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Mittwoch, 14.02.2024 / 19:31 Uhr

Interview: Palästinensische Aktivisten haben keine Plattform

Von
Gastbeitrag von Mohammed Altlooli

Slogan des Gaza Youth Movements Stuttgart, Bild: privat

Die Belltower News haben ein längeres Interview mit mir über die Lage in Gaza geführt:

 

Seit dem 7. Oktober 2023 und dem antisemitischen Massaker versuchen Anti-Israel-Aktivist*innen immer wieder den Hamas-Terror als palästinensischen „Befreiungskampf” umzudeuten. Diese erschütternde Indifferenz gegenüber dem eliminatorischen Antisemitismus der Hamas, ist gleichzeitig eine Entsolidarisierung mit progressiven Kräften in Gaza. Nachdem in den letzten Jahren wenig über Proteste in dem Küstenstreifen berichtet wurde, werden in den letzten Wochen immer wieder Proteste der Zivilbevölkerung gegen die Hamas sichtbar. 

Von Lea Wolters und Ahmad Alkhaled

 

Mohammed Altlooli ist politischer Aktivist aus Gaza. 2017 hat er im „Gaza Youth Movement“ Proteste gegen die Hamas mit angeführt. Seitdem er den Gazastreifen verlassen musste, klärt er über die Hamas auf und ermutigt die Zivilbevölkerung vor Ort, die Proteste fortzusetzen. Wir haben mit ihm über die verzerrte Wahrnehmung des 7. Oktobers und die reale Situation der Menschen in Gaza gesprochen.

Belltower.News: Wie interpretieren Sie den Terror vom 7. Oktober?
 

Mohammed Altlooli: Als erstes möchte ich allen betroffenen Israelis und Zivilist*innen in Gaza mein tiefes Mitgefühl aussprechen. Den Angriff am 7. Oktober habe ich vor allem als eine Ablenkung der Hamas von ihrem eigenen politischen Versagen wahrgenommen. Die Menschen im Gazastreifen merken schon lange, dass die Hamas sich nicht um die eigene Bevölkerung schert und keine Verantwortung für die existenziellen Bedürfnisse der Menschen übernimmt, wie zum Beispiel die ausreichende Versorgung mit Wasser und Elektrizität. Nachdem die Unzufriedenheit der Zivilbevölkerung durch Proteste immer sichtbarer wurde, hatte die Hamas verstärkt Interesse daran, von ihrer eigenen Verantwortung für die Situation im Gazastreifen abzulenken und sich als „Befreiungskämpfer” zu inszenieren.

Im Westen kommt das gut an. Wie erklären Sie sich diese Verklärung des Angriffs trotz des offensichtlich repressiven Regimes der Hamas in Gaza?

Das liegt unter anderem am Auftreten, der Sprache und  den Slogans, die die Hamas auf internationaler Ebene nutzt. Die Gruppe konnte international tatsächlich an Popularität gewinnen, weil Menschen auf ihre Propaganda hereinfallen. Auf innenpolitischer Ebene sieht das anders aus. Von der Annahme eines „Befreiungskampfes“ ist dort wenig zu sehen. Es ist schon lange deutlich, dass die Hamas nur im Sinne ihrer eigenen Machtinteressen agiert. Sie führt Stellvertreterkriege für das iranische Regime im Namen des palästinensischen Volkes, die nichts mit der Befreiung oder Autonomie der Bevölkerung im Gazastreifen zu tun haben. Ganz im Gegenteil haben auch schon die letzten drei Kriege, die die Hamas gegen Israel begonnen hat, zu nichts außer Schmerz, dem Verlust der eigenen Familien und weiteren Krisen geführt. Für die Hamas sind diese Kriege ein Geschäft. Sie profitiert vom Elend der Bevölkerung. Selbst in der aktuellen Situation, in der die Menschen an Hunger leiden, stiehlt die Hamas humanitäre Hilfsgüter.

Sie haben zuletzt im Januar in der Jungle World über die aktuellen Proteste im Gazastreifen gegen die Terrororganisation berichtet. In deutschsprachigen Medien ist darüber ansonsten wenig zu lesen.

Erst letzte Woche gab es Proteste in Khan Younis und Rafah. Männer, Frauen und Kinder forderten einen Waffenstillstand, die Freilassung der israelischen Geiseln und dass die Hamas ins Exil verschwindet. Ich denke, dass die Mehrheit der Bevölkerung in Gaza sie loswerden möchte.

Leider haben wir kritischen palästinensischen Aktivist*innen keine Plattform und keine Unterstützung von außen. Aufgrund der politischen Überwachung durch die Hamas gibt es in Gaza auch nicht wirklich zivilgesellschaftliche Organisationen, die man unterstützen kann. Wir sind auf uns alleine gestellt. Ich glaube jedoch weiterhin daran, dass es in der Hand der palästinensischen Bevölkerung liegt, sich der Hamas entgegenzustellen und sie zu vertreiben. Deshalb ist es mir in meinem Aktivismus auch wichtig, die Menschen im Gazastreifen weiter zu ermutigen, sich gegen die Hamas zu wehren und ein Sprachrohr für sie zu sein. Ich wünsche mir, dass auch mehr Menschen im Ausland die Proteste unterstützen und sichtbar machen. Meistens sieht man nur Bilder vom Elend aus Gaza. Nicht die Bilder des Zusammenhalts, der Liebe oder des Protests. Die Bilder des Elends verkaufen sich nunmal besser.

Wieso eigentlich?

Das ist eine komplexe Frage. Ich denke, das ist im Sinne der Hamas. Für sie ist das Elend der Palästinenser*innen ein Geschäft, von dem sie profitieren. Die Hamas steht auch für ein sehr eisernes Männlichkeitsideal des starken Märtyrers und Kämpfers. Sie wollen nicht, dass palästinensische Männer, die davon abweichen oder sich dem widersetzen, sichtbar werden. Im Übrigen ist das ironischerweise ein Ideal, dem die Hamas-Führung selbst nicht einmal gerecht wird. Sie treiben Menschen zum bewaffneten Kampf an, halten sich jedoch gleichzeitig selbst lieber in Sicherheit im Ausland auf, während ihr angebliches Volk in Gaza im Krieg getötet wird.

