Mein Gott, Walter!

ich-ag der woche

Gerhard Walter schaut gerne selbst nach den Rechten. Und wenn er muss, dann schafft der christdemokratische Bürgermeister von Herzberg im Südharz in Niedersachsen gleich selbst Ordnung. Mit Sicherheitslagen kenne er sich als langjähriger Kriminalbeamter schließlich bestens aus, betont er. Im Stadtrat weist er mit breitem Oberlippenbart oftmals auf seine guten Beziehungen zu »seinen ehemaligen Kollegen« bei der Polizei hin, die immer »bestens informiert« seien.

Am 15. April riefen ihn seine ehemaligen Kollegen an. Sie waren an diesem Sonntag kurz zuvor von Journalisten darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass die NPD in dem Herzberger Ortsteil Scharzfeld ihren Landesparteitag ausrichtete. Walter machte sich auf den Weg dorthin, aber im »Dorfgemeinschaftshaus«, wo das Ganze stattfand, sah er schließlich keine Chance mehr, die Veranstaltung zu verhindern. Viel einzuwenden gegen solche Treffen hat er im Grunde sowieso nicht, denn er meint: »Prinzipiell habe ich nichts gegen Wahlveranstaltungen der NPD, weil zumeist die Gegendemonstranten den Stunk machen.« Was aber tat er im »Dorfgemeinschaftshaus«? Mit den Neonazis habe er eine »Apfelschorle« getrunken, wie er später einräumte, »und zum Beispiel darüber gesprochen, dass von dem einen die Schwiegermutter ins Altenheim kommt«.

Anschließend ging er dann Journalisten an, wie Zeugen berichteten. Er beschimpfte Fotografen und schlug auf eine Kamera ein. Offenbar fürchtete er die Veröffentlichung von Fotos, auf denen zu sehen sein könnte, wie er bei der NPD eine Gläschen trinkt, oder er glaubte den Ordnern der NPD, die meinten, die Journalisten seien die »Antifa«.

Das war Grund genug für die SPD und die Grünen, Walters Rücktritt zu fordern. Die CDU sah das selbstverständlich anders. Am Freitagmittag schimpfte die Ratsfraktionsvorsitzende der Partei noch über die »überzogenen Vorwürfe«. Am Abend entschuldigte sich Walter dann plötzlich. Wenn die Presse nicht da gewesen wäre, »hätte wohl niemand etwas davon mitbekommen«, grummelte er noch.

andreas speit