Zwanzig Jahre herbstliches Deutschland...

Pünktlich zum 20. Jahrestag der Entführung des Arbeitergeberpräsidenten und früheren SS-Führers Hanns Martin Schleyer durch ein RAF-Kommando warnte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Peter Frisch, am 5. September die deutsche Öffentlichkeit: "Auch wenn die RAF aufgehört hat, Menschen zu ermorden, bedrohen dennoch gewalttätige Linksextremisten nach wie vor die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland."

Zahlreiche Rechtsanwälte und Strafverteidiger hingegen forderten vergangene Woche, endlich eine Reihe von Sondergesetzen zu streichen, die im Rahmen der sogenannten Terrorismusbekämpfung 1977 durchgesetzt wurden. Demnach sollen der Paragraph 129 a (Mitgliedschaft bzw. Unterstützung einer terroristischen Vereinigung), das Verbot der Mehrfachverteidigung, das Kontaktsperregesetz und die obligatorische Kontrolle der Verteidigerpost bei Verfahren gegen politische Gefangene abgeschafft werden. Der Deutsche Herbst sei schließlich nicht nur ein historisches Datum, sondern die Ereignisse des Jahres 1977 hätten unmittelbare Auswirkungen bis heute, schreiben der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) und Teile der Berliner Strafverteidiger. Die damalige "Verfestigung eines latent staatsautoritären Zuges und die auf die Vernichtung des 'Feindes' mit kriegerischen Mitteln angelegte Innenpolitik" hätte die politischen und psychologischen Grundlagen in Deutschland verschoben, heißt es in dem vergangenen Donnerstag veröffentlichten Aufruf. Am gleichen Tag wiesen die Justizministerien von Nordrhein-Westfalen und Hessen den Vorwurf zurück, den RAF-Gefangenen Heidi Schulz und Helmut Pohl sei notwendige medizinische Hilfe verweigert worde. Angehörige der Inhaftierten hatten zuvor erklärt, Pohl sei lebensgefährlich erkrankt und Schulz "stark angegriffen".