In den letzten Wochen ist die Kritik am israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen und dem Ziel, den Krieg so lange zu führen, bis die Hamas vernichtet wurde, immer lauter geworden.

Die Situation ist paradox, da die Existenz der Hamas in der Vergangenheit gut mit Netanyahus Interessen harmoniert hat. Der fortlaufende Krieg führt zu immer mehr Leid und Vertreibung und wird auf den Schultern der palästinensischen Zivilbevölkerung ausgetragen. Ich denke, dass es gerade Ähnlichkeiten zwischen der Lage der Israelis und der Lage der Bevölkerung in Gaza gibt. Auch in Tel Aviv gibt es immer wieder Demonstrationen gegen die ultrarechte Regierung. Meine Message an die israelische Zivilbevölkerung ist, dass genauso wie sie, auch viele Palästinenser*innen einfach in Ruhe leben und das Land in Frieden mit ihnen teilen wollen. Sie wünschen sich diesen Frieden nicht nur, sie brauchen ihn auch. Genauso wie die Menschen in Gaza weiter gegen die Hamas demonstrieren werden, hoffe ich, dass die Menschen in Israel auch weiterhin laut gegen ihre Regierung sind.

Als Aktivist haben Sie in Gaza mehrere Kriege und politische Rückschläge erlebt. Was lässt sie weiterhin hoffnungsvoll für eine friedliche Koexistenz der Menschen in Israel und Palästina bleiben?

Das Problem ist nicht, dass die Menschen vor Ort keinen Frieden wollen. Es geht darum, dass die Menschen in Gaza nur ein Spielball der Interessen des Iran und anderer Großmächte sind. Diese Regime interessieren sich nicht dafür, was die Menschen wirklich wollen. Palästinenser*innen stehen den machtpolitischen Interessen in der Region nur im Weg. Deswegen hoffe ich sehr darauf, dass Israelis und Palästinenser*innen irgendwann ohne Vermittlung von außen gemeinsam an einen Tisch kommen.

Obwohl ich aufgrund des Militäreinsatzes nach dem 7. Oktober meinen Vater und meine Stiefmutter verloren habe und meine Familie zu Schulen der UNRWA und in ein Flüchtlingscamp in Jabalya fliehen musste, trete ich in meinem Aktivismus nach wie vor überzeugt für Frieden zwischen Israelis und Palästinenser*innen ein. Ich halte diese Einstellung auch für keinen naiven Optimismus. Ich weiß, dass der Weg sehr steinig ist, aber die derzeitigen Proteste auf beiden Seiten zeigen, dass es sowohl Israelis als auch Palästinenser*innen gibt, die sich eine gemeinsame Zukunft ohne radikale politische Führer wünschen.

Wie sieht eine realistische Perspektive für den Gazastreifen nach dem Krieg aus?

Sicher ist, dass die Menschen im Gazastreifen, solange sie kein normales Leben führen können, weiterhin gegen die Hamas protestieren werden, auch wenn ihre Mittel schwach sind. Immer mehr Palästinenser*innen haben keine Angst mehr vor der Hamas. Ich denke, dass vielen Menschen im Gazastreifen eine zivile Verwaltung der Israelis als Übergangslösung sicherlich lieber wäre als die Fatah oder die Hamas. Schließlich ist die israelische Regierung im Gegensatz zur Hamas an internationales Recht gebunden und müsste eine Versorgung der Bevölkerung mit den notwendigsten alltäglichen Dingen sicherstellen. In der Vergangenheit hat sich deutlich gezeigt, dass weder die korrupte Fatah noch die Hamas zukunftsfähige Optionen sind. Das palästinensische Volk muss seinen politischen Repräsentanten für ein würdevolles Leben in Freiheit noch finden. Solange befürworte ich jede Verwaltung, die die knapp zwei Millionen Zivilist*innen in Gaza glaubhaft unterstützt und ihre existenzielle Versorgung sicherstellt. Die aktuellen Zustände in Gaza und das Fehlen einer zeitnahen Vision für einen Waffenstillstand erschöpfen die Menschen vor Ort und bringen sie ans Ende ihrer Kräfte. Deswegen hat der Schutz dieser Menschen und ihre Unterstützung für mich persönlich absolute Priorität.

Samstag, 27.01.2024 / 09:34 Uhr

Proteste in Gaza gegen Hamas und für Beendigung des Kriegs gegen Israel

Von
Gastbeitrag von Mohammed Altlooli

Demonstration in Gaza, Bildquelle X (vormals Twitter)

Dutzende palästinensischer Kinder haben am Mittwoch in Deir al-Balah im Zentrum des Gazastreifens gegen die Hamas protestiert.

 

Die Jugendlichen forderten die Terrororganisation auf, die israelischen Geiseln freizulassen und den Krieg zu beenden. Vor dem Al-Aqsa-Märtyrer-Krankenhaus in Deir al-Balah hielten die Kinder weiße Zettel mit der Aufschrift »Ja zur Rückgabe der Geiseln« und »Das Volk will den Krieg beenden« in die Höhe und äußerten den Wunsch, in ihre Häuser im nördlichen Gazastreifen zurückzukehren.

Dabei riefen die Demonstranten Slogans wie »Das Volk will den Krieg beenden! Wir setzen unser Vertrauen in Allah, er ist unser bester Unterstützer! Wir wollen keine Lebensmittelgutscheine! Wir wollen leben!« Eine Frau beklagte sich, in Zelten leben zu müssen. »Wir ertrinken. Wir sind am Sterben. Wir wollen zurück in unsere Häuser! Schluss damit! Schluss damit! Jemand sollte sich um uns kümmern. Das Volk ist das Opfer.«

Während die Hamas einfach schlafe und nichts über die Sorgen der Menschen in Gaza wisse, treffe der Krieg genau diese einfachen Leute, erklärte die Frau, während die Demonstranten »Wir wollen zurück nach Hause, nach Beit Lahia! Wir wollen zurück nach Hause, nach Al-Shati! Wir wollen zurück nach Hause, nach Jabalia! Lasst uns in Ruhe!« riefen.

