, in Bosnien, Mazedonien, Afghanistan, in Kuwait und am Horn von Afrika im Dienst, weitere 40 000 beschäftigen sich mit der Vor- oder Nachbereitung ihrer Missionen (Jungle World, 47/02). Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) konnte Anfang November bei einem Besuch in den USA stolz auf das zweitgrößte Auslandskontingent aller Nato-Länder verweisen.

Auch ist es kein Geheimnis, dass die Bundeswehr mit ihrem verstärkten Engagement in Afghanistan, etwa mit der bevorstehenden Übernahme der Führung der Afghanistan-Schutztruppe (Isaf) zusammen mit den Niederlanden, den USA den Rücken frei hält für andere Aktionen im »Kampf gegen den Terror« oder die konstruierte »Achse des Bösen«.

Das deutsch-amerikanische Verhältnis ist nicht deswegen getrübt, weil Deutschland jegliche Zusammenarbeit mit den Truppen George W. Bushs abgelehnt hätte, sondern weil die Bundesregierung ihre Arbeitsteilung mit den USA wahlkampftaktisch geschickt verpackte und die Friedenstäubchen flattern ließ. Was darüber hinaus an Unstimmigkeiten vorhanden ist, ist vor allem der Konkurrenz kapitalistischer Staaten geschuldet.

Ein deutscher Einsatz im Irak ist deshalb gar nicht nötig, um zu beweisen, dass die Regierungsparteien keineswegs auf Friedenskurs sind. Zwar mehren sich die Stimmen in der Koalition, dass Deutschland im UN-Sicherheitsrat einen Irakkrieg tatsächlich ablehnen sollte. Aber schon die Diskussion darüber und das Bemühen der Parteiführungen, sich alle Hintertürchen offen zu halten, sind bezeichnend.

Am vergangenen Donnerstag erklärte Bütikofer am Rande einer Klausurtagung seiner Partei in Potsdam: »Unter den derzeit absehbaren und vorstellbaren Bedingungen kann niemand von einem deutschen Ja zum Krieg im UN-Sicherheitsrat ausgehen.« Wie auch seine Äußerung, Krieg sei kein Automatismus, bedeutet das nur, dass eine Entscheidung für den Krieg nicht sicher ist.

Worauf es hinauslaufen wird, lässt die Antwort seiner Amtskollegin Angelika Beer auf die Frage erahnen, ob bei einem Irakeinsatz deutsche Soldaten in Awacs-Aufklärungsflugzeugen mitfliegen könnten: »Über unsere Nato-Verpflichtungen hinaus wird es keine deutsche Beteiligung an einem Irakkrieg geben.« Die »Verpflichtungen« könnten sich als dehnbarer Begriff erweisen.

Angelika Beer hat schon damit gedroht, dass die Landesverbände der Grünen an den geplanten Demonstrationen gegen den Krieg am 15. Februar teilnehmen werden. Dort haben KriegsgegnerInnen also die Gelegenheit, Basisgrüne, die die Politik ihrer Partei für Friedenspolitik halten, auszulachen. Denn genau wie diejenigen, die Bundeskanzler Gerhard Schröder auffordern, sein Wort zu halten, sind sie nicht ernster zu nehmen, als Fleisch essende Vegetarier.