Kohle her, Arbeiter!

Debatte über den »Investivlohn« von stefan wirner

Deutschland – Land der Ideen! Nach dem Kombilohn und dem Mindestlohn haben die Regierenden schon wieder einen Plan ausgeheckt, mit dem die Lohnabhängigen überrumpelt und die Unternehmer beglückt werden sollen: die Einführung des so genannten Investivlohns. Politiker aus der Regierungskoalition, aber auch von der FDP und den Grünen befürworteten in der vergangenen Woche vehement den Einsatz dieser Wunderwaffe der Lohnpolitik.

Worum geht es? Kurz gesagt, sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finanziell an »ihrem« Unternehmen, also an der Firma, in der sie Mehrwert für andere schaffen, beteiligt werden. Und zwar auf die pfiffige Art und Weise, dass ein Teil des Lohns nicht mehr direkt an die Beschäftigten ausgezahlt, sondern in eine Beteiligung am Unternehmen umgewandelt wird. Das kann in Form eines Darlehens geschehen, das die Lohnabhängigen dem Unternehmen gewähren, in Form von Aktien oder stillen Beteiligungen.

Die CDU hat dem Konzept auf ihrem jüngsten Parteitag in Dresden zugestimmt. Auch einen schönen Begriff hat sie dafür gleich in Umlauf gebracht: »soziale Kapitalpartnerschaft«. In einem Antrag des Bundesvorstands, den der Parteitag angenommen hat, heißt es: »Denn gelebte Partnerschaft im Unternehmen fördert eine Kultur des gegenseitigen Vertrauens und erhöht die Motivation und stärkt die Bindung der Mitarbeiter an ihr Unternehmen.« Poetischer lässt sich die gewünschte bedingungslose Hingabe ans Unternehmen kaum beschreiben. Die höhere »Motivation« dürfte sich vor allem darin zeigen, dass nicht mehr so oft auf die Uhr gesehen wird, wenn es um Überstunden geht. Schließlich schuftet man für ein Unternehmen, an dem man sich irgendwie beteiligt fühlt.

An einer anderen Stelle heißt es: »Gewinn- und Kapitalbeteiligung vermag einen fairen Anteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am wirtschaftlichen Erfolg auch dann sicherzustellen, wenn sie um der Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungssicherung willen zu Zugeständnissen in der Nominallohnpolitik bereit sind.« Nachdem die Beschäftigten in Deutschland seit Jahren Lohnverluste hinnehmen mussten, gerade auch wegen des perfiden Zusammenwirkens von Unternehmen, den jeweiligen Regierungen und den Gewerkschaften, will man sie nun dazu bringen, erneut auf einen Teil ihres Lohns zu verzichten, um diesen den Unternehmern zur Verfügung zu stellen. Denn die Unternehmer werden wohl kaum ein bisschen Investivlohn drauflegen, um ihre Lohnabhängigen am Unternehmen zu beteiligen. Die Beteiligung dürfte aus den Löhnen finanziert werden.

Dafür verspricht man den Beschäftigten eine ominöse Teilhabe an Erträgen, die keineswegs gesichert sind. Genauso gut könnte man ihnen einen ausgefüllten Lottoschein in die Hand drücken, wenn sie dafür auf einen Teil ihres Gehalts verzichten. Was wird aus der Gewinnbeteiligung, wenn das Unternehmen in die Krise gerät? Geteiltes Leid ist halbes Leid, dürfte es dann heißen.

Aber kann man das Konzept den Leuten wirklich so einfach andrehen? Reichen dazu Begriffe wie »soziale Kapitalpartnerschaft«? Vorsorglich spricht man noch nationale Gefühle an, denn das wirkt hierzulande immer. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sagte in der vorigen Woche: »Hätten wir heute eine wesentlich höhere Beteiligung von Arbeitnehmern am Produktivkapital, müssten wir nicht so sorgenvoll auf manche Übernahmeschlachten schauen.« Der Anhänger des Volkstumskapitalismus denkt sich: Wenn es gegen die »Heuschrecken« geht, lässt der deutsche Arbeiter schon mal Fünfe grade sein und verzichtet freiwillig auf sein Geld.