Kaputter als der Rest

platte buch

Man kennt das von eigenen Autoreisen: Während man immer weiter auf die Grenze zufährt, erscheint die Gegend immer seltsamer, die Zäune werden höher, und die Leute wirken misstrauischer. Die 1970 in Wien geborene Fotografin Dagmar Schwelle hat sich von der ganz eigenen Atmosphäre osteuropäischer Grenzstädte gefangennehmen lassen und das Alltagsleben an den Bruchlinien festgehalten. In vier geteilten Grenzstädten dokumentiert sie mit Bildern und in Interviews, wie sich die Erweiterung der EU auf das soziale Leben, die Architektur und Landschaft auswirkt.

Beispiel Guben und Gubin an der deutsch-polnischen Grenze. Beides sind Orte der Ungleichzeitigkeit von Modernisierung und Rückständigkeit. In Gubin haben sie inzwischen das schönere Schwimmbad. Mit einer luftigen Dachkonstruktion und pastellfarbenen Wänden mit gemalten Wellen und Delfinen. Im deutschen Guben schwimmt man unter einer schweren Betondecke, und an den Wänden gibt es Werbeschilder von Versicherungen, Reifendiensten und Billigstromanbietern. Armes Guben. Dass die Polen die eindeutig bessere Halle haben, ärgert die Deutschen, wird in der Bildunterschrift erklärt. Da wächst erst mal gar nichts zusammen. In Valka/Valga (Lettland/Estland), und noch krasser in Narva und Iwangorod (Estland/Russland), verlaufen seit 1991 neue Grenzen zwischen Gemeinden, die einst zusammengehörten. »Wenn du nach Iwangorod kommst, fühlst du dich wie ein Millionär«, sagt der 1983 in Narva geborene Igor, der in Turnhose und Socken auf einem geblümten Sofa fotografiert wurde. Als Russe geboren, dann estnischer Staatsbürger geworden, meint er heute: »Du kannst nie wissen, was du von den Russen zu erwarten hast.« »Die da drüben« heißt der Bildband, der davon handelt, dass die Grenzen nicht verschwunden sind, sondern sich nur verschoben haben, und der eigentümlich schöne Bilder zeigt von den Städten, die immer kaputter wirken als andere.

heike runge

Dagmar Schwelle: Die da drüben. Geteilte Grenzstädte in Europa. Edition Fotohof im Otto-Müller-Verlag, Salzburg 2007, 136 Seiten, 36 Euro