Emo statt Aggro

Die deutsche Band Tokio Hotel ist weltweit sagenhaft erfolgreich. Ihr Sänger, Bill Kaulitz, liebt Kajal, färbt sich die Haare und gibt sich androgyn. Noch besser lassen sich die Bücher und Verfilmungen der amerikanischen Autorin Stephenie Meyer vermarkten. »Twilight« heißt ihre Saga über jugendliche Vampire, in der es um sexuelles Begehren, Todessehnsucht und leicht morbiden Grusel geht. Tokio Hotel und »Twilight« sind beides Emo-Produkte, zumindest Mainstream-Versionen davon, was seit ein paar Jahren als Emo im Sinne einer Jugendkultur diskutiert wird.
Noch immer ist es ziemlich schwierig, das Phänomen Emo genauer zu umreißen, zu unklar ist, ob Emo eher eine Musikrichtung, ein Mode­phänomen, ein bloßer Hype oder doch eine bahnbrechende Jugendkultur ist, deren Potenzial noch genauer erforscht gehört.
Der nun erschienene Reader »Emo« übernimmt die verdienstvolle Aufgabe, Emo endlich einmal genauer zu durchleuchten und als weltweite Erscheinung zu analysieren. Der Hass auf Emo und dessen herausgestellte Betonung des Androgynen werden genauso untersucht, wie versucht wird, Emo als Musikrichtung einzuordnen. Dabei sieht man sich nicht nur in Deutschland um, sondern weltweit. Es geht um Emo am Bremer Hauptbahnhof, aber auch um Emo in Mexiko, in Chile, in Ägypten und in der Türkei.
Emo wird hier nicht belächelt, sondern endlich einmal ernst genommen.

Büsser/Engelmann/Rüdiger (Hg.): Emo – Porträt einer Szene. Ventil-Verlag, Mainz 2009. 221 Seiten, 16,90 Euro