Ei glibberig

Neben dem Piloten des vor kurzem erfolgreich im Hudson River notgelandeten Flugzeugs war der zweite Medienstar dieser Tage ein Computerprogramm. Nein, nicht etwa das, das dem Flieger beim Fliegen hilft, sondern der Microblogging-Dienst Twitter. Über den hatte einer der Passagiere als erster von der Wasserlandung berichtet und Twitter damit noch bekannter gemacht. Er hat also dafür gesorgt, dass nun noch mehr Menschen Nachrichten im ­Stile von »Frühstück. Aprikosenmarmelade alle. Ei glibberig« in die Welt hinausblasen.
Denn das ist das Prinzip von Twitter: Die Nutzer können ihren ebenfalls bei dem Social Network angemeldeten Freundes- und Bekanntenkreis jederzeit darüber informieren, was sie gerade tun. Pro Nachricht stehen 140 Zeichen zur Verfügung, was für allgemeine Betrachtungen über die Welt, das Frühstück oder das Leben an sich mehr als ausreichend ist. Dazu vermitteln einem die immer gehetzt-atemlos klingenden Meldungen das Gefühl, sie seien rasch während eines extrem wichtigen Meetings, einer Konferenz oder der Ausarbeitung einer bahnbrechenden Rede zur Rettung der Welt geschrieben worden.
Extrem erfolgreiche Menschen haben bekanntlich immer zu wenig Zeit, Freundschaften zu pflegen, und sind deswegen auf die Nutzung modernster Informationstechnologie angewiesen. Man könnte aber auch sagen: Die meisten Twitter-Nutzer haben eindeutig zu viel Zeit. Stichwort: Aprikosenmarmelade. Und zu wenig Freunde, denn sonst würden sie nicht auf die Idee kommen, die getwitterten News großer Medien zu abonnieren. Was exakt der Info-Hölle gleichkommt, denn die Großen der Branche, wie der US-Sender CNN, bringen es locker auf 30, 40 Meldungen pro Stunde, selbst wenn gerade kein Flugzeug im Hudson River notlandet.