Frisco, Neukölln

Hilfe, die Kriminaltät ist in der Stadt! Pro Sieben illustriert Schönbohms "gefährliche Zonen" mit einer neuen Krimiserie: "Die Straßen von Berlin"

"First we take Manhattan - then we take Berlin." Die Polizeichefs deutscher Großstädte summen einen längst vergessenen Popsong aus den achtziger Jahren, wenn sie in diesen Tagen durch die Flure ihrer Präsidien streifen und an das "Wunder von New York" (Spiegel) denken. Runter mit der Kriminalitätsquote! Auch unsere Städte sollen so sicher werden wie die US-Metropole. Denn hier ist das Leben viel zu riskant.

Sind Sie schon mal an einem echt gefährlichen Ort gewesen? Geht es nach der Berliner Innenverwaltung, dann wohnen Sie vielleicht sogar an einem. Auf 30 Straßen und Plätzen in den Bezirken Charlottenburg, Mitte, Tiergarten, Schöneberg, Steglitz und Kreuzberg hat sich die Polizei nach dem Allgemeinen Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (ASOG) erweiterte Zugriffsrecht herausgenommen. Diese Orte sind nämlich "Brennpunkte für Straftaten von besonderer Bedeutung, wie Raub, Körperverletzung, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, Diebstahl von/aus Kraftfahrzeugen, Wohnungs-/Geschäftseinbrüchen, illegalem Zigarettenhandel, Hütchenspieler sowie im Homosexuellen- und Prostituiertenmilieu". Das steht zumindest in der Anwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der PDS-Abgeordneten Marion Seelig.

An den "gefährlichen Orten" hat die eigens dafür in operative Gruppen eingeteilte Polizei schon die Kompetenzen, die in der Diskussion um das "Vorbild New York" (Spiegel) von Polizeistrategen in den vergangenen Wochen immer heftiger gefordert wurden: Kontrollen, Platzverweise, Durchsuchungen, Verbringungsgewahrsam und Verhaftungen können ohne jeden Verdacht durchgeführt werden. Obdachlose und andere mißliebige Personen kann man so problemlos aus dem Stadtbild entfernen - endlich macht Shopping wieder Spaß.

Wie die Hamburger Kriminalistin Ingeborg Legge in der taz richtig feststellte, wäre also die Orientierung am New Yorker Modell des high performance policing tatsächlich "ein Rückschritt" - das haben wir hier doch schon lange. Auch an anderen Ort, die nicht in der Senatsliste auftauchen, wie Neukölln oder Friedrichshain, macht die Polizei von Sonderrechten Gebrauch. Zur großen Hatz gegen kleine Delikte (wie Schwarzfahren oder Grafitti) wurde schon vor einem Jahr geblasen. Was jetzt noch gegen die Kriminalität helfe, so Legge, sei die "gemeindenahe Polizeiarbeit". Auf englisch community policing. Auf deutsch Bürgerwehr. In den USA schon sehr beliebt: Unausgelastete Rentner vertreiben sich die einsamen Nächte mit Patroullien durch die Nachbarschaft. Wer verdächtig aussieht, bekommt die Polizei auf den Hals geschickt. Dann kann man auch im Central Park wieder ruhig schlafen. Oder eben nicht, weil man nämlich kurz nach dem Einnicken als Penner klassifiziert, eingesammelt und am Stadtrand wieder abgesetzt wird.

Ist die Hasenheide nun wirklich gefährlicher als der Central Park? Der Zweifel kommt beim Grillen am Sonntagnachmittag auf. Schließlich liegt die jährliche Mordrate in Berlin mit 0,09 Promille immer noch unter der von New York (0,13 Promille). Eine verläßliche Antwort kann nur der Blick ins Fernsehprogramm geben. In "Wolfs Revier" werden alle Schuldigen rasch überführt, der "Polizeiruf 110" beschäftigt sich vorwiegend mit sittlichen Problemen, "Liebling Kreuzberg" vertraut auf den Rechtsstaat und auch in "Praxis Bühlowbogen" wird höchstens einmal in den Patientenakten spioniert. In New York dagegen ist mehr los. Drogen, Schießereien, Verfolgungsjagden. Und das sogar im Kinoformat.

