Ein bißchen den Bluthund spielen

Auf den Redaktionsfluren des Spiegel wird man sich auf die Schultern geklopft haben: In diesem Jahr dürfen sich die Macher des Hamburger Blattes das zweifelhafte Verdienst zurechnen, das Thema des Sommerlochs bestimmt zu haben. Mit zwei Artikeln über Viertel in Berlin und Hamburg, die angeblich von türkischen Jugendbanden und afrikanischen Drogendealern regiert werden und zwei Beiträgen, die lobten, was mittlerweile als "New Yorker Konzept" in aller Munde ist, ist den Hamburgern gelungen, was Manfred Kanther nicht geschafft hat: Die ganze linksliberale Hälfte der Republik diskutiert über Innere Sicherheit und Ausländerkriminalität, über Jugendbanden und Drogenhandel.

Die Spiegel-Redakteure hatten einen feinen Riecher für die Stimmungslage, doch der hätte ihnen nichts genutzt, wenn nicht einige sozialdemokratische Populisten bereitwillig gefolgt wären. Dabei scheute sich insbesondere der Kanzlerkandidat in Wartehaltung Gerhard Schröder nicht, tief in den Schönhuberschen Zitatenschat zu greifen: "Wer unser Gastrecht mißbraucht, für den gibt es nur eins: Raus, und zwar schnell!" forderte er, was im übrigen schon längst deutsche Praxis ist.

Trotz dieser ostentativen Nähe zum Rechtsextremismus waren die Schröder-Thesen beispielsweise der den Grünen nahestehenden taz durchaus eine Diskussion wert. Der Redakteur Jan Feddersen, der hier den rechten Flügelmann gibt, stellte fest, Schröder habe "in Bild am Sonntag nichts anderes getan, als die Ängste der Menschen ernst zu nehmen" (womit Feddersen nolens volens die Redaktionslinie der rechtspopulistischen Boulevardzeitung beschrieben hat). An Trittin richtete Feddersen den Vorwurf, "der Grüne sagt also nicht, ob es falsch oder richtig war", was Schröder mit seinen rassistischen Unterstellungen meinte, "sondern diffamiert ihn als Rechten". "Ist das Thema Innere Sicherheit", fragt Feddersen, "schon deshalb ein rechtes, weil dazu der Polizeiapparat gehört? Ist es antiliberal", greift er einen entsprechenden Vorschlag Schröders auf, "die lebenslängliche Verwahrung von Sexualmördern zumindest für diskutabel zu halten? Oder rechts - den Faden mal weitergesponnen -, das Asylrecht für politische, aber nicht für Armutsflüchtlinge bereitzuhalten? Ist es schon nationalistisch, die Osterweiterung der EU deshalb für ein Problem zu halten, weil Arbeitskräfte aus Polen, Tschechien und Weißrußland die Tarife im deutschen Baugewerbe versauen?"

Und schließlich macht Feddersen deutlich, was er - und wohl auch der Spiegel - von Schröder erwartet: die möglichst genaue Kopie der Strategie eines Tony Blair, der in Großbritannien die Wahlen unter der Parole "Law and Order is a Labour Issue" gewann. Die Sozialdemokratie - zumal die deutsche - hatte nie große Bedenken, sich aus autoritärem Gedankengut zu bedienen, wenn es ihr opportun erschien. Doch genützt hat es ihr noch nie.

Feddersen schreibt zwar: "In diesem Sinne hat mit Tony Blair in Großbritannien auch kein Law-and-Order-Mann gewonnen, sondern ein Sozialdemokrat, der die Frage der Inneren Sicherheit nicht vernachlässigt hat - das hat ihn gegen die Konservativen stark gemacht." Doch in Deutschland ist man immer noch eher geneigt, einem Manfred Kanther den Bluthund abzunehmen als einem Gerhard Schröder.