»Werden diese Rufe und Forderungen die Verstecke der Hamas-Führer erreichen?«, kommentierte der arabische Sprecher der israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF), Avichay Adraee, die Bilder auf X. »Die Bewohner des Gazastreifens fordern, dass die Hamas, die ihnen am 7. Oktober Süßigkeiten schenkte, den der Bevölkerung aufgezwungenen Krieg beendet«, schrieb Adraee dazu und postete am Donnerstagmittag ein Video von Männern, die protestierend durch die Straßen des Gazastreifens ziehen.

 

 

Kriegsmüde Bevölkerung

Der Protest fand einen Tag nach einer weiteren kleinen Demonstration gegen die Hamas in der im Süden des Gazastreifens an der ägyptischen Grenze… liegenden Stadt Rafah statt. Auf Videos, die in den sozialen Medien kursierten, waren Palästinenser zu sehen, die die Hamas und ihren Führer Yahya Sinwar verfluchten, der für das Massaker vom 7. Oktober an Israelis nahe der Grenze zum Gazastreifen und damit für den Krieg verantwortlich ist.

Und auch einen Tag später kam es am Donnerstag zu weiteren Protesten. In den sozialen Medien veröffentlichtes Filmmaterial zeigt eine große Menge Palästinenser, die in den Straßen von Khan Younis demonstrieren und Premierminister Benjamin Netanjahu und Hamas-Führer Yahya Sinwar auffordern, den Krieg in Gaza zu beenden. «Das Volk will einen Waffenstillstand! Netanjahu und Sinwar, wir wollen einen Waffenstillstand. Genug mit dem Krieg und genug mit der Zerstörung«, rufen sie in Sprechchören.

Während Aufrufe zur Waffenruhe, die sich an Israel richten, üblich sind, sind Aufrufe von Palästinensern in Gaza, die sich an Sinwar richten, weitaus seltener. Während in dem gestrigen Clip vor allem Frauen und Kinder protestierten, waren es in dem heutigen Clip vor allem Männer – ein mögliches Zeichen dafür, dass die Unzufriedenheit wächst.

»Außer einzelnen Palästinensern in Gaza, die ihre Stimmen bereits hin und wieder öffentlich gegen die Hamas-Regierung in der Enklave erhoben haben, sind dies – soweit bekannt – seit dem Ausbruch des Krieges am 7. Oktober die ersten Proteste, die Hamas kritisieren und ein Ende des Konflikts verlangen«, schrieb die Jüdische Allgemeine über die in den vergangenen Tagen stattgefunden habenden Demonstrationen.

 

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch

Freitag, 04.08.2023 / 23:00 Uhr

Al Jazeera: Fake News über Anti-Hamas-Demonstrationen in Gaza

Von
Gastbeitrag von Mohammed Altlooli

Bildquelle: Screenshot Al Jazeera

Wie schon vor zehn Jahren bei seiner Berichterstattung über die ägyptischen Unruhen steht der katarische TV-Sender al Jazeera erneut allen Protestbewegungen feindlich gegenüber, die vom Programm der Muslimbruderschaft abweichen.

 

In Fortsetzung seiner Strategie, die Muslimbruderschaft zu unterstützen und jede Opposition gegen diese kleinzureden, berichtet der katarische Satellitensender Al Jazeera verfälscht über die jüngste Protestwelle in Gaza, wo die Menschen gegen die Hamas, den palästinensischen Ableger der Bruderschaft, auf die Straße gehen. 

Diese Strategie konnte man schon zwischen 2011 und 2013 in Ägypten beobachten, als Al Jazeera wohlwollend über Demonstrationen zur Unterstützung der Muslimbruderschaft berichtet hatte, während es den Protesten, die zum Sturz von Präsident Mohammed Mursi führten, kritisch bis ablehnend gegenüberstand. Das Ganze wiederholt sich nun bezüglich Gaza, wo Al Jazeera auf der Seite der Hamas steht und mit einseitigen Berichten versucht, deren Image aufzupolieren, um der antiisraelischen Terrororganisation arabische und internationale Sympathien zu verschaffen. Und erneut steht der katarische Sender allen Protestbewegungen feindlich gegenüber, die vom Programm der Muslimbruderschaft abweichen.

Propaganda gegen Aktivisten

So betreibt das Medienunternehmen Propaganda gegen unabhängige arabische Aktivisten und Oppositionsbewegungen, indem es mit seiner verzerrten und fabrizierten Berichterstattung versucht, die Öffentlichkeit zu täuschen und zu einer Annäherung an die Gruppen der Muslimbruderschaft zu bewegen. In Bezug auf Gaza etwa werden die Demonstrationen gegen die von der Hamas zu verantwortenden miserablen Lebensbedingungen als Demonstration zur Unterstützung für die Hamas und deren »Widerstand« gegen Israel und dessen Teilblockade des Küstenstreifens dargestellt. 

Tatsächlich fanden diese Demonstrationen statt, um die Herrschaft der Hamas anzuprangern, der Wut auf sie Ausdruck zu verleihen und ihren Rücktritt zu fordern, damit den Menschen in Gaza endlich jene Menschenrechte zurückzugeben werden, die ihnen von der Terrororganisation und anderen, dem »Widerstand« zugeordneten Gruppen, geraubt wurden. Dieser Protest ist es auch, den Al Jazeera versucht, als Unterstützung für die Hamas in Gaza zu vermarkten.

