»Nur im Irrealis habe ich keine Wahl«

small talk

Im Zweifelsfall hilft die Duden-Sprachberatung.

Meine Güte, ist es schwer, zu Ihnen durchzukommen. In der Zentrale des Duden-Verlages hieß es, dass Sie ein hohes »Call-Aufkommen« haben bzw. ein solches hätten. In Ihrem Hause spricht man von einem »Call-Aufkommen«?

Warum nicht? Aber ich würde diesen Ausdruck nicht verwenden.

Wie heißt es denn richtig, dass Sie ein Aufkommen haben oder eins hätten?

Die Pluralform des Konjunktivs I ist oft identisch mit der des Indikativs. Wenn ich einen eindeutigen Konjunktiv I habe (»er sagte, er habe das gemacht«), nehme ich den. Wenn ich keinen eindeutigen Konjunktiv I habe (»er sagte, sie haben das gemacht«), kann ich ihn trotzdem nehmen oder auf den Konjunktiv II ausweichen (»er sagte, sie hätten das gemacht«). Das wäre deutlicher, deswegen würde ich den Konjunktiv II vorziehen. Erlaubt ist beides.

Wie, was? Sie können solch eine Frage doch nicht jedermanns Gutdünken überlassen.

Doch, doch. Nur wenn ich den Konjunktiv verdeutlichen möchte, weiche ich auf den Konjunktiv II aus.

Die meisten kennen ohnehin nur die »würde«-Form.

Auch die kann man nehmen. Sie ist aus stilistischen Gründen unbeliebt und sollte vorsichtig behandelt und bei »sein« und bei »haben« ganz vermieden werden. Aber es macht keinen inhaltlichen Unterschied, ob ich »sie äße« oder »sie würde essen« sage. Sie können zwischen dem Konjunktiv I, dem Konjuktiv II oder der »würde«-Umschreibung wählen. Der Leser muss nur die indirekte Rede verstehen, für die der Konjunktiv ja zumeist gebraucht wird. Nur im Irrealis habe ich keine Wahl.

Dann ginge auch das Hessische »sie täte essen«?

Innerhalb der hessischen Norm schon. In der Schriftsprache sollten Sie sich aber an die Schriftnorm halten.

Nichts wäre mir wichtiger. Aber die meisten meinen: »Was in dem Buch da steht, ist mir egal, ich habe meine eigene Grammatik.« Müssten nicht gerade Sie sich dieser Zügellosigkeit entgegenstemmen?

Ich habe Ihnen ja erläutert, wann man den Konjunktiv II nehmen kann, und dass man die »würde«-Form vorsichtig behandeln sollte. Was Sie daraus machen, ist Ihre Sache. Ich kann Ihnen nicht vorscheiben, wie Sie schreiben.

interview: deniz yücel