Der Kolporteur

In der ersten Stunde fragt der Volkshochschullehrer, was der Grund des Besuches sei, warum man denn einen Fotografiekurs belege. Der eine gibt an, daß Bilder, vor allem die schwarzweißen, ihn innerlich berührten, die andere gibt zu, sie lerne auf der HdK in Sachen Knipserei zu wenig. Was aber soll ich erklären? Nun, mit ernster Miene (die Augen starren bedeutungsvoll auf den Boden) und vollkommen akzentfrei offenbare ich dem VHS-Publikum, daß mich der Paparazzojob fasziniere. Zick-zack und 20 Bilder sind im Kasten. Deshalb, so sprudelt es aus meinem Hals, hätte ich eine Computerkamera gekauft, nicht diesen manuellen Zinnober. Aktion am Tage und in der Nacht. Autofocus und Flashlight.

Die Prinzessin ist gerade zwei Tage tot, und so habe ich zunächst eine Debatte über das Mörderhandwerk und schließlich eine über die Grenzen der Satire am Hals. Wenn über Komik geredet wird, muß es immer um Verbote gehen. Das ist bekanntlich auch mit der Freiheit so. Die Leute sagen nicht, dies und das gehöre zum freien Dasein, die Schranken werden erörtert. Demgemäß soll das Spottgedicht eines sein, in dem über niemanden gespottet wird.

Auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin hat der Ostdeutsche Rundfunk eine Veranstaltung zu diesem Thema durchgeführt. Wo höre der Klamauk auf, werden Witzexperten und solche Zeitgenossen gefragt, die nicht selten Opfer des professionellen Hohnes sind: Martin Buchholz ("Der blöde Berliner"), Herbert Feuerstein ("Komiker"), Reinhold Jacobi ("Medienexperte der katholischen Kirche"), Barbara Sichtermann ("Fernsehkritikerin"), Michael Schmid-Ospach ("WDR-Kulturchef"), Wolfgang Thierse ("Der Bärtige"), André Mielke (Der Eulenspiegel) und Trude Unruh ("Die grauen Gazellen") sind da.

Moderatorin Helga Lensch nervt ihre Gäste zunächst mit dem Wunsch, man möge Satire definieren. Bucho kapiert wieder nichts und bietet den üblichen Wortverdrehungsquark an. Er kommentiert seine Fehlleistungen: "Einschaltzoten...", grööööl! Trude beschwert sich über Sprüche gegen Alte und Alzheimer. Thierse gibt sich als Humorfreund aus: "Gute Satire ist, wenn die Dummheit der Mächtigen aufs Korn genommen wird." Er verschweigt jedoch, daß sein dämlicher Humor da aufhört, wo sein hochheiliges Gesichtshaar ins Visier genommen wird. Katholik Jacobi tadelt die antiklerikalen Ausfälle von Küppersbusch. Feuerstein hält sich vornehm zurück. Schmid-Ospach und die hypernervöse Frau Sichtermann langweilen mit notorischem Ernst ("Satire ist..."). Den Eulenspiegel habe ich bislang nicht gelesen, jetzt lese ich ihn erst recht nicht. Herr Mielke schwadroniert über die Grenzen des Zynismus. Er soll sich zuerst einen anderen Namen zulegen.

Der Gang über das Messegelände ist besser als jedes Kabarett und sowieso besser als ein Talk über Sinn und Zweck solcher Unterhaltung. Boygroups singen und Mädchen kreischen, es gibt Kugelschreiber, Eis und Bier umsonst, stundenlang darf am digitalen Flipperautomaten gespielt werden, Antenne Brandenburg verschenkt "Gruppenbilder mit Adler", das alles ist sehr schön, doch dann kommt Bucho, der unbedingt sein Statement mit einem Schwall zum Thema Paparazzo beginnen muß. "Praktizierter Wahnsinn", meint er. Kotz. Morgen schicke ich der Bild-Redaktion eine Bewerbung und verfolge ihn ohn Unterlaß.