Nicht zuletzt deshalb sind viele Menschen in Gaza, aber auch der Westbank, der Meinung, der Sender sollte in den Palästinensergebieten geschlossen werden, weil er ihnen in den Rücken fällt, ihre Rechte missachtet oder gar verletzt und die Opfer der Hamas ignoriert; ja, der Terrororganisation gar bei der Unterdrückung von Gegnern zur Seite steht. 

Palästinensische Aktivisten wollen deswegen nun eine Kampagne starten, um von der Autonomiebehörde die Schließung der Al-Jazeera-Büros zu fordern. Zugleich rufen sie dazu auf, die Proteste in Gaza fortzusetzen. Dazu haben sie neue Demonstrationen angekündigt, um gegen die hohen Lebenshaltungskosten und Hamas-Steuern sowie gegen die permanenten Stromausfälle zu demonstrieren. Nachdem während der letzten Protestrunde am vergangenen Wochenende schon Tausende Menschen auf der Straßen waren, hoffen die Aktivisten darauf, dass sich diesmal noch mehr Menschen daran beteiligen, weil die sich bloß aus der Furcht vor Repressionen hervorgerufene moralische Stärke der Hamas einen Riss bekommen habe und geschwächt worden sein könnte.

 

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch

Sonntag, 30.07.2023 / 21:11 Uhr

Gaza: Zorn auf die Hamas

Von
Gastbeitrag von Mohammed Altlooli

Protest gegen die Hamas, Bildquelle: Twitter

Nachrichten aus Gaza, wo sich die Wut der von der Hamas regierten Bevölkerung erneut artikuliert.

 

Am Donnerstagmorgen haben die Sicherheitsdienste der Hamas mit einem Bulldozer der Stadtverwaltung von Khan Younis das Haus von Shadi Abu Qutah ohne vorherige Ankündigung oder Warnung abgerissen. Dabei kam der fast 40-Jährige, der sich gerade in seinem Haus befand, ums Leben.

In der Erklärung der Familie des Verstorbenen wurde die Hamas für die Ermordung ihres Sohnes verantwortlich gemacht und Vergeltung von denjenigen gefordert, die an ihr beteiligt waren. Menschenrechtsorganisationen verurteilten diesen Vorfall auf ihren Websites.  Nachdem in der Folge eine Welle der Wut gegen die Stadtverwaltung und das Vorgehen der Hamas, das die Menschen im Gazastreifen seit Jahren ablehnen, aufgebrandet war, wurde von der Stadtverwaltung der Rücktritt des Direktors und des technischen Personals angekündigt.

 

Die Wut wächst

Der Wut der Gaza-Bewohner aber wächst mit jedem Tag, an dem die Bevölkerung in ihren Grundbedürfnissen eingeschränkt ist und nicht einmal mehr über die grundlegenden Mittel des täglichen Lebens verfügt. Schon jetzt finden sich die ersten Menschen auf den Straßen und Plätzen von Gaza ein, um gegen ihre miserable Lage zu protestieren.

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Auch heute fanden erneut Proteste in Gaza statt, Bildquelle: Screenshot aus der Times of Israel

 

Der in den sozialen Medien ausgedrückte Zorn der Bevölkerung erinnert an die Zeit vor den Protesten unter der Führung des Gaza Youth Committee ab dem Jahr 2017 und wird von denselben Aktivisten angeführt, deren Exodus die Hamas verursacht hat und die jetzt in europäischen Ländern und außerhalb des Gazastreifens leben. 

Während der Beerdigung von Shadi Abu Qutah im Stadtzentrum von Khan Yunis skandierten die Menschen »Schiiten, Schiiten, Schiiten« als Euphemismus für die Unterstützung, welche die Islamische Republik Iran der Hamas gewährt, der die Demonstranten entgegenrufen, dass sie ungerechte Herrscher sind. 

 

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch

Montag, 24.04.2023 / 19:34 Uhr

Tod in Gaza

Von
Gastbeitrag von Mohammed Altlooli

Bildquelle: Rawpixel.com

Kritik an iranischer Einflussnahme und an der Hamas bezahlte ein Prediger im Gazastreifen mit dem Leben.

 

In Rafah im südlichen Gazastreifen ist in einem Gefängnis der Prediger Mohammed al-Sufi zu Tode gekommen, während er von Mitgliedern der Hamas-Sicherheitsdienste verhört und misshandelt wurde. Die Hamas hatte den Dreiundvierzigjährigen beschuldigt, sich in seinen Freitagspredigten gegen die Einmischung des Irans ausgesprochen und der Hamas vorgeworfen zu haben, für die schlechten Zustände und die Armut im Gazastreifen verantwortlich zu sein. Laut al-Sufis Sohn sei sein Vater verhaftet und geschlagen worden, kurze Zeit später wurde sein Tod bekannt gegeben.

Die Familie al-Sufis veröffentlichte eine Erklärung, in der es hieß, Scheich Mohammed al-Sufi sei willkürlich und ohne jede rechtliche Grundlage verhaftet worden. Dass er zwei Stunden nach seiner ungerechtfertigten Verhaftung gestorben ist, spreche dafür, dass er in dieser kurzen Zeit schwerer Folter ausgesetzt gewesen sein muss, die zu seinem Tod geführt hat. Der Clan macht zur Gänze die Hamas-Regierung für den Vorfall verantwortlich und fordert, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden und ein Untersuchungsausschuss eingesetzt wird, der die Umstände des Todes von al-Sufi in der Polizeistation von Rafah klären soll.

Fadenscheinige Erklärung

Das Innenministerium in Gaza hatte eine Erklärung herausgegeben, in der es hieß, Muhammad al-Sufi sei am Donnerstag in den frühen Morgenstunden an einer plötzlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands gestorben, nachdem er von der Polizei wegen des Verdachts auf eine Straftat verhaftet worden war. Er sei sofort in ein Krankenhaus gebracht worden, dort aber verstorben. Das Ministerium wolle eine Untersuchung über die Todesursache einleiten.

