Out: Diekmann

"Sich beim Brotschneiden den Finger zermetzeln", das ist wie Bild am vergangenen Samstag meldetet, schlimmer als weiße Socken und Mick Jagger, nämlich neuerdings leider vollkommen "out". Kann man echt nicht mehr machen. "In" sind hingegen nicht etwa Dünnpfiff und Rippenprellung, sondern "flotte Weibersprüche" und "eisige Frucht-Drinks wie Polar-Lime-Time". "Out" sind für Bild auch der bisherige Leiter des Politik-Ressorts, Kai Diekmann, und der Chefredakteur Claus Larass.

"In" bleibt, jedenfalls bis zur nächsten Hauptversammlung, der Vorstandsvorsitzende der Springer AG, Jürgen Richter. Manager müssen hin und wieder ihre "Leitungsmacht" spüren, und am mächtigsten spüren sie diese Macht, wenn sie jemanden feuern. Richter feuerte Diekmann, angeblich im Einvernehmen mit Larass. Der wollte plötzlich von nichts etwas wissen und protestierte gegen den "Eingriff in die innere Pressefreiheit". Die innere Pressefreiheit aber, das wußten schon Luther und Kant, ist dem Menschen von Gott gegeben und kann ihm von keiner äußeren Zensur geraubt werden.

Richter nannte den Widerstand gegen Diekmanns Entlassung deshalb einen "Angriff auf die allein Vorstand und Aufsichtsrat zustehende Leitungsmacht". Dazu fiel Larass nun nichts mehr ein. Er werde, so hörte man es läuten, demnächst Werner Funk beerben, den Chefredakteur des stern; die Bild-Redaktion übernehme Georg Gafron, der einst den Radiosender "100,6" zum größten und dümmsten Berlins machte. Diekmann könnte dann zur Gräfin Dönhoff gehen, die bekanntlich Diekmänner sammelt.

Was der ganze Rummel eigentlich soll, fragten sich am Wochende die Kolumnisten. Bild mache wacker Auflage, es gebe also keinen Grund, die "Cash Cow" (taz) zu erschrecken. Die britische Boulevardzeitung Sun ließ John Major vor den letzten Parlamentswahlen fallen und setzte rechtzeitig auf Tony Blair. Vielleicht habe Richter ähnliche Pläne. Diekmann aber gilt als "Kanzlerintimus" (taz), der sich von Kohls Politik ebenso bezaubern läßt wie von Hannelores Garderobe. Schon dem halbwüchsigen Redakteur der Schülerzeitung Passepartout gewährte Kohl ein Interview. Und als Diekmann viele Jahre später frech in Kohls Limousine sprang, wurde er nicht von der Leibgarde erschossen, sondern bekam wieder ein Interview. So entstehen Männerfreundschaften.

Seitdem verdient Diekmann sich als Kohls Ghostwriter und als Biograph Roman Herzogs in seiner Freizeit manche Mark. Eine solche Politik allerdings brächte Richter in Gegensatz zum Großaktionär Leo Kirch. Wenn Schröder also auf die Unterstützung von Bild nicht verzichten will, sollte er sich Kirch alsbald diplomatisch anschmiegen. Den Gedanken etwa, die ARD sei auch nicht für die Ewigkeit gebaut, könnte er doch bei Gelegenheit ganz unverfänglich ventilieren.

Richter aber wende seine Leitungsmacht schleunigst an die Welt. Wie lange wohl werden es die Aktionäre noch dulden, daß dieses höchst überflüssige Blatt die Dividende mindert? Seit er, seiner Bundesregierung voraus, in die Hauptstadt zog, will der Chefredakteur den hiesigen Markt aufmischen und verkauft heute in Berlin, sage und schreibe, 1 200 Exemplare. Der Mann heißt - Herr Richter, vielleicht kennen Sie ihn - Thomas Löffelholz.