Licht im Kopf

Für alle, die nicht einschlafen können: David Baddiels Debütroman "Ab ins Bett"

Wie man hört, hat der kleine Kunstmann Verlag sich mächtig quergelegt und 150 000 Mark für die deutschen Abdruckrechte an David Baddiels Debütroman "Ab ins Bett" berappt. Eine ganze Menge für einen Erstling, möchte man meinen, wenn Baddiel nicht in England bereits auf anderem Wege zum Popstar geworden wäre, als Autor der überaus populären TV-Sitcom "The Fantasy Football League" nämlich und als Verfasser der Lightning-Seeds-Hymne zur Europameisterschaft 1996 "Football Is Coming Home", die wochenlang die Charts anführte. Anscheinend hat sich die Investition gelohnt, denn das Buch wird allenthalben als Bestseller gehandelt und ist auf dem besten Weg, einer zu werden; in diesem Fall ausnahmsweise zu Recht.

Natürlich auch, aber nicht nur um Football geht es, sondern in erster Linie darum, daß ein nicht mehr ganz junger Slacker namens Gabriel Jakoby an Schlafstörungen leidet, weil er in die Frau seines Bruders verknallt ist, die aber ihrerseits eine Schwester hat, die nun wiederum ... Von dieser Personenkonstellation ausgehend, unternimmt Baddiel Ausfälle ins Leben, das ein pralles ist, wenn auch nicht "voll das ..." - will sagen, mit den Generation-X-Mythen hat das Ganze nichts gemein. Der Personenzoo ist skurril, aber glaubwürdig: Vom WG-Mitbewohner, der sich nach einem schlechten Trip zum wirklich widerwärtigen Hippie wandelt, über die jüdische Mutter, die eine völlig spleenige Schwäche für deutsche Luftschiffahrt hat, bis zu den Mitinsassen im Altersheim der Großmutter, die den gegenseitigen Psychoterror perfektioniert haben und sich Verfolgungsjagden im Schneckentempo liefern.

In guter englischer Humortradition muß die Hauptfigur alle Anfeindungen und Mißgeschicke des Alltags duldsam über sich ergehen lassen und will doch eigentlich nur das eine: seine Ruhe bzw. schlafen. Doch daran hindern ihn neben seinen Mitmenschen und der fixen Idee, die Schwägerin vögeln zu müssen, vor allem seine zwanghafte Selbstbeobachtung, die zu Nutz und Frommen des Lesers in epischer Breite und mit schonungsloser Selbstironie protokolliert wird.

Man kennt das Dilemma des Nicht-einschlafen-Könnens aus eigener Anschauung; so präzise wurde es kaum je niedergelegt: "Das Licht in meinem Kopf, das mich wach hält, habe ich ja angelassen, um bloß nicht den Moment zu verpassen, wenn jemand kommt und es ausknipsen will." Daß die von Disziplinargesellschaft und jüdischer Familientradition gleichermaßen in die Zange genommene Hauptfigur zudem eine ausgemachte Sau ist, was ihre sexuelle Vorstellungswelt anbelangt, macht den Roman überdies kurzweilig.

In den Literaturkontexten eingeordnet, ließe sich sagen, Philip Roth und David Lodge begegnen sich hier in der nächsten Generation, um ein wenig am Tory-England der frühen Neunziger zu verzweifeln, aber dann doch um einiges gereift und geläutert aus dem multiplen Schlamassel hervorzugehen. Ein Bildungsroman für unsere Kreise, dem man die etwas fadenscheinige Handlung und die allzu slapstickmäßigen Einlagen wegen der tieferen Einsichten in ein Lebensgefüht nachsieht, das von eigenen nur eine Kanalbreite weit entfernt ist.

David Baddiel: Ab ins Bett. Kunstmann, München 1997, 360 S., DM 39,80