Im Gazastreifen wurden in den letzten zehn Jahren immer wieder Stimmen gegen die iranische Einmischung laut, die von der Hamas-Führung allerdings ignoriert werden. Anders als der Großteil der Bevölkerung Gazas genießt die Hamas-Spitze einen hohen Lebensstandard, den sie auf Kosten der von ihr unterworfenen Menschen aufrechterhalten kann.

Die Proteste richten sich oftmals in erster Linie nicht gegen die Hamas an sich, sondern vielmehr gegen diejenigen in der Region, die den Gazastreifen immer wieder in den Krieg mit Israel hineingezogen haben. Viele können nicht verstehen, weshalb ihre Kinder in einem Kampf sterben sollen, den der Iran auf ihrem Rücken gegen Israel führt.

 

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch

Dienstag, 04.04.2023 / 16:34 Uhr

Fischer in Gaza in der Krise

Von
Gastbeitrag von Mohammed Altlooli

Boote im Hafen von Gaza, Bildquelle: Mahmoud NavashWikimedia Commons

Gazas Fischer geben die Schuld an ihrer tristen Lage nicht Israel, sondern der Hamas, die ihnen das Wenige raubt, das sie noch zum Leben haben.

 

Mohammed Matar ist siebenundzwanzig Jahre alt. Geboren und aufgewachsen ist er im Al-Shati-Flüchtlingslager im nördlichen Gazastreifen. Seit dem Jahr 2005 arbeitet er in den Gewässern vor der Küste als Fischer und versucht auf diesem Weg, seine Familie über Wasser zu halten. Wohlhabend war die große Mehrheit der Bevölkerung Gazas noch nie, aber seit die islamistische Hamas 2007 die Macht im Küstenstreifen übernommen hat, hat sich die Lage der Menschen noch einmal massiv verschlechtert. Dafür sind nicht zuletzt die Steuern verantwortlich, die auf unbedingt benötigte importierte Güter eingehoben werden.

Als Fischer ist Mohammed in die Fußstapfen seines Vaters getreten, der mehr als dreißig Jahre lang als Fischer zur See gefahren ist. Eine andere Möglichkeit zum Bestreiten seines Lebensunterhalts hat Mohammed nicht gesehen – die Arbeitslosigkeit ist hoch, und irgendwo muss das Geld ja herkommen, mit dem er für die Kosten seines Hauses aufkommen und seiner Familie ein menschenwürdiges Leben finanzieren kann.

Mit seiner Arbeit kommt Mohammed aber kaum über die Runden – und wie viele andere Fischer im Gazastreifen auch, macht er die Hamas für seine schlechte Lage verantwortlich, weil diese die Fischer mit hohen Steuern belastet. Die Hamas gibt der israelischen Blockade die Schuld und argumentiert, dass sie die Steuereinnahmen brauche, um die öffentlichen Dienste zu finanzieren, die sie als herrschende Macht im Gazastreifen organisiere.

Ein Argument, das Mohammed und seine Kollegen nicht gelten lassen. Wenn schon die Last durch die angebliche Blockade so schwer wiege, warum lasse die Hamas sie dann nicht wenigstens mit dem Wenigen auskommen, das sie mit dem Fischfang verdienen können?

»Ich bin Fischer in dritter Generation«, sagt Mohammed. Es sei eine schwere Arbeit, aber die vielen Stunden auf See seien nun einmal das Einzige, wovon er und seine Familie leben könnten – wenn da nicht die »Schikanen der Regierung durch die Steuern« wären, die ihm und seinen Kollegen auferlegt werden und die ihnen auch noch den geringen Verdienst aus der mühsamen Plackerei rauben, den sie zum Leben brauchen. »Wenn sie keine anderen Arbeitsplätze zur Verfügung stellen können, sollen sie uns wenigstens von unserer Arbeit leben lassen.«

Mohammed ist mit seinen Klagen über die Hamas nicht allein. Viele denken wie er, aber öffentlich Kritik zu äußern, ist gefährlich. Davon kann Rahim Bakr ein Lied singen. Auch er stammt aus dem Al-Shati-Flüchtlingslager, auch er ist Fischer. Dass er sich lautstark über die niederdrückenden Belastungen durch die Hamas beschwerte, brachte ihm sogleich einige Zeit in einer Zelle und Verhöre durch den Sicherheitsdienst der Hamas ein. Erst vor kurzem wurde er wieder freigelassen, aber er weiß, dass er wegen seines »verdächtigen« Verhaltens unter Beobachtung steht.

Momentan, so erzählt Mohammed, kann er nicht hinaus aufs Meer fahren. Sein kleines Boot, die Hasakah, ist kaputt gegangen, doch trotz all seiner Bemühungen ist es ihm nicht gelungen, es selbst zu reparieren. Er braucht dringend Unterstützung, die es ihm ermöglichen würde, seine Arbeit wieder aufzunehmen. Woher diese kommen soll, weiß Mohammed nicht. Nur eines weiß er: Von der Hamas wird sie nicht kommen.

 

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch

Freitag, 17.03.2023 / 22:38 Uhr

Immer mehr Menschen fliehen aus Gaza

Von
Gastbeitrag von Mohammed Altlooli

Bildquelle: Pixabay

In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Asylbewerber, die vor der Hamas aus dem Gazastreifen nach Europa flüchten, stark gestiegen.

 

Die Palästinenser, die aus dem Gazastreifen kommen, hoffen, in Europa nicht nur einen geschützten Ort zu finden, an dem sie vor den Drangsalierungen durch die Hamas geschützt sind, sondern auch der wirtschaftlichen Krise ihrer Heimat zu entkommen und Sicherheit finden zu können – eine Hoffnung, die allzu oft enttäuscht wird.

So berichten viele davon, dass die Asylverfahren in Europa von Land zu Land verschieden sind und bei der Prüfung der Anträge nicht eindeutig vorgegangen wird. Zugleich erhalten Hunderte Asylbewerber einen Ablehnungsbescheid mit der Begründung, ihr Herkunftsort habe nicht den Status eines Staates, weshalb sie als »staatenlos« oder »heimatlos« einzustufen seien. Wieder andere erzählen, ihr Antrag sei ohne Angabe von Gründen abgelehnt worden.

