»Wir müssten ihn wohl aufnehmen«

small talk

Verband Deutscher Soldaten, Guten Tag.

Grüß Gott, gnädige Frau. Eine Frage: Wir haben ja jetzt gehört, dass der Günter Grass bei der Waffen-SS war, und da wollte ich mal fragen, ob er Mitglied bei Ihnen ist.

Der Grass? Nee, um Gotteswillen!

Würden Sie ihn aufnehmen?

Solange er diese Auffassungen hat… schwierig. Was er jetzt gesagt hat, ist ja so, als wenn…, na…, als wenn die Waffen-SS die schwersten Verbrecher waren. Aber die Angehörigen der Waffen-SS waren ja Soldaten vom Heer der Wehrmacht.

Steht Ihr Verband nicht allen ehemaligen Soldaten offen?

Natürlich, er ist für alle offen, sicher.

Das heißt, Sie würden den Grass schon aufnehmen, wenn er dies beantragen würde?

Wenn er jetzt aufgenommen werden wollte, dann müssten wir ihn wohl aufnehmen. Aber ich habe die Entscheidung nicht zu fällen, die würde unser Vorstand fällen.

Hat Sie die Nachricht überrascht? Der Grass galt als Linker.

Es hat mich sehr überrascht. Und ich muss ganz ehrlich sagen: Also ich persönlich jetzt, ich bin nun 50 Jahre hier beim Verband tätig, und ich kenne auch Angehörige der Waffen-SS undsoweiter – das hat nichts mit der anderen Truppe zu tun, mit dem Totenkopf oder wie die heißen, ganz genau bin ich da nicht informiert – und das waren anständige Soldaten. Und er tut ja jetzt so, als wäre das so schlimm gewesen, dass er sich das ganze Leben nicht getraut hat, es auszusprechen.

Hätte der Grass den Nobelpreis bekommen, wenn diese Geschichte bekannt gewesen wäre?

Wohl nicht, so wie man das sagt.

Haben sich schon Kameraden gemeldet, die den Günter noch von früher kennen?

Nein. Bisher hat sich heute auf diese Nachricht überhaupt niemand gemeldet bei uns. Das hat mich eigentlich auch gewundert. Vielleicht kommt noch was.

Wen finden Sie denn besser: Grass oder Walser?

Wen? Den?

Günter Grass oder Martin Walser?

Ich habe vom Grass nichts gelesen, hat mich nicht inte­ressiert.

Und Walser?

Auch nicht. Weil ich muss ehrlich gestehen: Ich will alles erst lesen, wenn ich in Rente bin, weil ich absolut keine Zeit zum Lesen habe. Und hier muss ich genug lesen, schon allein vom Dienst her. Ich habe sehr viele Bücher stehen, die noch dran sind. Aber kein Grass.

interview: deniz yücel