Folgt dem weißen Kaninchen!

raucherecke

»Kreative Klassenkämpfe« stehen auf dem Programm. Am Sonntagabend im De Balie, einem alternativen Amsterdamer Café. »Kreative Prekarität: Über die Kreativen und ihr Klassenbewusstsein«, lautet der Untertitel der Veranstaltung. Das ist was für mich. Prekäre Arbeitsverhältnisse kenn ich aus dem ff, und kreativ – kann es sich irgendein Krümel Arbeitskraft heutzutage leisten, sich nicht als kreativ auszugeben? Na also.

Leider bin ich ein wenig spät dran. Ich quetsche mich auf einen Stuhl und höre gerade noch: »Creative Workers Unite! Let`s create a new wonderland. Follow the White Rabbit!« Das ist der Schluss des Creative Workers Manifesto. Punkt sieben find ich klasse: »Marginalisiert nicht die kulturelle Dimension von Ideen: Kultur ist unsere Natur!« Zwei Typen und eine Frau haben das Manifest vorgetragen, auf einer kleinen Bühne mitten im Großen Saal des De Balie. 70 oder 80 Leute, zumeist offenbar Kreative mit Universitätshintergrund, sitzen um die Bühne herum und lauschen.

Mei Li Vos tritt auf. Sie ist Politologin und Vorsitzende der »Alternative for Labour Union«. Es gibt eine total neue Klasse von Arbeitern, sagt sie. Ihre Message: »Nur der erste Satz des Manifestos ist wichtig: ›Kreative Arbeiter: Organisiert Euch!‹« Aber nicht entlang der Linie Unternehmer – Arbeiter, sagt sie, denn die zwischen insidern und outsidern sei viel wichtiger, sondern um eine alternative Rentenversicherung für die kreative Klasse aufzubauen. Marion von Osten, angekündigt als Künstlerin und unabhängige Theoretikerin, von der Gruppe kpD / kleines postfordistisches Drama, hat Einwände: Die Prekarität existiere auch in anderen Produktionsbereichen, aber nur die Kreativen seien stolz darauf, prekär zu sein. Da hat sie recht. »Man lebt nicht von Geld allein«, sagt sie später, »sondern zum Beispiel auch von Kommunikation.« Das muss man nicht unbedingt so sehen. Der Moderator, ein smarter langer Typ mit Designerbrille und Wuschelhaaren, moderiert ab. Er wisse nicht, ob er Teil einer Klasse sein wolle, sagt er, aber für eine Politisierung sei er auf jeden Fall.

carlos kunze