Der 32-jährige Ramzi beschreibt seine schlechte Situation in Europa, nachdem er sich entschlossen hatte, den Gazastreifen zu verlassen. Aufgrund der großen Anzahl an Krisen, die dort herrsche sowie dem völligen Fehlen von Rechtssicherheit und sozialer Absicherung sei ihm nichts anderes übriggeblieben, als in Europa Asyl zu suchen: »Wir suchten das Europa, von dem wir träumten, dass es uns ein anständiges Leben und einen sicheren Ort bieten würde, den wir in Gaza verloren hatten, und kamen schließlich in Deutschland an«, wo man ihm erklärt habe, er sei »heimatlos«.

Ramzi erzählt, die deutschen Behörden hätten seinen Antrag unter dem Vorwand abgelehnt, die Situation in seinem Land sei sicher, während der Staat ihm zugleich beschied, dass er ohne Heimat sei und kein Land habe. Mittlerweile wurde ihm mitgeteilt, dass er abgeschoben werden soll, sagt Ramzi und weist darauf hin, dass es Hunderte Asylbewerber gebe, denen es genauso gehe und nicht wissen, wohin sie nun nach all dem Leid, das sie bei ihrer Flucht und Ankunft in Europa erfahren haben, kommen werden.

Warten auf Aufenthaltsrecht 

In einer Erstaufnahmestelle in der belgischen Hauptstadt Brüssel erzählt der 28-jährige Hassan Shublak, er sei aufgrund der schwierigen Lebensbedingungen, die wegen der Herrschaft der Hamas und der aufgrund des Terrors verhängten israelischen Blockade aus dem Gazastreifen geflohen und habe sich auf den Weg Richtung Europa gemacht.

Nach einer zweimonatigen, beschwerlichen Reise sei er in Brüssel angekommen und habe dort »die Prozedur der Identifikation und des Fingerabdrucknehmens im ersten Aufnahmezentrum abgeschlossen«. Danach habe er erfahren, dass es zwei Monate dauern würde, bis er einen Termin für sein Erstgespräch in Anspruch nehmen könne. »Sie sagten mir, ich solle gehen und zum Zeitpunkt des Vorstellungsgesprächs wiederkommen, und nein, es gäbe keinen Platz zum Schlafen außer auf der Straße. Ist das Europa?«

Auch wenn er der Ansicht ist, es wäre immer noch besser, nach Europa zu kommen, als in Gaza unter der Herrschaft der Hamas und der Blockade Israels zu leben, erweckt die Behandlung, die er in Europa erfahren musste, doch große Wut in Hassan, der meint, die schlimmste Zeit sei die des langen Wartens auf eine Antwort des Staates auf seinen Asylantrag.

Das sei nicht nur in Belgien der Fall, sondern in allen europäischen Ländern, wo Palästinenser darunter leiden, dass sie ungeachtet der internationalen Abkommen, die von allen dieser Staaten unterzeichnet wurden und verbindlich sind, immer noch einen Sonderstatus haben: Wir sprechen hier von Flüchtlingen im Allgemeinen, die aus ihren Ländern entweder vor Krieg, Armut oder Tyrannei geflohen sind. Was die palästinensischen Flüchtlinge betrifft, so sind sie in einer besonderen Situation, weil sie keinen Staat haben und daher auch keine »staatliche Verfolgung« geltend machen können.

Wenn zum Beispiel ein Palästinenser aus dem Gazastreifen kommt, gilt er dann als ›aus Palästina weggegangen‹? Oder hat er dieses geografische Gebiet verlassen, eben weil die politische Situation dort so unklar ist und es keinen souveränen Staat gibt? Wegen dieser Fragen befinden sich Palästinenser weltweit in einer Ausnahmesituation, und die europäischen Länder können den Asylantrag des Palästinensers unter humanitären Gesichtspunkten prüfen, ohne ihn unter politischen Aspekten zu behandeln, wie es im »Wiener Abkommen« vorgesehen ist.

Palästinenser erhalten also in der Regel kein politisches Asyl, sondern nur eine humanitär begründete Aufenthaltsgenehmigung, da sie aus einem unklar definierten Herkunftsgebiet kommen, das nach europäischen Definitionen keinen Staat darstellt, was bedeutet, dass sie anders behandelt werden als Flüchtlinge, die zuvor Bewohner eines souveränen Staates waren.

Trotzdem können sie nun ihre Meinung frei äußern, und diese Freiheit ist qua Verfassung garantiert und geschützt. So hat eine große Anzahl von Aktivisten, die aus Gaza geflohen sind, inzwischen Profile und Seiten auf Kommunikationsplattformen erstellt und begonnen, ihre Stimme gegen die Hamas-Diktatur zu äußern, ohne Angst vor Verfolgung haben zu müssen, sagt der eingangs zitierte Ramzi: »In Belgien kann ich endlich schreiben und meine Stimme erheben und mich gegen die Hamas stellen, ohne um mein Leben zu fürchten oder von der Hamas verhaftet zu werden.«

 

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch

Sonntag, 06.11.2022 / 21:25 Uhr

Repression der Hamas in Gaza geht weiter

Von
Gastbeitrag von Mohammed Altlooli

Bildquelle: IDF

Der Fall eines kürzlich inhaftierten 69-jährigen kranken Mannes belegt die Brutalität der Unterdrückung freier Meinungsäußerung im Gazastreifen.

