Tag der Zeichen und der Hoffnung

raucherecke

Lale Akgün blickt auf ein Meer türkischer Fahnen. »Heute ist der Tag, an dem wir, die Muslime der Freiheit, zum ersten Mal unsere Stimme erheben«, ruft die Islambeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion euphorisch den überwiegend türkischstämmigen Demonstranten zu. »Das war höchste Zeit!« Hinter ihr auf der Bühne prangt das Motto der Demonstration: »Gemeinsam für den Frieden und gegen Terror!«

Tausende Menschen sind an diesem Sonntag dem Aufruf der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) gefolgt, ein Zeichen gegen islamistischen Extremismus zu setzen. Mehr als 25 000 Menschen sollen sich auf dem Hohenzollernring versammelt haben, sagen die Veranstalter. Und das sagt auch die Polizei. Bei einem anderen Anlass hätte sie die Teilnehmerzahl wohl auf die Hälfte geschätzt. Aber der gute Zweck heiligt die Zahlen. Der Kölner Polizeipräsident tummelt sich ja schließlich auch unter den Demonstranten.

Ebenso wie etliche Prominente. Die Vorsitzende der Grünen, Claudia Roth, und ihre Parteifreundin Marieluise Beck, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, haken sich auf ihrem Marsch von der Zentrale der Ditib in Köln-Ehrenfeld in die Innenstadt bei Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) ein. Dahinter läuft Alice Schwarzer mit zwei kleinen muslimischen Mädchen an der Hand. »Das ist ein Tag der Hoffnung!« sagt die Herausgeberin der Emma. Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle fehlt ebenso wenig wie der nordrhein-westfälische Innenminister Fritz Behrens (SPD). »Viele Menschen haben auf dieses Zeichen gewartet«, sagt dieser.

Auch sein bayerischer Amtskollege Günther Beckstein (CSU) ist bester Stimmung: »Diese Demonstration ist eine großartige Idee von Ditib.« Die gute Laune lässt er sich auch nicht durch das Pfeifkonzert am Anfang seiner Rede vermiesen. Ansonsten ist alles in bester Ordnung. Denn die »Muslime der Freiheit« überlassen nichts dem Zufall. Die eng mit dem türkischen Staat verbundene Ditib achtet streng auf den perfekten Ablauf. Nur die vorbereiteten Plakate und Spruchbänder und die von Ditib verteilten deutschen, europäischen und vor allem türkischen Winkelemente sind zugelassen. Wer sich nicht daran hält, bekommt Ärger mit den Ordnern. »Keine Transparente zeigen, die nicht von uns genehmigt sind«, mahnt ein Sprecher von der Bühne. »Das erinnert mich irgendwie an die 1. Mai-Demos in der DDR«, bemerkt eine Journalistin irritiert. Schreiben wird sie’s nicht.

pascal beucker