Heimspiele auswärts

Während Pop-Bands sich von den Raketen der Hizbollah nicht von Konzerten in Israel abhalten lassen, sei die Lage für Fußballvereine viel zu gefährlich, meint die Uefa. von lizas welt

Yossi Abuksis war stinksauer. »Der Schiedsrichter hat uns den Sieg gekostet«, empörte sich der Kapitän von Hapoel Tel Aviv nach dem Abpfiff des Uefa-Qualifikationsspiels letzte Woche gegen den slowenischen Verein NK Dom­zale, »wir haben durch zwei fragwürdige Elfmeter-Entscheidungen gegen ein klar unterlegenes Team verloren. So etwas in einem Heimspiel ist ein herber Rückschlag.«

Auch Hapoels Coach Itzhak Shum bemängelte die Leistung des Schiedsrichters, für die er aber gleichzeitig eine Erklärung fand. Denn der europäische Fußball-Verband Uefa hatte das Spiel, das eigentlich ein Heim­spiel für Tel Aviv gewesen wäre, kurzerhand in die Niederlande verlegt. Wo nicht nur ausgelassen ihre Mannschaften anfeuernde Fans und die Heimspielatmosphäre fehlten, sondern auch der Bonus, den das zu Hause kickende Team bei Schiedsrichtern fast schon automatisch genießt. »In einem fast leeren Stadion solche Entscheidungen zu pfeifen, ist einfach«, erklärte Shum. »Ich bin ganz sicher, dass kein Schieds­richter der Welt diese Elfmeter z.B. im vollbesetzten Bloomfield-Stadion gepfiffen hätte.«

Den anderen israelischen Vereinen war es in ihren Qualifikationsspielen auch nicht viel besser gegangen, Bnei Yehuda hatte sein »Heimspiel« gegen Lokomotive Sofia vor 150 Fans im slowakischen Senec mit 2:0 verloren – ein Tor fiel durch einen Elfmeter verloren. Beitar Jerusalem verlor sein Auswärtsspiel gegen Dynamo Bukarest mit 1:0 und kann nicht darauf hoffen, im Rückspiel dank Heimbonus und Anfeuerung Tausender Fans die erforderlichen Treffer zu erzielen. Das Spiel wird in einem neutralen europäischen Stadion stattfinden, nur die wenigsten Fans des Vereins werden sich die Anreise leisten können.

Dass Israel überhaupt zur Uefa gehört, hat politische Gründe. Vor zwölf Jahren wurde das Land vom europäischen Fußballverband aufgenommen, das Ende einer langen Odyssee durch die Asien-, Ozeanien- und Europa-Gruppen, in deren Verlauf die is­rae­lischen Clubs immer wieder von gegnerischen, meist arabischen, Mannschaften boykottiert worden waren. Dennoch blieben auch bei der Uefa neuer­liche Einschränkungen im Spielbetrieb nicht aus: Als die so genannte Al-Aqsa-Intifada ihren antisemitischen Terror praktizierte, mussten israelische Teams auf Geheiß des europäischen Verbandes ihre »Heimspiele« in den internationalen Wettbewerben auf Zypern austragen, weil es den anreisenden Clubs »nicht zuzumuten« sei, in Israel zu spielen. Erst nach dem Bau des Sicherheitszauns und dem Rückgang der Zahl der Selbstmordattentate genehmigte die Uefa im April 2004 wieder die Austragung von Partien im Land.

Nun wird Israel abermals vom ­islamistischen Terror heimgesucht, und wieder werden die Vereine dafür mit dem Entzug des Heimrechts bestraft: »Durch den Krieg mit der Hizbollah im Süden des Libanon ist die Sicherheit der Sportler in Israel nicht ausreichend gewährleistet«, begründete die Uefa ihre Entscheidung. Iche Menachem, der Präsident des Israelischen Fußballbundes, war fassungslos: »Wir werden diese Entscheidung nicht unwidersprochen akzeptieren. Ich fordere die Uefa-Offiziellen auf, ihre Entscheidung hier im Land zu treffen und nicht in ihren Büros in der Schweiz.«

