Eine Ausstellung über die Kriegsreporterin Gerda Taro

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Gerda Taro war die erste weibliche Kriegsreporterin. Eine Ausstellung in Stuttgart zeigt ihre wichtigsten Arbeiten.

Als Fotoreporterin im Spanischen Bürgerkrieg schrieb sie Geschichte. Gerda Taro starb am 26. Juli 1937 an den Folgen einer Verletzung, die sie bei Rückzugsgefechten der Republikanischen Armee in der Schlacht von Brunete erlitten hatte. Taros Beisetzung in Paris wurde zur politischen Demonstration gegen den Faschismus, ihr Tod machte die gerade 27jährige zu einer Jeanne d’Arc der Volksfront. Als Fotografin stand Gerda Taro jedoch lange Jahre im Schatten ihres Kollegen und Lebensgefährten Robert Capa, dem späteren Mitbegründer der legendären Fotoagentur Magnum. Die Entdeckung tausender bislang unveröffentlichter Negative von Capa, Taro und David Seymour aus der Zeit des Spanischen Bürgerkrieges entreißen Taros Lebenswerk nun dem Vergessen. Zum 100. Geburtstag der Fotografin hat das International Centre of Photography New York zusammen mit der Taro-Biografin Irme Schaber eine 85 Exponate umfassende Retrospektive zusammengestellt. Die Ausstellung ist noch bis zum 16. Mai im Kunstmuseum Stuttgart als einziger Station in Deutschland zu sehen. Eine ausführliche Dokumentation des fotografischen Werks Gerda Taros erschien mit der von Irme Schaber und dem Capa-Biografen Richard Whelan herausgegebenen englischsprachigen Monografie bei Steidl.
1910 als Gerta Pohorylle in Stuttgart geboren, wuchs Taro in einer Zeit auf, die von Weltkrieg, Revolution und einem stetig anwachsenden Antisemitismus geprägt war. Dank finanzieller Unterstützung durch eine Tante erhielt die Tochter eines aus Ostgalizien eingewanderten jüdischen Kaufmannes eine moderne Erziehung. Die Familie ging 1929 nach Leipzig, dort wurde Taro Mitglied sozialistischer Gruppierungen. Sie beteiligte sich an Flugblattaktionen gegen die Nationalsozialisten, wurde im März 1933 kurzzeitig verhaftet und ging anschließend ins Exil nach Paris. Dort lernte sie den ebenfalls vor den Nazis geflohenen André Friedmann kennen, hier gründeten sie gemeinsam eine Bildagentur. Aus Pohorylle und Friedmann wurden Gerda Taro und Robert Capa, aus einer privaten Beziehung das Fotografenteam Taro-Capa.
Der Spanische Bürgerkrieg begann am 17. Juli 1936 mit dem versuchten Staatsstreich einer Offiziersjunta, die in Spanien eine faschistisch-klerikale Diktatur errichten wollte. Wie selbstverständlich waren die Sympathien der Sozialisten, Kommunisten, Liberalen, Bürgerlichen und auch der Juden in ganz Europa auf Seiten der Republik. Sie wussten, was ein Sieg Francos und Hitlers für Europa bedeuten würde. Die deutschen Emigranten stellten sich ohne Zögern in den Dienst der Spanischen Republik, vielfach aus der Überzeugung heraus, dass ihr Einsatz in Spanien zugleich ein Kampf gegen Nazideutschland war. So gingen auch Robert Capa und Gerda Taro nach Spanien, um als Fotoreporter über den Kampf der Republikaner gegen Francos Faschisten zu berichten.
Die ersten Aufnahmen Taros in Barcelona zeigen die Bewohner der katalanischen Hauptstadt in der Milizuniform, dem »Mono Azul«, Frauen beim Waffentraining oder spielende Kinder in Milizkleidung. Anfang September 1936 begeben sich Taro und Capa an die Front im Süden. Dort schießt Capa sein berühmtestes Foto: »Der Fallende Milizionär« wurde zur Ikone der Kriegsfotografie. In Folge setzte sich das Autorenprinzip auch in der journalistischen Fotografie durch: Waren bislang nur Texte vom Urheber gezeichnet, galt dies fortan auch für Fotos.
Der Bürgerkrieg in Spanien wurde zum ersten Medienkrieg der Geschichte. Beide Seiten nutzten von Beginn an die parteinahe Presse sowie Kontakte zu internationalen Illustriertenmagazinen, um der Weltöffentlichkeit ihre Version des »gerechten Krieges« zu präsentieren. Gezielt brachten die Kriegsfotografen das dokumentarische Foto als publizistische Waffe zum Einsatz. Auch Gerda Taro, die sich zur deutschen linken Exilgemeinde zählte, war sich ihrer Rolle als subjektive Berichterstatterin durchaus bewusst. Die Nähe zum kämpfenden Soldaten wurde als parteiische Anteilnahme verstanden, und so nahmen Taro und Capa am Geschehen an vorderster Front teil. Es war die Geburtsstunde der sogenannten »Combat-Fotografie«. Aufnahmen, die im Kugelhagel des Feindes entstanden, bürgten für Authentizität. Robert Capas Credo »Wenn dein Bild nicht gut genug ist, warst du nicht nah genug dran« wurde zum Maßstab für alle folgenden Generationen von Kriegsberichterstattern.
Gerda Taro war nahe genug dran. In ein Schützenloch gekauert, fotografierte sie am 25. Juli 1937 deutsche Flugzeuge, wie diese die republikanischen Truppen an der Brunete-Front angriffen. Im Bombenhagel der deutschen Legion Condor schoss sie mit hochgehaltener Kamera ein Bild nach dem anderen und feuerte gleichzeitig die zurückweichenden republikanischen Soldaten an, ihre Reihen wieder zu schließen. Gerda Taro gelangen atemberaubende Bilder. Die kurz zuvor begonnene Serie über die Schlacht um Brunete war bereits weltweit publiziert worden.
Stunden später wurde »la pequeña rubita« – der kleine Blondschopf, wie sie ihre spanischen Kameraden nannten – versehentlich von einem republikanischen Panzer überrollt und erlag am darauf folgenden Tag in einem Hospital in der Nähe von Madrid ihren Verletzungen. Tausende Menschen gaben Gerda Taro das letzte Geleit, als sie am 1. August 1937 auf dem Friedhof Père Lachaise in Paris beigesetzt wurde. Pablo Neruda und Louis Aragon führten den Trauerzug an, die Repräsentanten der französischen Volksfront folgten dem Sarg. Ihre Grabstätte, mit dem von Alberto Giacometti gestalteten Grabmal, wurde zu einem Wallfahrtsort für die sozialistische Bewegung und zum Symbol für den Kampf gegen den Faschismus.
Vor allem aber hat Taro den Bildljournalismus revolutioniert. Authentizität wurde nun zur Voraussetzung für eine gute und vermarktbare Reportage, die auch das Sensationsbedürfnis von Presse und Medien zu befriedigen in der Lage war. Erst in den letzten Jahren wird diese Form der authentischen Berichterstattung unter ethischen Aspekten neu betrachtet und bewertet, nicht zuletzt unter dem Eindruck der Kriege im Irak und Afghanistan.

Gerda Taro – Krieg im Fokus. Kunstmuseum Stuttgart. Bis 16. Mai