Die unendliche Geschichte eines NS-Profiteurs

Am 27. August 1997 jährt sich der Beginn des Kriegsverbrecherprozesses der Alliierten gegen IG Farben zum 50. Mal. Die Nürnberger Anklagepunkte lauteten: Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Beteiligung an der Vorbereitung und Durchführung eines Angriffskriegs, Sklaverei, Raub und Plünderung. Nach 152 Prozeßtagen erfolgte 1948 das Urteil. Die führenden Manager des Chemiekonzerns erhielten zum Teil mehrjährige Haftstrafen (die sie allerdings nicht absaßen).

Vorausgegangen war das Kontrollratsgesetz Nr. 9 im November 1945, das die Beschlagnahme des Konzernvermögens anordnete. Doch Ende der vierziger Jahre ließ der veränderte Kurs der US-Außenpolitik die bis dahin geforderte Zerschlagung des Konzerns zu einer strukturierenden Entflechtung werden. Bayer, BASF und Hoechst entstanden wieder, Unternehmen, die bereits zwanzig Jahre später zu den 30 größten der Welt gehören sollten.

IG Farben stand wie kein anderer Konzern für die Zusammenarbeit zwischen deutscher Wirtschaft und NS-Regime. Der Trust war größter Einzelfinanzier der NSDAP, kriegswichtigste Firma (Treibstoff u. a.), aber auch Profiteur, der im Gefolge der Wehrmachtsüberfälle Chemiebetriebe in ganz Europa ausräuberte und übernahm.

In allen IG-Werken wurden während des NS Zwangsarbeiter ausgebeutet. In Auschwitz-Monowitz verfügte IG Farben zwischen 1942 und 1945 über ein eigenes Konzentrationslager, in dem etwa 30 000 Häftlinge starben. Unter Aufsicht von IG-Wissenschaftlern wurden die medizinischen Menschenversuche durchgeführt. IG Farben verkaufte das Giftgas Zyklon B, mit dem in Auschwitz und anderswo vergast wurde.

Rechtsnachfolgerin der IG wurde zu Beginn der fünfziger Jahre eine Liquidationsgesellschaft. Deren Aufgabe bestand in der Abwicklung noch unklarer Vermögensverhältnisse des nun entflochtenen NS-Betriebs, darunter eventuell ausstehende Entschädigungsforderungen überlebender Opfer. Mit der Claims Conference wurde bis in die sechziger Jahre ausgehandelt, daß jüdische Überlebende von "IG Auschwitz" je nach Dauer ihrer Zwangsarbeit zwischen 2 500 und 5 000 Mark erhielten. Das galt allerdings nur für diejenigen, die in den westlichen Ländern lebten. Polen, Ungarn, Jugoslawen, Tschechoslowaken oder sowjetische Staatbürger, aber auch Roma und Sinti, gingen leer aus.

Abgewickelt haben sich IG Farben bis heute nicht. Ihre Aktien, "Liquidationsanteilsscheine", sind immer noch in Reichsmark beziffert. Seit 1990 beanspruchen die IG-Aktionäre die Rückgabe ehemaligen IG-Eigentums, das auf dem Gebiet der DDR unter sowjetischer Besatzung enteignet worden ist. Im Dezember 1996 entschied das Bundesverfassungsgericht jedoch endgültig gegen eine Rückgabe dieser Grundstücke.

Die überlebenden Opfer des Nazi-Konzerns fordern seit Mitte der achtziger Jahre die Auflösung der Aktiengesellschaft und die Übergabe des noch vorhandenen Vermögens in treuhänderische Verwaltung, um zumindest jenen, die nie "Entschädigung" erhalten haben, noch etwas zahlen zu können. Der Konzern hat sich diesen Forderungen bislang nicht gestellt.