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Stuckrad bei den Schweizern

Fernsehen. Benjamin von Stuckrad-Barre soll eine neue Chance bekommen. Nachdem er zuletzt hauptsächlich damit beschäftigt gewesen ist, öffentlich seine Drogenabstürze und Suchtprobleme zu beichten und sich als ganz tief Gefallener auch in Talkshows zu inszenieren, will er nun mit aller Macht zurück ins Fernsehen. »Stuckrad bei den Schweizern« wird eine neue Doku-Soap heißen, die Mitte Februar bei SF2 anlaufen soll.

Stuckrad-Barre hatte in Zürich eine Art Exil während seiner Drogenphase gefunden, in dieser Zeit muss er wohl die Schweiz so lieben gelernt haben, dass er nun gemeinsam mit den Schweizern Fragen beantworten möchte wie: »Warum begehen die Vögel in Appenzell Selbstmord?« Eine eigene Show hatte der deutsche »Popliterat« bereits bei MTV, eine Literatursendung, die jedoch kaum jemand sehen mochte. Dass SF2 nun noch einmal auf Stuckrad-Barre setzt, kann man auch deswegen mutig nennen, weil dessen Auftritte im Fernsehen fast immer peinlich waren. (aha)

Zeit für einen Neustart

Kursbuch. Eine Zeit lang hieß es, das altehrwürdige Kursbuch, das zuletzt von Rowohlt herausgegeben, dann aber vom Verlag gekippt wurde, sei nun endgültig am Ende. Lesen wollte es ja schon länger kaum noch jemand. Doch nun hat sich die Zeit als Retter in der Not eingeschaltet. Michael Naumann, Herausgeber der Zeit, hat bestätigt, dass sein Blatt das Kursbuch übernehmen wolle, es gälte nur noch, eine Reihe technischer Fragen zu klären.

Geplant ist, das Kursbuch auch weiterhin als eigenständiges Produkt herauszubringen, doch soll es in Zukunft nicht nur im Buchhandel, sondern wie die Zeit auch am Kiosk erhältlich sein.

Man verspricht sich so, die zuletzt arg vor sich hin dümpelnde Auflage des Kursbuch wieder zu steigern, von einer Auflage von 8 000 bis 12 000 Stück ist die Rede. Neu wird auch sein, dass Michael Naumann in Zukunft neben Tilman Spengler als Mitherausgeber fungieren wird. Für Ina Hartwig, die bislang eine der HerausgeberInnen des Kursbuch war, scheint da kein Platz mehr zu sein. (aha)

Voll abgespaced

Charles Wilp. Vor ein paar Jahren wurde Charles Wilp wiederentdeckt. Auf Ata Tak erschien eine Wilp-Huldigungs-Platte, auf der Elektronik-Produzenten dem Meister ihre Reverenz erwiesen, und auch die Oberhausener Kurzfilmtage ehrten Wilp vor vier Jahren mit einer kleinen Retrospektive.

Wilp war der deutsche Andy Warhol. Kunst und Werbung waren für ihn stets eins, Arto nannte er das. Berühmt wurde er 1968 mit seinem Spot für Afri Cola, in dem Nonnen (laut Wilp: echte Nonnen) sich dem Afri Cola-Rausch hingaben. Der Spot sorgte für einen handfesten Skandal, die Kirche legte Beschwerde ein. Wilp sagte: »Die Kinder mussten abends ins Bett, wenn die Spots erschienen.« Die Spots wurden jedoch nur spät abends kurz vor Sendeschluss gezeigt, weil angeblich von anderen Werbekunden befürchtet wurde, dass der Afri Cola-Spot die Zuschauer so sehr benebeln würde, dass sie danach für andere Informationen nicht mehr aufnahmebereit seien.

»Damals Sexy, Mini, Super, Flower, Pop up, heute Nasa, Esa, Dasa, Nasda«, sagte Wilp 2001 in einem Interview über seine großen Schaffensperioden. Gemeint ist, dass seine Arbeiten in den Sechzigern stark von dem üblichen 68er-Programm, von Wirkungspsychologie, Sexualwissenschaft und Biofeedback bestimmt waren, während er sich später voll und ganz dem Weltraum widmete. »Die Triebkraft allen kreativen Schaffens ist die Schwerelosigkeit«, sagte er. Seit Mitte der Achtziger begann er dann auch damit, Kunst in Satelliten zu installieren, und selbst in der Weltraumstation MIR landete eine Arbeit von ihm als »permanente Documenta«.

Charles Wilp zeichnete sich dadurch aus, dass er nicht vorhersehbar war. So wirr, wie sich sein künstlerischer Werdegang vom Afri Cola-Werber zum Beuys-Kumpel und Documenta 5-Aussteller und zum Weltraumkünstler liest, so undurchsichtig blieben auch seine politischen Überzeugungen. Er war zeitweise Image-Berater von Willy Brandt, aber Franz Josef Strauß hatte trotz der Geschichte mit den Nonnen nichts gegen ihn einzuwenden, er hing mit Freaks ab, grenzte sich aber immer wieder von den politischen Ideen der 68er ab. »Politisch stand ich hinter dem Konsumrausch«, sagte er, der sich selbst und seine Arbeiten immer in einem unnachahmlich verstrahlten Duktus beschrieb, »ich war politisch extrem links und extrem rechts. Ich war Klassenfeind Nummer ein und Staatsfeind Nummer ein (…) Deutsche Bank oder Dutschke, das war für mich egal.«

Vor vier Jahren kehrte Wilp noch einmal zurück in die Werbung und drehte einen Spot für eine Apfelschorle, was er kommentierte mit: »Vom Colarausch zur Apfelpower«. Im Alter von 72 Jahren ist Charles Wilp in der vorigen Woche in Düsseldorf verstorben. (aha)

Alles muss anders werden

Zeitschriften. Die Berliner Zeitschrift für elektronische Musik und Clubkultur Groove wurde eben erst an den Münchner Piranha-Verlag verkauft und erscheint nun mit neuem Konzept mit einem Teil der Auflage am Kiosk, wofür man zusätzlich eine CD und 16 Seiten extra bekommt (wobei man für das Durchstehen der 12seitigen »Geschichte des Films im Club« eigentlich mit 2,90 Euro belohnt werden sollte, anstatt sie dafür ausgeben zu müssen).

Die andere Zeitschrift für »elektronische Lebensaspekte«, De:Bug, wird sich ebenfalls häuten und ab Februar mit neuem Layout erscheinen. Auf die Krise der elektronischen Musik und der Clubkultur scheinen die entsprechenden Magazine nun eben reagieren zu müssen. (aha)