Mahmoud und die Fifa

Der Bundesregierung wäre der iranische Präsident ein willkommener Gast bei der Fußball-WM, und auch die Fifa hätte keine Bedenken. Dagegen regt sich inzwischen Protest. von lizas welt

Unmittelbar nach der Auslosung der Gruppen für die kommende Fußballweltmeisterschaft und kurz nachdem Mahmoud Ahmadinejad zum ersten Mal in seiner Eigenschaft als neuer Präsident des Iran öffentlich den Holocaust als »Mythos« bezeichnet sowie die Vernichtung Israels gefordert hatte, sagte Wolfgang Overath, »WM-Botschafter« und Präsident des 1. FC Köln, seine Meinung: »Eigentlich sind solche Äuße­rungen eines ersten Mannes im Staat ein Grund, ein solches Land nicht bei einer WM teilnehmen zu lassen.« Doch beim Weltfußballverband will man davon nichts wissen: »Das ist für mich undenkbar. Wir würden nie aufgrund irgendwelcher politischer Aussagen einen Verband ausladen«, sagte Fifa-Präsident Joseph Blatter; seine Organisation sei »in politischen und religiösen Fragen absolut neutral«.

So neutral nämlich, dass sie schon 1974 nichts gegen die Teilnahme von Pinochets Chile an der WM in der Bundesrepublik hatte und auch kein Problem darin sah, das Turnier 1978 im Argentinien der Militärjunta stattfinden zu lassen. So neutral, dass sie sich heraushielt, als Saddam Husseins Sohn Uday 1997 irakische Fußballer foltern ließ, weil sie sich nicht für die WM in Frankreich qualifiziert hatten. So neutral, dass sie schwieg, als die Taliban Fußballplätze, die von der UN finanziert worden waren, zur Folter und Ermordung hunderter Unschuldiger missbrauchten. So neutral, dass sie nichts unternahm, als ein palästinensisches Fußballturnier nach einem Selbstmord­attentäter benannt wurde, der Ende März 2002 im Park Hotel Netanya 31 Menschen bei einer Pessach-Feier getötet hatte. So neutral, dass nichts von ihr zu hören war, als im Oktober 2003 im Restaurant »Maxim« in Haifa drei Funktionäre des lokalen Fußballklubs Maccabi bei einem Selbstmordattentat verletzt wurden. Und so neutral, dass es sie nicht kümmert, wenn die englischen Vereine Bolton Wanderers und Westham United ihre israelischen Spieler nicht mit zu Trainingsspielen ins arabische Dubai nehmen.

Doch mit der Nichteinmischung ist es beim Welt­verband regelmäßig dann vorbei, wenn es um Is­rael geht. Die Weigerung arabischer Länder beispielsweise, Qualifikationsspiele gegen den jüdischen Staat auszutragen, führte nicht etwa zu ihrer Disqualifikation, sondern zur Versetzung Is­raels in die Europa-Gruppe; zudem musste es seine Spiele jahrelang außerhalb des Landes austragen, weil man bei der Fifa und dem europäischen Fußballverband Uefa um die Sicherheit der Gästeklubs fürchtete – während arabische Teams stets echte Heimspiele austragen durften.

Und als Anfang April dieses Jahres die ­israelische Armee das größte Stadion im Gaza-Streifen unter Beschuss nahm, schickte die Fifa ein offizielles Schreiben an den israelischen Botschafter in der Schweiz, wo der Verband seinen Hauptsitz hat, und bat ihn darum »zu erläutern, warum das Stadion beschossen wurde, bevor die Fifa darüber entscheiden konnte, welche Maßnahmen, wenn überhaupt, zu ergreifen sind«. Zudem ließ sie verlautbaren: »Ein Fußballstadion zu beschießen, ist absolut kontraproduktiv für den Frieden, denn heute ist Fußball das einzige universelle Werkzeug, das Gräben überbrücken kann.«

Die Fifa weigerte sich jedoch, das vorangegangene Bombardement eines israelischen Sportplatzes durch palästinensische Raketen zu verurteilen; statt­dessen bezahlt sie nun den Wiederaufbau der beschädigten Sporteinrichtung im Gaza-Streifen, die durchaus auch anderen Zwecken diente – nämlich als Trainingslager für den »Islamischen Jihad« und die »Al-Aqsa-Märtyrer-Brigaden« sowie als Raketenabschussrampe.

