Entgegenstellen!

Mit dem Kombilohn wird die Senkung von Löhnen staatlich gefördert. Wer ihn befürwortet, spricht sich für Lohnsenkungen aus. von harald rein

Alle Jahre wieder tragen Politiker, Wissenschaftler und Wirtschaftsverbände ihre angeblich neuen Rezepte zur massiven Reduzierung der Arbeitslosenzahlen vor. So behauptet der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU), man könne mit der »Wunderwaffe« Kombilohn drei Millionen Arbeitslose in Beschäftigung bringen. Nicht besser sind Aussagen des Arbeitsministers von Mecklenburg-Vorpommern, Helmut Holter (Linkspartei), der das Thema Kombilohn »enttabuisieren« will.

Was als Zaubermittel gegen Arbeitslosigkeit präsentiert wird, war schon Jahre zuvor Bestandteil des Bundessozialhilfegesetzes, mit dem Lohnsubventionen an Unternehmer oder an Sozialhilfebezieher gezahlt werden konnten. Weitere Modellversuche und Sonderprogramme in Sachen Kombilohn starteten Ende der neunziger Jahre unter den Namen Saar-Modell, Tauris/Sachsen, Einstiegslohn, Mainzer Modell. Nicht nur der Bundesverband der Arbeitgeber unterstützte diese Modelle, sondern auch der DGB. Als das Mainzer Modell ab März 2002 in ganz Deutschland möglich wurde, wollten auch die Gewerkschaften sich einer »Ausweitung nicht verschließen«.

Im März 2003 endete auch dieses Projekt sang- und klanglos. Weder wurden in relevanter Weise neue Arbeitsplätze geschaffen, noch gab es bei den Arbeitgebern ein nennenswertes Interesse, diese Angebote in Anspruch zu nehmen. Auch das »Institut für Arbeit und Technik«, das für die wissenschaftliche Begleitung zuständig war, resümierte, dass es für Arbeitgeber kein Problem darstellt, schlecht bezahlte Stellen zu besetzen, und von einem Mangel an Bewerbern nicht gesprochen werden kann.

Die Behauptung, niedrige Löhne seien ein geeignetes Mittel zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit, hat früher nicht gestimmt und stimmt heute erst recht nicht. Schließlich gibt es seit vielen Jahren ein Niedriglohngebiet in den neuen Bundesländern – dort liegen die Lohneinkommen zwischen 20 und 50 Prozent unter den vergleichbaren Westeinkommen –, und dennoch ist dort die Arbeitslosenquote mit am höchsten. Rund 30 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland beziehen bereits jetzt einen Niedriglohn, und das mit Unterstützung von Tarifverträgen. So gibt es einige Hundert Verbandsentgelttarifverträge, die Vergütungen unter sechs Euro (brutto) die Stunde festlegen. Eine Friseurmeisterin in Sachsen erhält beispielsweise 5,39 Euro die Stunde, ein Hilfsarbeiter in der Landwirtschaft in Rheinland-Nassau 4,68 Euro, eine Floristin in Hessen 7,66 Euro.

Bei einer bundesweiten Subventionierung von Niedriglöhnen hätten schon heute Millionen Beschäftigte Anspruch auf einen Zuschuss, in Ostdeutschland betrifft dies fast die Hälfte aller Arbeitsverhältnisse. Darin zeigt sich die Absurdität der Vorschläge zum Kombilohn. Es muss also ­andere Gründe geben, die hinter diesen Überlegungen stecken: Kombilöhne sollen nicht nur die gegenwärtigen Lohnsenkungen abmildern, sondern auch zukünftige Lohn­sen­kun­gen ermöglichen. Mit dem Kombilohn wird die Senkung von Löhnen staatlich gefördert – wer den Kombilohn befürwortet, der befürwortet Lohnsenkungen. Fallen nach dem Ende der Laufzeit die Subventionen weg, bleibt ein Niedriglohn zurück, der so bislang nicht vorhanden war. Mit diesen neuen Niedrig­lohn-Arbeitsverhältnissen dürften in erster Linie reguläre Arbeitsplätze ersetzt werden. Auch wenn zurzeit in der Praxis der Kombilohn nur eine untergeordnete Rolle spielt, soll die derzeitige Debatte die Akzeptanz niedrigerer Löhne und schlechterer Lebensbedingungen befördern. Arbeit wird zur Pflicht, das Recht zum Leben muss erst verdient werden. Wer diese Moral nicht akzeptiert, für den bleibt nur noch der Zwang.

Es gibt einen gesellschaftlichen Konsens hinsichtlich Arbeitspflicht und »Arbeit um jeden Preis«, der quer durch alle Parteien geht, durch die Gewerkschaften, Stammtischgespräche und die Debatten der Intellektuellen. Dagegen hilft nur ein klares »Ohne uns!« der Betroffenen. Warum sollen Arbeitslose nicht selbstverantwortlich eine ausreichende, vom Arbeitszwang losgelöste, bedürftigkeitsunabhängige Unterstützung erhalten, um sich selbst die Tätigkeitsbereiche zu suchen, die gesellschaftlich notwendig sind und vielleicht auch noch Spaß machen? Ein bedingungsloses Grundeinkommen steht auf der Tagesordnung!

Der Autor arbeitet im Arbeitslosenzentrum Frankfurt am Main