Dass wenigstens Maccabi Haifa sein Champions-League-Ausscheidungsspiel gegen den FC Liverpool am 22. oder 23. August zu Hause bestreiten darf, ist unwahrscheinlich. Der englische Rekordmeister hat bereits nach der Auslosung angekündigt, den Verband um die Verlegung des Spiels an einen Ort außerhalb Israels zu bitten. »Maccabi will offensichtlich in Israel spielen. Das ist verständ­lich. Aber wir müssen uns des Risikos für Spieler und Fans bewusst sein«, meinte Geschäfts­füh­rer Rick Parry. Liverpools Trainer Rafa Benitez fand sogar: »Es ist ausgeschlossen, dass wir in diesen Zeiten nach Israel fahren, um dort ein Fußballspiel auszutragen. Es ist verrückt, überhaupt nur daran zu denken. Ich fühle im Moment zwar mit den Menschen dort, denn es ist eine schreck­liche Zeit für sie. Aber die Sicherheit aller Beteiligten muss an erster Stelle stehen, und das bedeutet, dass wir nicht dorthin fahren können. Es wäre unmöglich, sich auf das Spiel zu kon­zentrieren.« Und Les Lawson, Sprecher der Liverpool-Fanclubs, riet: »Liverpool sollte nicht mal erwägen, dort zu spielen. Nirgendwo in Israel gibt es eine hundertprozentige Sicherheit, erst recht nicht jetzt.«

Der israelische Verbandspräsident Menachem hielt dagegen, dass schließlich auch die Popgruppe Depeche Mode dieser Tage für ein Konzert nach Israel reisen werde: »Es gibt keinen Grund, warum Liverpool nicht auch hierher kommen sollte.«

Zwar könne im Stadion Kiryat Eliezer in Haifa nicht gespielt werden, weil in der Nähe mehrmals am Tag Raketen der Hizbollah einschlagen, wie auch beim Zweitligisten Hapoel Kiryat Shmona, wo kürzlich vor dem Beginn des Trainings ein Einschlagskrater zugeschüttet werden musste. Doch eine – problemlos mögliche – Verlegung der Begeg­nung in den israelischen Süden statt ins Ausland ist für die Uefa augenscheinlich undenkbar. »Es sollte nicht ›total inakzeptabel‹ sein, derzeit nach Israel zu reisen, sondern ›total wichtig‹«, kommentierte das Weblog Ten German Bombers. »Die fußballverrückte israelische Zivilgesellschaft steht durch Raketen unter Beschuss, die willkürlich auf Wohngebiete des Nordens abgefeuert werden. Das Spiel in Israel auszutragen, wäre ein wichtiges Zeichen der Solidarität. Der FC Liverpool, dem in der Vergangenheit selbst faire Solidarität zuteil wurde, teilt diese Ansicht offenbar nicht. Die Partie nach Zypern zu verlegen, wäre ein Schlag ins Gesicht für die israelischen Clubs, den israelischen Fußball, die is­raelischen Fans und die Zivilgesellschaft – es wäre ein Sieg für die Terroristen.« Und weiter heißt es: »Natürlich hat der FC Liverpool eine Verantwortung für seine Fans und seine Mannschaft. Natürlich will er das Match gewinnen und in Sicher­heit spielen – er ist eine Fußballmannschaft, ein Unternehmen und nicht eine politische Körper­schaft. Seine Versuche, die Partie aus Israel zu verlegen, sind jedoch inakzeptabel […] Die Uefa hat die Verantwortung dafür, Fußball in Israel zu fördern – es wird Zeit, dass sie das ernst nimmt, statt die Opfer zu bestrafen.«

Ein Appell, der gleichwohl kaum Gehör beim europäischen Fußballverband finden dürfte; »Hizbollah-Terror 1 – Israel 0 infolge einer schlechten Schiedsrichterentscheidung ist das wahrscheinlichste Ergebnis dieser Uefa-Ermittlungen«, vermutet auch Ten German Bombers. Ein Appell jedoch auch an die Spieler, Verantwortlichen und Anhänger der Reds, ihre Hymne »You’ll never walk alone« nicht bloß ein nettes Lied sein zu lassen, das bei bester Laune im Stadion geschmettert wird.