Da ist es nur folgerichtig, dass der Fußballverband nicht nur nichts gegen eine Teilnahme des Iran an der WM einzuwenden hat, sondern ihm auch ein möglicher Abstecher Mah­moud Ahmadinejads zu dem Turnier keinerlei Kopfzerbrechen bereitet. Schließlich ist in Deutschland ja »die Welt zu Gast bei Freunden« – und das sieht auch der Bundesinnenminister so: »Er kann natürlich zu den Spielen kommen. Mein Rat ist, wir sollten gute Gastgeber sein«, kommentierte Wolfgang Schäuble kürzlich während des DFB-Symposiums »Fußball unterm Hakenkreuz – Aus der Geschichte lernen« den potenziellen Besuch des Holocaustleugners im Präsidentenamt.

Kurz darauf schickte er seinen Staatssekretär August Hanning nach Teheran, der dort Gespräche über Maßnahmen bei eventuellen Protesten gegen das iranische Regime während der WM führte und mit den Mullahs schließlich einen »kontinuierlichen Informationsaustausch« vereinbarte, »um die Sicherheit der Spiele zu gewährleisten«.

Wie dieser »Informationsaustausch« aussieht, beschreibt Hanning – von 1998 bis Ende vorigen Jahres Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND) – höchstselbst: »Wenn die Iraner eine Bedrohung befürchten, teilen sie uns ihre Anhaltspunkte mit. Dann fließt unsere Bewertung nach Tehe­ran zurück.« Die Jerusalem Post kommentierte diese Fortsetzung des »kritischen Dia­logs« treffend: »Die Deut­schen, so scheint es, haben die Sorgen des Iran verstanden, und Hanning versicherte den Iranern, dass Deutschland hinsichtlich möglicher Gefahren uneingeschränkt mit dem islamistischen Regime kooperieren wer­de.«

Gegen diese Zusammenarbeit und eine Stipp­visite Ahmadinejads regt sich inzwischen jedoch Widerstand. Das Simon-Wiesenthal-Center in Los Angeles etwa ruft dazu auf, E-Mails an den Fifa-Präsidenten Blatter zu schicken: »Die internationale Gemeinschaft des Sports darf es einer solchen Person nicht erlauben, im VIP-Bereich eines der prestigeträchtigsten Sportereignisse der Welt zu sitzen. Seine An­wesenheit würde schmerzhafte Erinnerungen an die Olympischen Spiele 1936 in Berlin hervorrufen, als Führer des Dritten Reiches im VIP-Bereich saßen – ein Schritt, der ihnen Gestalt und Anerkennung in der Welt verschuf.« Weiter heißt es: »Ahmadinejads Besuch wäre eine Schändung der Erinnerung an die von den Nazis ermordeten Juden, würde ihr Leiden verhöhnen und nur das gefährliche iranische Regime ermutigen.«

Auch die drei ehemaligen iranischen Nationalspieler Hassan Nayeb-Agah, Bahram Mavadat und Asghar Adibi riefen auf einer Pressekonferenz Mitte voriger Woche in Berlin zu Protesten gegen einen WM-Besuch des iranischen Präsidenten auf und bezeichneten die Verhandlungen des Bundesinnenministeriums mit dem iranischen Regime als »Schande«. »Lasst das iranische Regime die Weltmeisterschaft nicht auf die gleiche Art und Weise missbrauchen, wie es Hitler mit den Olympischen Spielen 1936 getan hat«, forderte Nayeb-Agah, und sein früherer Mitspieler Abidi ergänzte: »Es ist ein Recht der Iraner und aller anderen, gegen Ahmadinejads Anwesenheit zu protestieren und deutlich zu machen, dass solch ein Krimineller hier nichts zu suchen hat.«

Die drei Ex-Spieler sind Mitglieder des »Nationalen Widerstandsrats des Iran« und stehen den »Volksmujaheddin« nahe. Beide streben den Sturz des islamistischen Regi­mes an, sind jedoch ideologisch dem Ba’athis­mus zuzuordnen, vertreten die wenig sympathische Idee eines islamischen Sozialismus, sind Israel und den USA – vorsichtig gesagt – nicht gerade durchweg freundlich gesonnen und wurden früher von Saddam Hussein unterstützt. Sowohl die USA als auch die EU führen den »Wider­standsrat« als terroristische Organisation. Mag diese Vereinigung also gewiss nicht die erste Anlaufstelle sein, wenn es darum geht, Mitstreiter für das Vorhaben zu finden, dem Mullah-Regime und seinem Vorsteher die Verwirklichung ihrer tödlichen Pläne zu sabotieren: Gegen diese deutliche Stellungnah­me der ehemaligen Fußballprofis ist nichts einzuwenden. Zumal dann nicht, wenn sowohl die Fifa als auch die maßgeblichen politischen Instanzen hierzulande wenig Probleme mit dem Trip eines Holocaustleugners und vernichtungswütigen Antisemiten haben.

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