Interimsfreispruch für »Interim«

Wenn Staatsanwälte Freispruch fordern, dann diente der vorangegangene Prozeß selten der Verurteilung, sondern anderen, politischen Absichten. Was beim Lübecker Brandprozeß so war, bestätigte sich auch am 12. August beim ersten Prozeß gegen die Autonomen-Zeitung Interim. Ein Buchhändler und eine Buchhändlerin aus Hamburg wurden in Berlin von dem Vorwurf freigesprochen, durch den Verkauf der Interim Nr. 399 zu Straftaten aufgefordert zu haben. In der inkriminierten Nummer war neben vielen interessanten Texten zur Stadtentwicklung auch eine Bauanleitung für einen zeitverzögerten Brandsatz abgedruckt. Der Freispruch erfolgte, weil nicht nachzuweisen war, daß die Angeklagten vom strafbaren Inhalt der Zeitung wußten. Das ist wenig überraschend: In zahlreichen Grundsatzurteilen wurde festgestellt, daß die Prüfpflicht von Buchhändlern nicht so weit geht, daß sie sämtliche Druckerzeugnisse, die sie zum Verkauf anbieten, gelesen und auf ihre strafrechtliche Relevanz geprüft haben müssen.

Insofern stellt sich die Frage nach der eigentlichen Motivation für die Anklage. Offensichtlich ging es um die Kriminalisierung der Interim. Irgend etwas bleibt eben immer haften. Und in späteren Verfahren wird dann im Hinblick auf diesen Prozeß argumentiert werden, man müsse doch wissen, daß es sich bei der Interim um ein gemeingefährliches Blatt handle. Daß die Staatsschützer gewillt sind, gegen die autonome Wochenzeitung vorzugehen, haben sie bereits am 12. Juli unter Beweis gestellt: Mehr als 500 Polizisten durchwühlten auf der Suche nach der anonymen Interim-Redaktion verschiedene Wohnprojekte in Berlin und nahmen dabei vorübergehend mehrere Leute fest.