Nachdem aber die Cops vom "NYPD Blue" inzwischen beim Zweitverwerter Kabel 1 gelandet sind, findet das Pro-Sieben-Verbrechen jetzt auf den "Straßen von Berlin" statt. Die sind nämlich alles andere als sicher. Meint Schönbohm. Meint auch Dr. Maas, der Oberstaatsanwalt der neuen Serie. Der schränkt jedoch vorsichtig ein: "Berlin ist nicht Neapel." Und wird es auch niemals sein. Auch nicht San Francisco, deren Straßen Karl Malden einst durchstreifte, mit der dicken Nase immer auf dem Bösen auf der Spur. Daß es das auch in Berlin gibt, bestätigt Spiegel-Experte Thomas Darnstädt: "Die Stadt gehört dem Gelichter." Der Innensenator legt die Stirn in Falten, nur kurz konnte er neulich bei der Love Parade entspannen: "Danke, ihr wart alle wunderbar." So viele friedliche Menschen.

Doch der Friede täuscht. Und das ist seine Aufgabe. Eben noch wird eine Frau entführt, ein abgehackter Hühnerkopf wird übergeben, und schon explodiert das China-Restaurant Fat Man in Friedenau. Ausgerechnet in Friedenau! Schutzgeld nicht pünktlich bezahlt? Kann nicht sein, denn ein altes Triaden-Zeichen am Eingang weist deutlich auf die gute Zahlungsmoral des Kochs hin, wie Uwe Ochsenknecht als Experte der "Straßen-von-Berlin"-Soko weiß.

Die Soko kümmert sich um die Organisierte Kriminalität in der Stadt. Dabei arbeitet sie im verdeckten Einsatz und mit ganz vielen Computern. Nachdem in der Woche zuvor russische Atomsprengköpfe als Goldbarren getarnt in Berlin verhökert werden sollten, wird diesmal ein Verdächtiger aus der Bauverwaltung observiert, dem von der Triade, für die er sich um Grundstücksgeschäfte kümmert, eine hübsche Chinesin geschenkt wird. Um die Frau befreien zu können, muß die Soko alle Gangster der chinesischen Unterwelt hochnehmen. Und das sind ganz schön viele.

"Wo Müll ist, kommen die Ratten. Und wo Verwahrlosung herrscht, ist auch Gesindel." Der Satz vom Berliner CDU-Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky steht gelegentlich an einer Kreuzberger Brandmauer. Ochsenknecht, dem noch vor einer Woche in St. Petersburg der Hals aufgeschlitzt wurde und der darum gerade eine intensive Sprachtherapie macht, stimmt ihm krächzend zu: "Die Chinesen-Mafia ist wie Malaria." Und einen Ermittlungstag später: "Mitten in Berlin ist ein Triadenkrieg ausgebrochen. China-Restaurants fliegen in die Luft." - "Na prima", antwortet sein Kollege, "dann brauchen wir sie nicht mehr abzuschieben."

Zwischendurch werden Chinesen mit der MG niedergemäht, Samurai-Schwerter dienen als Köpfwerkzeuge. Wer kümmert sich da noch um Fixer und Penner am Breitscheidplatz? Die Soko schreitet ein. Aber wo? Allein der Alex, von dem auch der Senat weiß, daß er ein gefährlicher Ort ist, wird mit Außenaufnahmen bedacht. Das eigentliche Verbrechen findet in Tiefgaragen, Fabrikhallen und Hinterzimmern statt. So, wie die Soko aus dem Hinterzimmer eines Waschsalons heraus agiert. Ein Film ohne Ort über Verbrechen ohne Orte. Sogar der Showdown mußte nach Amsterdam verlegt werden. Berlin taugt eben nicht zum Verbrechen.

Die Führungsspitze der Berliner Polizei hat sich derweil in den war room ihrer neuerbauten Residenz am Platz der Luftbrücke zurückgezogen, wartet auf den Sendeschluß und legt noch ein paar gefährliche Zonen fest. Draußen verhaften Sonderfahnder Grafitti-Sprayer. Ganz schön gefährlich, diese Orte.

"Entführung und Mord erschüttern die Stadt", verspricht der Trailer zur nächsten Folge (Mittwoch, 30. 7., 20.15 Uhr, Pro Sieben), in der die italienische Mafia mit der Stasi gemeinsame Sache macht. Es folgen auf demselben Sendeplatz polnische Autoschieber, die mit Heroin dealen (6. 8.), Prostitution, Russen, Frauenhandel (13. 8.) und illegale Waffenlieferungen nach Afrika (20. 8.).