Unser English Teacher …

… heißt Stella und spricht Anti-Deutsch. von sami khatib

Politics. That old rotten hat.« Über Politik, den ollen Hut, singt Elena Lange auf dem neuen Stella-Album »Better Days Sounds Great« immer noch am liebsten auf Englisch. Entgegen allen Schrulligkeiten des Politpops pflegt das Hamburger Quartett Stella, dem neben Frontfrau Elena Lange auch die viel beschäftigten Mense Reents (Egoexpress, Die Goldenen Zitronen), Thies Mynther (Superpunk, Phantom/Ghost)) und Hendrik Weber (Pantha Du Prince) angehören, die unaufgeregte Opulenz vergangener Rockschlachtschiffe. »I Could Be Your English Teacher«, doziert Elena.

Nein, hier spricht nicht Pop-Deutschland, sondern die linkshanseatische Version eines alten Versprechens in neuem Glanz: Pop, Liebe und die Sehnsucht nach dem besseren Leben. Jenseits aller deutschtümelnden Rebellionssimulationen aus Berlin, der »Hauptstadt der Wurschtigkeit«, gibt es sie noch, die sympathisch unzeitgemäße Mischung aus Eleganz, Qualität und Politik. Wer mit Bands wie Mia bereits das Endstadium des subkulturellen Restverstands erblickte, darf das schwarz-rot-goldene Achtziger-Revival getrost wieder den spitz gestiefelten Parteigängern von Vokuhila und Fransenkleidchen überlassen.

In Fleetwood Mac’scher Manier verzichten Stella auf den Charme einer dilettantisch schlampigen Hinterhofkapelle. Diesmal heißt es: Business Class nach Tokio. Im Gepäck: Songwriting zwischen R’n’B, Rock, New Wave und Beatbox-House.

»Take Me Back to Tokyo« statt back to Hamburg School? »Der Song ist erst mal ein antieuropäisches Statement«, klärt Elena Lange auf. Hier geht es, so Thies Mynther, »gegen Isolationismus auf allen Ebenen«. Das fängt bei Lokalpatriotismus an, geht über Nationalismus bis hin zu Europa. Gegen die selbstgenügsamen Kleinkunst-Basteleien aus dem Kiezschrebergarten setzen Stella lieber auf die höfliche Aufgeräumtheit der Fernost-Metropole Tokio. »Wir machen halt keine Liebeslieder über die Elbbrücken, sondern lieber über den Fluss, der durch Tokio fließt.«

Ging es früher bei Interviewterminen mit den Bandmitgliedern von Stella gerne hoch her, wurden interne Meinungsdifferenzen musikalischer und politischer Art genüsslich vor versammelter Musikpresse zur Schau gestellt, sitzen die Bandmitglieder Elena Lange und Thies Mynther heute in trauter Eintracht beieinander. Thies: »Wir sind durchaus altersmilde geworden. Wir kennen uns ja mittlerweile ganz gut.«

Altersmilde? Wohl kaum, mit dem Song »Capital Letter« verbitten sich Stella jegliche Fraternisierungstendenzen mit der Hauptstadt. »Der Text richtet sich gegen Berlin als die Hauptstadt eines Landes, das einen besonders widerlichen Nationalismus in den letzten paar Jahren entwickelt hat. Als ich den Text von ›Capital Letter‹ vor knapp zwei Jahren schrieb, war es extrem unhip, etwas gegen Berlin zu sagen. Inzwischen gehört es ja zum guten Ton, etwas gegen Berlin zu haben. Dieses hate everything about Berlin ist natürlich ein wenig aus meiner kleinen Welt betrachtet. Wenn wir mit der Band hier aufgetreten sind, hatten wir nicht so viel Spaß, was sich inzwischen geändert hat.«

Während das Vorgängeralbum »Finger in the Trigger for the Years to Come« von 2000 noch ganz im Schatten des Kosovo-Krieges und der deutschen Beteiligung stand, fehlt auf »Better Days Sounds Great« das große überpräsente Politthema. Galten Stella tatsächlich einmal als ein musikalisches Aushängeschild der so genannten Poplinken«, klingt es heute in »Goodbye Popkids« nach einem ernüchternden Abgesang auf die Versprechungen von Pop und dessen utopische Gehalte.

Elena: »Ursprünglich hieß das Stück tatsächlich ›Goodbye Pop-Leftists‹. Es richtet sich gegen eine bestimmte Poplinke, die jedes Mal, wenn sie sich mit einem politischen Thema auseinandergesetzt hat, gescheitert ist. Ich sage nicht, dass Pop gewisse Hoffnungen nicht erfüllt hat, sondern andersherum: dass die Politik, die in Pop stattfindet, keine ist, bzw. dass sie die in sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt hat. Als konkretes Beispiel fällt mir da immer das Verhalten der Poplinken während des Kosovo-Kriegs ein.« Politische Aussagen in Pop standen ja schon immer unter Verdacht, in der schwelgerischen Unverbindlichkeit zu versinken. Kann Politik in Pop überhaupt mehr sein als bloße Andeutung, ist Unverbindlichkeit nicht vielmehr ein Qualitätssignum von Pop? »Ich denke, da haben sich die Positionen in den letzten zehn Jahren verschoben. Vor allem Anfang der Neunziger fand ich das ganz interessant, mit Rückkopplungen von Musik und Politik zu arbeiten«, meint Thies. »Die entstandene Diskursivität von Musik hat ja gerade in Deutschland eine Eigendynamik gewonnen. Mittlerweile gibt es Podiumsdiskussionen an Universitäten zu Pop, Musik und Politik. Auch wenn ich selbst schon auf solchen Podien saß, kam mir das in vielen Fällen wie eine politische Pseudo-Beschäftigung vor.«

Pop als politische Ausrede? Thies: »Wenn man hier lebt, ist man nun mal damit konfrontiert, mit unauflöslichen Widersprüchen tagein, tagaus zu leben. Da gibt es keinen Pop-Ausgang.« Für Stella scheint die ohnehin problematische Vorstellung, Pop als »U-Boot« für politische Themen, als Interventionsspielraum zu nutzen, ausgedient zu haben. »Als Stella waren wir uns in dieser ›U-Boot-Vorstellung‹ nie ganz einig. Aber wenn man schon politisch sein will, muss man halt politisch arbeiten; wenn man musikalisch arbeiten will, macht man eben Popmusik. Natürlich kann man auch beides machen, es sind aber erst mal zwei Arbeitsfelder, die nur begrenzt miteinander zu tun haben. Diese ›U-Boot-Politik‹ ist sicher etwas, dem ich auch lange angehangen habe. Wenn du dich aber umschaust, kannst du nicht umhin zu sagen, dass sich diese Vorstellung selbst widerlegt hat«, sagt Thies.

Ganz so düster will Elena diesen Desillusionismus nicht stehen lassen, denn »die Position, wir können in Pop nicht mehr subversiv intervenieren, weil es alles nichts gebracht hat«, findet sie auch nicht hilfreich.

Die poplinke Diskursmaschine darf also bis zur Revolution weiter Lieder schreiben. Vor allem über die Liebe, auch wenn Elena auf »Work for Love« nicht ganz unironisch singt: »However many songs I’ve tried to write about love before / All they seem to get down to are songs about war.« »Ich spiele mit der Idee, dass ich als Singer / Singerwriterin nur Lieder über den Krieg schreiben kann, was natürlich nicht wirklich stimmt.« Aber natürlich nicht auf Deutsch, denn, wie heißt es noch bei Tocotronic: »Über Sex kann man nur auf Englisch singen.«

Stella: Better Days Sounds Great (L’age d’or)