 

Wer die Hamas und diejenigen, die sie finanzieren, öffentlich kritisiert, wird im Gazastreifen ins Gefängnis gesteckt. So erging es zuletzt Nahed al-Jaafari, der am Montag, den 31. Oktober, festgenommen wurde, weil er auf seiner privaten Internetseite eine Karikatur des kürzlich verstorbenen Scheich Yusuf Al-Qaradawi veröffentlicht hatte, des spirituellen Führers und Vordenkers der Muslimbruderschaft, deren palästinensischer Ableger die Hamas ist. Dafür wurde al-Jaafari von den Sicherheitskräften der Hamas vorgeladen und von der Staatsanwaltschaft auf Grundlage einer gegen ihn eingereichten Beschwerde für 48 Stunden in Gewahrsam genommen.

Menschenrechtsorganisationen, die seine Festnahme verfolgten und deren Gründe öffentlich gemacht hatten, konnten ihn am 1. November in der Polizeistation von Al-Abbas besuchen, um ihm Rechtsbeistand zu leisten und seinen Gesundheitszustand zu überprüfen. Al-Jaafari ist 69 Jahre alt und leidet an mehreren Krankheiten wie Diabetes, Leberverhärtung und einer vergrößerten Milz.

In einem Schreiben an den Generalstaatsanwalt von Gaza, Muhammad al-Nahal, wurde schließlich seine sofortige Freilassung gefordert. »Die Festnahme und Inhaftierung von al-Jaafari verstößt gegen das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung, das gemäß dem palästinensischen Grundgesetz und internationalen Konventionen, die Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung vorsehen, garantiert wird.«

Es stehe zu befürchten, dass die Vorgehensweise der Hamas und die mit ihr verbundenen Einschränkungen »darauf abzielen, die Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung einzuschränken«. Außerdem wies das Schreiben darauf hin, »dass es sich bei den veröffentlichten Karikaturen um ursprünglich auf Social-Media-Seiten erschienenen Bilder handelt, die nicht von Nahed al-Jaafari selbst entworfen wurden, und die er zwei Stunden nach ihrer Veröffentlichung gelöscht hat«.

Die unterzeichnenden NGOs forderten nicht nur den Generalstaatsanwalt auf, den Verhafteten sofort freizulassen, sondern betonten auch, dass die Staatsanwaltschaft Taten im Internet nur innerhalb der Grenzen von strafrechtlich relevanten Vergehen untersuchen und diese Untersuchungen nicht derart ausweiten dürfe, dass dadurch das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung eingeschränkt werde.

Verfolgung auch in Europa

Ungeachtet dessen verfolgen die Machthaber in Gaza weiterhin ihre Gegner und bedrohen sie öffentlich, um ihre öffentliche Kritik zu unterbinden. So hob das NGO-Schreiben die Tatsache hervor, »dass Cyber-Aktivisten der Hamas« nicht nur versuchen, Oppositionelle, die von außerhalb Gazas die Hamas-Politik kritisieren, durch die Verbreitung von Gerüchten und Verleumdungen mundtot zu machen, sondern dass sie auch explizite Drohungen ausgesprochen haben, Gegner zu töten, die in Europa Asyl suchen.

Darüber hinaus fand unlängst eine Demonstration in Brüssel statt, die von Institutionen organisiert wurde, die sich selbst als Unterstützer der »palästinensischen Sache« bezeichnen und den terroristischen Organisationen Volksfront für die Befreiung Palästinas, »Höhle der Löwen« und eben der Hamas nahestehen. Dass auf dieser Demonstration neben Vernichtungsaufrufen gegen Israel auch Gesänge und Sprechchöre zu hören waren, in denen die Hamas-Führer Muhammad Al-Deif und Yahya Al-Sinwar gefeiert wurden, veranlasste aus Gaza stammende Anti-Hamas-Aktivisten dazu, die belgischen Behörden über die Aktivitäten dieser Organisationen zu informieren, die sie als Unterstützer des Hamas-Terrors in Gaza charakterisierten.

So schrieb etwa Amjad Koush auf Twitter, man müsse sich den Organisatoren dieser Demonstration entgegenstellen, welche die Herrschaft der Hamas feiern, durch die der Gazastreifen so viele Tragödien erlebt habe. »Anstatt den Prozess für die Hamas-Führer zu fordern, gehen sie auf die Straße, um ihre Namen zu skandieren!«

 

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch

 
Donnerstag, 14.07.2022 / 14:22 Uhr

Immer mehr Selbstmorde in Gaza

Von
Gastbeitrag von Mohammed Altlooli

Im Gazastreifen treiben die steigende Arbeitslosigkeit, die darniederliegende Wirtschaft und die repressive Herrschaft der Hamas immer mehr vor allem junge Menschen in den Selbstmord.

 

Als Ahmed nach einem langen Tag, an dem er stundenlang an seinem Stand gestanden und, Kaffee zubereitet und verkauft hatte, in sein Haus zurückkehrte, überlegte er, was er tun könnte, um seinen Umsatz steigern zu können. Der 23-Jährige hatte einen Universitätsabschluss, wie viele junge Menschen, die sich eine Zukunft in Gaza erhoffen, die doch nie eintrifft.

Ahmed nahestehende Personen sagten, dass er einen Tag vor seinem Selbstmord erzählte, die Hamas wolle den Stand, dem er seinen Lebensunterhalt verdankte, entfernen, weil er nach Angaben der Hamas die Gemeinde verunstalte. Ahmed war frustriert und wusste nicht, was er tun soll, um den Streit mit der Stadtverwaltung zu beenden.

Am nächsten Morgen ging Ahmed wieder an die Arbeit, seinen Stand zu betreiben – doch schon in den ersten Momenten, in denen er Kaffee für die Passanten zubereitete, kam die Gemeindepolizei, verstärkt durch Militär, um den Stand zu entfernen, der Ahmeds einzige Einnahmequelle war.

An dem Tag, an dem die Hamas seinen Lebensunterhalt zerstört hatte, kehrte Ahmed voller Frustration in sein Haus zurück – und sah keine andere Wahl.

Keine Perspektive

Wie jeder junge Mann in Gaza suchte er nach einer Einkommensquelle im Gazastreifen, der von wirtschaftlichen Krisen heimgesucht wird, die durch die Herrschaft der Hamas verursacht werden, die nach ihrem Putsch gegen ihren politischen Gegner von der Fatah den Gazastreifen mit militärischer Gewalt regiert.

