Frisch gewaschen und voll getankt

Dem Traditionsverein Borussia Mönchengladbach droht der Abstieg in die Zweite Liga. von frank fitzner

Nach dem zwölften sieglosen Spiel in Folge, einem trostlosen 0:0 gegen Nürnberg in der vergangenen Woche, trat Jupp Heynckes als Trainer von Borussia Mönchengladbach zurück. Gladbach war mit 16 Punkten aus 19 Spielen Vorletzter der Bundesliga, nur der Hamburger SV stand schlechter da. Auch wenn vor der Saison eine Platzierung vor den Hamburgern nicht erwartet worden war, ist die Borussia von der angestrebten oberen Tabellenhälfte weit entfernt. Der damit üblicherweise einhergehenden Medienkampagne wollte sich Heynckes offensichtlich nicht länger aussetzen.

Sein Nachfolger, der Niederländer Jos Luhukay, war bereits in der Winterpause als Co-Trainer verpflichtet worden. Bereits damals wurde gemunkelt, dass er Heynckes bald als Chef-Coach beerben werde.

Dass er seinen Dienstwagen dem Borussia-Präsidenten Rolf Königs zufolge »frisch gewaschen und voll getankt« übergab, zeigt, wie sehr Heynckes einer der typischen Vertreter seiner langsam in Ruhestand gehenden Trainergeneration ist: autoritär und geradlinig, im Umgang mit den Medien immer einigermaßen hausbacken und hölzern. Das Gegenmodell verkörpert der smarte Trainer Jürgen Klopp von Mainz 05, der einen modernen Fußball spielen lässt, optisch wie ein jungdynamischer Yuppie daherkommt und seine Auftritte in den Medien offenkundig genießt.

Mit Jupp Heynckes verlässt auch eine Symbolfigur der glorreichen siebziger Jahre den Verein. Damals spielte sich Gladbach mit frechem Offensivfußball in die Herzen der Fans, von denen viele ihrem Club allen Widrigkeiten zum Trotz bis heute die Treue halten. Obwohl die zahlungskräftigere Konkurrenz wie der Dauerrivale Bayern München oder die Vereine aus Italien und Spanien Jahr für Jahr Leistungsträger abwarb, wurde Gladbach fünfmal Meister und gewann zweimal den Uefa-Cup sowie einmal den DFB-Pokal. Im Endspiel von 1973 gegen den Erzrivalen Köln, das bis heute als eines der besten Spiele zwischen deutschen Vereinsmannschaften gilt, erzielte Günter Netzer in der Verlängerung das entscheidende 2:1, nachdem er sich selbst eingewechselt hatte. Heynckes war an diesen Erfolgen von 1970 bis 1978 als Angreifer mit insgesamt 220 Bundesliga-Toren maßgeblich beteiligt. Damit steht er bis heute auf Platz drei der Torjäger-Liste.

Nach dem Ende seiner Zeit als Spieler trainierte er von 1979 bis 1987 schon einmal den Verein und schaffte es trotz weiterer permanenter Abgänge immerhin, ihn im oberen Tabellendrittel zu halten. Anschließend ging er zu Bayern München, in den neunziger Jahren arbeitete er erfolgreich in Spanien. Für Gladbach ging es derweil bergab. 1999 stieg man in die zweite Liga ab und stand vor der Pleite.

Daraufhin vollzog sich bei Borussia Mön­chen­gladbach, wie in den vergangenen Jahren bei vielen europäischen Fußballvereinen, der Wechsel vom – wie im Falle Gladbachs – bestenfalls biederen, schlimmstenfalls korrupten, autokratisch geführten Verein zum gewinnorientierten Wirtschafts­unternehmen. Unternehmer wie der derzeitige Präsident Königs, die den Wert der Marke »Borussia Mönchengladbach« erkannten, stiegen ein mit dem Ziel, »hier Business reinzubringen«. Der Profifußballbereich wurde in eine GmbH umgewandelt. Die wirtschaftliche Sanierung gelang, seit 2002 wird wieder ein Gewinn erwirtschaftet. Außerdem wurde für den relativ niedrigen Betrag von circa 90 Millionen Euro ein neues Stadion errichtet, und zwar ohne sich, wie etwa Ligakonkurrent Schalke 04, hoch zu verschulden und in Abhängigkeit von Schächter oder Gazprom zu begeben.

