Nazis mobilisieren zum »Tag der deutschen Zukunft«

Ein Mann der deutschen Zukunft

Neonazis wollen auch in diesem Jahr den »Tag der deutschen Zukunft« veranstalten. Dieter Riefling, ein Mitorganisator der Aufmärsche, wurde unlängst wegen Volksverhetzung verurteilt.

Volksverhetzung bleibt Volksverhetzung. Das Landgericht Aachen hat Ende Januar ein Urteil gegen den Neonazi Dieter Riefling bestätigt. Der einschlägig vorbestrafte 45jährige aus Söhlde im Landkreis Hildesheim hatte 2012 während eines Aufmarsches in Stolberg bei Aachen in einer Rede unter anderem türkische Migranten als »Abschaum« tituliert und ihnen die Abschiebung angedroht. Das Amtsgericht Eschweiler hatte ihn deshalb im vergangenen Jahr zu einer zehnmonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt.

Der Mann ist nicht irgendein Nazi. Er ist Mitorganisator einer seit 2009 stattfindenden Serie von Aufmärschen unter der Bezeichnung »Tag der deutschen Zukunft« (TddZ). Am 7. Juni wollen die Nazis in Dresden aufmarschieren. Damit soll die bisher immer in Norddeutschland abgehaltene Veranstaltung erstmals im Osten stattfinden. 2009 wurde der TddZ in Pinneberg abgehalten, es folgten Hildesheim, Braunschweig, Hamburg und Wolfsburg. Im Internet und mit Mobilisierungsmärschen wie Ende Januar in Chemnitz wirbt die militante Naziszene für den TddZ. Den Veranstaltern geht es darum, »ein Zeichen zu setzen gegen die Überfremdung unserer deutschen Heimat«.
Um selbst am TddZ teilnehmen zu können, darf sich Riefling wegen der Bewährungsstrafe nun nichts mehr zuschulden kommen lassen. Und er muss darauf hoffen, dass ihm seine Kameraden keine Schwierigkeiten bescheren. Sein etwa 15 Minuten langer Auftritt vor etwa 260 »Kameraden« während des rassistischen Aufmarsches in Stolberg 2012 wurde damals von einem neonazistischen Medienprojekt gefilmt und im Internet publiziert. Was als Propaganda im Web gedacht war und immer noch auf Youtube abrufbar ist, wurde für den bekannten Neonazi zum Problem. Denn Ermittler werteten das Video aus und leiteten ein Verfahren ein.
In seiner Rede hatte Riefling ausgeführt, die »westalliierten Kriegshetzer und Kriegsverbrecher« hätten »ein nationales und sozialistisches« Deutschland in einen »geplanten Krieg«, nämlich den Zweiten Weltkrieg, »gezwungen«. Die Zuwanderung »art- und kulturfremder Menschen« hatte er als Fortsetzung des verlorenen Kriegs und als »Rassenkrieg« gegen Deutschland »von denselben Gestalten und ihresgleichen« bezeichnet. Die USA nannte er im antisemitischen Duktus dabei »Jew SA«. Damit war der ehemalige Kader der 1995 verbotenen »Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei« aber noch nicht am Ende. Demokratische Politiker beschimpfte er als »widerlich«. Die »Kameraden« rief der Neonazi zum Kampf auf. Und er drohte, Migranten würden dereinst in Flugzeugen und Zügen außer Landes gebracht, wenn das »deutsche Volk endlich erwacht« sei.
Riefling gab in der Berufungsverhandlung am Landgericht Aachen offen zu, die Rede mit diesem Inhalt gehalten zu haben. Doch es gab eine Sache, die er bereue. »Das Einzige, was ich mir vorzuwerfen habe«, sagte er, sei der Umstand, dass er in seinen historischen Ausführungen über eine Schlacht im Zweiten Weltkrieg die Neunte mit der Zwölften Armee der Wehrmacht verwechselt habe. Ansonsten berief er sich auf die Meinungsfreiheit.