Seit 2007 leben die Menschen im Gazastreifen ohne Rechte. Eine kollabierende Wirtschaft, fehlende Arbeitsmöglichkeiten und die hohen Steuern, die die Hamas vom Grund- und Immobilieneigentum der Bevölkerung sowie von Lebensmitteln und Getränken erhebt, haben dazu beigetragen, die Belastungen der Bürger im Gazastreifen zu erhöhen.

Seitdem leben die ohne jede Hoffnung auf Freiheit. Die von Israel wegen des Hamas-Terrors verhängte (Teil-)Blockade und die Korruption der Regierung drängen die Menschen dazu, vor der Realität zu fliehen, die sie nicht ändern können. In den Jahren 2017 und 2019 hat die Bevölkerung es zwar versucht und gegen die Hamas protestiert, doch wurde der Protest mit harter Hand niedergeschlagen.

All dies hat dazu beigetragen, die Gemüter zu zermürben und die am meisten von Ungerechtigkeit Betroffenen, in noch nie dagewesener Zahl in den Selbstmord zu treiben. Vor gar nicht allzu langer Zeit war Selbstmord bloß ein als inakzeptabel angesehene Anomalie in der palästinensischen Gesellschaft, die von Clans und Stämmen regiert und von einer religiösen Kultur beherrscht wird, die solche Taten verbietet: jene, die sie begehen, landen in der Hölle, es sei denn, sie bringen im Zuge ihres Selbstmordes noch ein paar Israelis um und gelten dann als »Märtyrer«.

Jahrzehntelang war Selbstmord nahezu unbekannt und wurde von so gut wie niemandem begangen. Das änderte sich erst, als wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen immer schlechter und unerträglicher wurden. Im Jahr 2022 verzeichnete der Gazastreifen große Zahlen an Suiziden und die Zahlen, die von Analysten genannt werden, sind beängstigend.

Drohende Epidemie

Nach dem Selbstmord von Ahmed organisierten die Aktivisten Kampagnen über Social-Meida-Plattformen, in denen dieses Verhalten der Jugendlichen verurteilt und sie aufgefordert wurde, zu demonstrieren, um ihre Rechte einzufordern – als Alternative zum Selbstmord.

Seit 2019 gibt es jedoch eine Welle von Selbstverbrennungen in Gaza, bei denen sich junge Menschen selbst in Brand setzen, um die Aufmerksamkeit der palästinensischen Politiker auf sich zu ziehen, von denen sie sich im Stich gelassen fühlen.

Psychiater machen dafür neben der Wirtschaftkrise auch die periodisch wiederkehrenden, von der Hamas angezettelten Kriege verantwortlich, die das psychische und physische Wohlbefinden der Bevölkerung beschädigt haben. Ärzte warnen, dass die Selbstmorde zu einer Art Epidemie werden könnten, die die gesamte Gesellschaft trifft und sagen, dass Männer und Frauen aller sozialen Schichten von dem Phänomen betroffen sind.

So wird berichtet, dass sich kürzlich ein 16-jähriges Mädchen und ein gleichaltriger Junge erhängt haben. Unter den Toten sind nicht nur Männer, die verzweifelt sind, weil sie ihre Familien nicht mehr ernähren können. Angesichts der katastrophalen Lage der Bevölkerung, der extremen Armut und der Überbevölkerung sagen selbst Frauen oft, dass sie keine Kinder in dem verarmten Leben im Gazastreifen in die Welt setzen wollen.

 

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch

Montag, 28.03.2022 / 11:07 Uhr

Kommunalwahlen in der Westbank und die Reaktionen in Gaza

Von
Gastbeitrag von Mohammed Altlooli

Vor einem Wahllokal in der Westbank, Bildquelle: Twitter



Jahrelang gab es keine Wahlen für den palästinensischen Legislativrat. 2006 gewann die Hamas die Wahlen mit 76 von 132 Sitzen und übernahm im darauffolgenden Jahr mit Gewalt die Macht in Gaza, ein Putsch, den kein Palästinenser je wird vergessen können.

Aber die Hoffnung auf Demokratie ist keineswegs aus dem Leben der Palästinenser verschwunden, insbesondere der Bewohner des Gaza-Streifens, die danach streben, endlich in freien Wahlen für Veränderung ihrer hoffnungslosen Situation zu sorgen.

Mit mehr als 53 % gaben gestern die palästinensischen Wähler in den Städten im Westjordanland ihre Stimme ab, um Gemeinderäte zu wählen. Einige Analysten waren der Meinung, dass dieser Prozentsatz nicht ausreiche, aber in einem Klima voller Probleme und fehlender politischer Stabilität, erscheint er eher als ein positives Zeichen. Allerdings war das Ergebnis ganz sicher nicht, wie die Führung der Fatah erklärte, ein Sieg von Mahmoud Abbas, der nun auch seit Jahren ohne Neuwahlen reagiert. Denn auch die Fatah ist in drei Listen gespalten, die anderen sind von seinen innenpolitischen Gegnern Mohammad Dalhlan und Mwarwan Barghouti geführt.

In Gaza, wo zwei Millionen Palästinenserinnen und Palästinenser leben, die ihre Meinung nicht äußern können, nachdem die Hamas 2006 gewonnen und ihre Kontrolle über den Gazastreifen mit Waffen, Repression und Einschüchterungen ausüben, konnten die Menschen gar nicht wählen.

Der Sieg der Fatah-Bewegung veranlasste deshalb einige Online-Aktivisten in Gaza Gott dafür dankten, dass die Hamas nicht gewonnen hatte, und der Westbank die Erfahrungen aus Gaza erspart werden. Stadtessen gaben sie ihrer Hoffnung Ausdruck, selbst bald in freien Wahlen über das Schicksal des Gaza-Streifens abstimmen zu können.