Dann lieber nackt

Es gibt keine schwarzen Hemden mehr! Dass in den großen Modegeschäften nicht mehr nach Warenkategorien, sondern ausschließlich nach Marken sortiert wird, dass es also keine Sektion »Jacken«, sondern nur mehr eine Sektion Levi’s, Tom Tailor et cetera gibt, ist bekannt. Konservative Menschen wie der Verfasser dieser Zeilen konnten sich aber immer noch darauf verlassen, dass in den guten alten Kaufhäusern, wo immer noch so etwas wie der Anschein einer Grundversorgung aufrechterhalten wird, gelegentlich noch im Sinne der »Herrenausstattung« gedacht wird und dementsprechend Hemden, Hosen und Schuhe in ausreichenden Zahlen, Farben und Größen vorgehalten werden. (Nebenbei: Hat eigentlich schon mal jemand darüber nachgedacht, warum die deutsche Größe »L« der französischen und italienischen Größe »XL« entspricht? Na?) Doch so, wie es keine Herren mehr gibt, zumindest keine mehr, die sich so nennen lassen wollten, so gibt es auch keine Herrenausstatter mehr, wenigstens keine, die man sich leisten könnte. Im Kaufhaus am Bahnhof Frankfurter Allee in Berlin, in welchem knapp zehn Boutiquen um die Kaufkraft des Kunden buhlen, gibt es weder schwarze noch weiße Hemden, ja gibt es überhaupt keine Hemden mit Kragen mehr. Dafür Tinnef, Pofel und Schnickschnack! Dem schwitzenden, über sechs Etagen purzelnden Kunden bleibt am Ende nur, im New Yorker ein seltsam tailliertes weißes Muskelhemd zu kaufen, das in irgendeiner Grabbelecke ein trauriges Dasein fristete – gefertigt noch dazu in Bangladesh, so dass zum Schweiß der eigenen Anstrengung noch das Blut der schneidernden Kinder am Körper zu kleben scheint. Die Entmündigung beginnt da, wo man sich schon gar nicht mehr anziehen darf wie ein Erwachsener.