Die vom Gegner lernten

ich-ag der woche

Den Bund der Steuerzahler kennt man wegen seiner publikumswirksamen Aktionen. Bevorzugt in belebten Innenstädten richtet er große Digitalanzeigen ein, die in roter Leuchtschrift den derzeitigen Stand der öffentlichen Verschuldung angeben und veranschaulichen, um welche horrende Summe sie sich von Minute zu Minute erhöht. Gründe für die Belastung der Staatskassen nennt das »Finanzgewissen der Nation« am liebsten unaufgefordert: Die öffentliche Hand wirtschaftet ineffizient und versenkt die hart verdienten Milliarden von »uns Steuerzahlern« im aufgeblähten Apparat des öffentlichen Dienstes oder in unnötigen Prestigeprojekten irgendwelcher egomanischer Provinzfürsten. Die Auswüchse des korrupten Filzes sucht der Verein in seinem jährlichen Schwarzbuch zu dokumentieren. So weit ist das Treiben der rechten Lobbyorganisation bekannt.

In der vorigen Woche jedoch bekam der Berliner Landesverband des Bundes Besuch vom Staatsanwalt. Wegen des Verdachts auf Veruntreuung des Vereinsvermögens und Unterschlagung hat die Staatsanwaltschaft Berlin mehrere Büro- und Privaträume durchsuchen lassen. Die Zahlung hoher Überbrückungsgelder an den Vorstand und die Veranstaltung allzu ausschweifender Sommer- und Weihnachtsfeste für Politiker und Medienvertreter sind jetzt Gegenstand der Untersuchung.

Es scheint, als hätten die edlen Wächter der öffentlichen Haushalte sich ein wenig vom verschwendungssüchtigen Gegner inspirieren lassen. Als seien sie Opfer ihrer eigenen Faszination geworden.

Vermutlich handelt es sich nur um übliche Intrigen und Unstimmigkeiten, wie sie allzu gern in Berliner Landesverbänden und Vereinen vorkommen. Vielleicht aber hatte die Berliner Landesvereinigung auch nur das dringende Bedürfnis, selbst einmal Gegenstand öffentlicher Kritik zu sein – und diesem nachgegeben.

philipp steglich