Mein erster Staatsbesuch

raucherecke

Tag der offenen Tür in allen Bundesministerien. Der rasende Reporter soll für die Jungle World im Bundeskanzleramt nachsehen, ob Vatis Foto noch auf Gerhard Schröders Schreibtisch steht. Richtig, dieses kernige Lächeln in Wehrmachtsuniform.

Doch Bratengeruch hält ihn schon an der Dorotheenstraße auf. Hungrig wie immer, dringt er verstohlen durch den Hintereingang in den Innenhof des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung vor. Nackensteak im Brötchen für zwei Euro? Na gut, das kann das Spesenkonto heute mal verkraften! Subventioniertes Pils schon für 1,50! Nein, erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Auch am Samstag will schließlich der tägliche Beitrag gegen den Standort Deutschland gewissenhaft geleistet sein!

Auf dem Weg zum Reichstag scheinen die Touris nach allem Möglichen zu suchen, nur nicht nach dem Arbeitszimmer des Kanzlers. »Do you know where we can find the KaDeWe?« fragt ein italienisches Pärchen schüchtern. »Excuse me, Galeries Lafayette?« wollen einige resolute französische Rentner wissen.

Weiß erhebt sich schließlich eine futuristische Waschmaschine in den blauen Himmel: das Bundeskanzleramt. Doch es drohen zwei lange Warteschlangen. Erstens die Taschenabgabe, damit der Terror keine Chance hat. Und dann ein Menschenwurm, der sich, als stünden wir vor dem MoMA, im Stundenrhythmus am Südeingang hin und her windet und sich drinnen als Lindwurm aus Dumpfbacken über den Vorhof bis ins Gebäude fortsetzt.

All dies, um im Kanzlerpark am anderen Spreeufer mit den quengeligen Kindern refierungstreuer Eltern »einer Sonnenblume zu Wachstum« zu verhelfen oder gar in »Emils Müll-Bar« beim »Mülltrennspiel« seine Geschicklichkeit unter Beweis zu stellen, wie das Programmheft verspricht? Wir haben es geahnt: Der »Ideen-Park« zum Thema »Innovationen in Deutschland« gipfelt in einem »Höhepunkt nicht nur für Technikbegeisterte«. Nicht nur? Ach so: Es sind »die Helikopter vom Bundesgrenzschutz und von der Flugbereitschaft der Luftwaffe der Bundeswehr«, die im Kanzlerpark zur Ergötzung von Provinzheimwerkern und Wehrmachtfans landen sollen!

Nein, danke. Interessanter ist da schon der Spaßvogel, der sich vor den Wartenden lächelnd als »Ich-AG« ausschildert. Auf dem Kopf zwei WC-Wegweiser: Gentlemen neun Kilometer, Ladies acht. Und vor dem Bauch ein aus Gips geformtes Pissoir. Die Botschaft wird verstanden.

jan süselbeck