Auch sportlich wurde Gladbach wieder erfolgreicher. Dabei erwies sich vor allem die Verpflichtung des Trainers Hans Meyer als Glücksgriff. Er führte nicht nur eine durchschnittliche Mannschaft zurück in die Bundesliga und konnte sie dort etablieren, sondern erfreute die Fans auch mit geistreichen Kommentaren. Leider ist die Vereinsführung seit seinem Rücktritt im Jahr 2003 bei der Trainerauswahl nicht gerade geschickt. Der neue Trainer Jos Luhukay ist bereits der sechste in den knapp vier Jahren nach Meyer.

Dabei war Gladbach früher der Inbegriff von Seriosität und Kontinuität. Präsident Helmut Beyer und Manager Helmut Grashoff leiteten von den sechziger Jahren bis Anfang der neunziger Jahre 30 beziehungsweise 25 Jahre lang den Verein, der Erfolgstrainer Hennes Weisweiler arbeitete elf Jahre dort. Und Spielerwechsel erfolgten vor allem gezwungenermaßen, weil die Besten wieder einmal weggekauft worden waren.

Jeder neue Trainer hat natürlich andere Vorstellungen hinsichtlich Taktik, Spiel­aufbau und der Spieler, die aufgestellt werden. Ein eingespieltes Team ist aber die einzige Chance finanzschwächerer Clubs, in der Bundesliga mitzuhalten. Wegen fehlender mannschaftlicher Geschlossenheit liegt Mönchengladbach jetzt auch hinter Vereinen wie Cottbus, Aachen oder Bielefeld, obwohl diese weniger Geld zur Verfügung haben.

Die Zahl der Spieler, die seit 2003 verpflichtet und wieder entlassen wurden, kann allenfalls die Personalabteilung erahnen. Unverständlich ist vor allem, dass das Talent von Jan Schlaudraff nicht erkannt wurde, der jetzt bei Alemannia Aachen mit seiner Eleganz die Fußballästheten bezaubert und in der kommenden Saison für Bayern München spielen wird.

Dabei gilt die Nachwuchsarbeit des Vereins eigentlich als vorbildlich. Eugen Polanski ist mit 20 Jahren schon Stammspieler, Marcell Jansen mit 21 sogar Nationalspieler. Und Marko Marin, eines der größten deutschen Fußballtalente überhaupt, spielt mit 17 Jahren bereits für die Nachwuchsmannschaft in der Regionalliga Nord.

Gladbach-Fans lieben ihren Verein weniger wegen seiner Erfolge als wegen seiner tragischen Niederlagen. Unvergessen sind Europacup-Begegnungen der siebziger und achtziger Jahre wie das 7:1 gegen Inter Mailand, das wegen eines Büchsenwurfs annulliert wurde. Oder das 1:1 bei Real Madrid, bei dem zwei reguläre Tore von Gladbach nicht anerkannt wurden. Oder das 0:4, wieder in Madrid, nach dem grandiosen 5:1-Sieg im Hinspiel. Oder die gegen den 1. FC Köln 1978 wegen drei Toren verpasste Meisterschaft, trotz eines 12:0 gegen Dortmund am letzten Spieltag. Damals verlor Gladbach infolge von Pech oder ungerechter Entscheidungen, aber mit Klasse und Leidenschaft.

Demgegenüber ist das derzeitige unansehnliche Gegurke auch für die treuesten unter den Fans kaum noch zu ertragen. Jos Luhukay bleibt nicht viel Zeit, um daran etwas zu ändern und den Verein wenigstens in der Bundesliga zu halten. Immerhin gelang ihm am Samstag zum Einstand ein 2:0 bei Arminia Bielefeld, Gladbach ist damit immerhin schon Drittletzter der Tabelle und immer noch vor dem HSV.

Als Spätfolge aus besseren Zeiten hat der Verein bis heute bundesweit viele Fanclubs, auch in Berlin. Kurzzeitig gab es in diesem Winter sogar das Vereinslokal »Poruzzi« in der Reichenberger Straße. Doch musste es wieder schließen, da sich der Einbau einer Heizungsanlage als zu aufwändig erwiesen hat. Irgendwie passend. Ersatz wird gesucht.