Das Landgericht verwarf die Berufung. Der Neonazi habe den öffentlichen Frieden gestört und den Hass auf Bevölkerungsgruppen geschürt, hieß es zur Begründung. Rieflings Anwalt Thomas Jauch aus Sachsen-Anhalt kündigte an, auch dieses Urteil anzufechten. Focus nannte Jauch im Jahre 2011 einen »Szeneanwalt«. Dem Magazin zufolge sollte Jauch 1998 kurzzeitig die Rechtsvertretung für die seinerzeit frisch untergetauchten Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos übernehmen.
Unabhängig davon, ob Jauch das bestätigte Urteil erfolgreich anfechten kann oder nicht, ist Riefling ohnehin umfangreich vorbestraft. Der Bäcker wurde seit den neunziger Jahren unter anderem wegen Körperverletzung, Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Gefangenenbefreiung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Verunglimpfung Verstorbener, Volksverhetzung, Verstoßes gegen das Vereinsverbot und Landfriedensbruchs verurteilt. Riefling erhielt Geld- und Bewährungsstrafen und musste eine mehrmonatige Haftstrafe absitzen.
Nachdem diese Vorstrafen im Aachener Gericht verlesen worden waren, bemühte sich Riefling, die Taten seiner »Sturm- und Drang-Zeit« zuzuordnen. Seitdem habe er versucht, sich an die Gesetze zu halten. Zuvor hatte der 45jährige seinen Werdegang geschildert: Er komme aus einer Familie mit fünf Geschwistern, sein Vater habe gearbeitet, die Mutter den Haushalt geführt. Aufgewachsen sei er in Verhältnissen, die man »heute nicht mehr gewohnt ist« – ob diese Sätze der Glorifizierung des NS-Familienideals oder der Kritik an dieser familiären Verhältnisse dienen sollten, ließ sich den Ausführungen nicht entnehmen.
Zudem ergänzte Riefling, selbst Vater von sechs Kindern aus drei geschiedenen Ehen zu sein. Was vor Gericht unerwähnt blieb: Nach dem Scheitern der letzten Ehe mit der NPD-Funktionärin Ricarda Riefling war im Internet, in Szenerundschreiben und den sozialen Netzwerken eine Schlammschlacht auch über Gewalt in der Ehe entbrannt. Doch auch ohne die Erwähnung des Ehekriegs wurde anhand der Vorstrafen deutlich, dass Riefling die Delikte keinesfalls nur in einer »Sturm- und Drang-Zeit« begangen hatte.

So wurde der Neonazi 2011 in Wuppertal in erster Instanz wegen Landfriedensbruchs zu einer Geldstrafe von 2 600 Euro verurteilt. Im Januar desselben Jahres hatte er mit einer Gruppe von etwa 70 Neonazis vor einem Aufmarsch in Wuppertal Gegendemonstranten attackiert. Zudem wurde er 2012 und 2013 in drei Instanzen in Münster und Hamm wegen der Verwendung der an die SA angelehnten Losung »Alles für Deutschland, nichts für uns!« während eines Aufmarschs 2012 in Münster zu einer sechsmonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt.
Manchmal kommt Riefling aber offenbar auch ohne Schwierigkeiten davon. Der Mann, der von sich selbst sagt, er spreche ein »klares, deutliches Deutsch«, tat dies im August in Bad Nenndorf. Als Nazigegner dort einen Aufmarsch blockierten, tätigte er die Durchsagen der Versammlungsleitung und peitschte die versammelten Neonazis auf. Gegendemonstranten verdienten »den Knüppel«, polterte er und bot den Polizisten an, die er »unfähige Kretins« nannte, dass »alle wehrfähigen Männer« des Marsches die »Räumung höchstpersönlich durchführen« könnten. Für die Blockierer, deren Finger in einer Betonpyramide festgekettet waren, hatte er eine besondere Idee: Man solle ihnen doch die Finger abschneiden.