Das Böse ist überall

platte buch

Als Joseph Ratzinger sein Buch »Benedikts Europa« schrieb, war er noch nicht Oberhaupt der katholischen Kirche. Er war ein Kardinal und Theologe, der sein Werk dem heiligen Benedikt widmete. Nun heißt er selbst Benedikt und in einem wenig säkularen Land wie Italien wurde eine seiner Hauptthesen, »die vollkommene religiöse Neutralität des Staates« sei eine »Illusion«, sofort angenommen. Der Präsident des italienischen Senats, Marcello Pera von Forza Italia, etwa ließ es sich nicht nehmen, die Einleitung zu dem Buch zu schreiben.

Ratzinger zufolge besteht die Quelle des Bösen in der Säkularisierung und dem daraus resultierenden radikalen Freiheitsbegriff. So versage etwa die Frau mit ihrer »Lust auf Freiheit« dem Ungeborenen das Recht auf Leben, womit er seinen Beitrag zu der in Italien gegenwärtig kontrovers geführten Diskussion über Bioethik leistet (Jungle World, 25/05). Man dürfe »nicht aufgeben«, schreibt er, die Kirche in ihrem Kampf gegen die Abtreibung, für ihn ein »kleiner Mord«, und das Klonen von Zellen zu bestärken. Die Homosexualität führt Ratzingers Auffassung nach zu einer »objektiven Unordnung der menschlichen Existenz«.

Das Gegengift gegen die Säkularisierung wäre für ihn die Berufung auf die christliche Religion in der europäischen Verfassung. Außerdem fragt er sich auch, wie ein Land ohne christliche Wurzeln wie die Türkei der Europäischen Union beitreten könne. Das Böse lauert eben überall.

filippo proietti

Joseph Ratzinger: »L’Europa di Benedetto nella crisi delle culture«. Siena, 2005. 144 Seiten, ca. 8 Euro