Alle mögen Voscherau

Rund 3 500 Menschen demonstrierten in Hamburg gegen den Law-and-Order-Wahlkampf

"Es wird eine spektakuläre Aktion geben", garantierte der Pressesprecher der Jungen Nationaldemokraten (JN), Klaus Beier. Seit Mitte Juli mobilisierte die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) zusammen mit der JN zu einer Wahlkampfkundgebung am 13. September für die Hamburger Bürgerschaftswahl. Parole: "Leistet Widerstand - jetzt". Per Internet riefen sie "jeden DEUTSCHEN und NATIONAL denkenden Menschen auf (...), an diesem Tag im roten Hamburg" den "linken Chaoten" zu zeigen, "daß die Straße dem Volk gehört und nicht irgendwelchen gewalttätigen Politspinnern". Viel war von der "einzigen nationalen Alternative" am vergangenen Samstag allerdings nicht zu sehen.

Statt dessen demonstrierten rund 3 500 Menschen unter den Motti "NPD-Aufmarsch verhindern" und "Die Koalition von Law and Order angreifen - gegen Reaktionäre und rassistische Politik vorgehen". Ein breites Bündnis, von autonomen antifaschistischen Gruppen über PDS, DKP bis GAL und einzelnen Gewerkschaften, nahm den angekündigten NPD-Aufmarsch zum Anlaß, um den rechtspopulistischen Bürgerschaftswahlkampf fast aller Parteien zu thematisieren. So verwiesen Rednerinnen und Redner während der Aktion darauf, daß neben den extremen rechten Parteien wie NPD, Rep oder DVU auch SPD und CDU mit ihren Parolen "das rassistische Klima verschärfen". Das "Gerede von der Asylantenschwemme, von kriminellen Ausländern und vom Sozialmißbrauch" fördere "das Entstehen rassistischer Feindbilder". Längst seien die Themen der Rechten die Themen der Mitte.

Im Vorfeld bereits garantierte Polizeipräsident Ernst Uhrlau "Law and Order". Um "Übergriffe und Regelverletzungen frühzeitig zu unterbinden" waren 2 000 Polizisten präsent. Größere Auseinandersetzungen unterblieben jedoch. Mehrere Personen wurden festgenommen, weil sie am Hauptbahnhof, dem angekündigten Sammelplatz der JN, gegen den rechtsextremen Kader Thorsten de Vries vorgegangen waren.

Durch die antifaschistische Demonstration waren die Organisatoren des NPD-Aufmarsches in Bedrängnis geraten. Von ihrer angekündigten Großdemonstration blieb nur eine kleine Aktion. Die NPD selbst ließ allerdings auf einer eiligst versandten Pressemitteilung wissen, die Antifa sei einer Internet-Ankündigung "auf den Leim" gegangen: "Linke und Autonome demonstrierten gegen die NPD, ohne sie zu finden." Und in der Tat erschienen zunächst ungestört rund 40 ausgewählte NPD- und JN-Kader auf einem SPD-Straßenfest im Hamburger Stadtteil Hamm, während gerade der SPD-Spitzenkandidat Henning Voscherau auftrat. Rechtsextreme wie der Berliner JN-Funktionär Andreas Storr versuchten, mit Voscherau über "Arbeitsplätze für Deutsche" und "kriminelle Ausländer" zu diskutieren. Die Neonazis konnten sich des Beifalls sicher sein, als es um Zuzugssperren für Ausländer sowie schnelle Abschiebung von kriminellen Asylanten ging. Erst als der SPD-Spitzenkandidat und Hamburger Bürgermeister als "Arbeiterverräter" betitelt wurde und Antifas auftauchten, brach Voscherau seinen Auftritt vorzeitig ab. Kommentar des Sozialdemokraten: "Das waren anwesende Bürger dieser Versammlung. Ich hatte durch die pöbelnden Zwischenrufe den Eindruck, daß es sich möglicherweise um Rechtsextremisten handelt. Und ich habe versucht, ihnen entsprechend Contra zu geben, wie sie es verdient haben."

Als Einsatzkräfte nach einer halben Stunde eintrafen, waren die Neonazis bereits vor Antifas geflüchtet. Gegenüber der Presse gab sich die Polizei ahnungslos. "Wir tappen im dunkeln", versicherte Behördensprecher Reinhardt Falk bereits vor der Aktion, obwohl über das Nationale Infotelefon Rheinland seit Tagen mobilisiert wurde.

So konnte sich die NPD trotz der antifaschistischen Demonstration des "gewaltbereiten Packs" zufrieden zeigen: "Über 200 Wahlhelfer verteilten über 100 000 Wahlzeitungen und Flugblätter, führten Bürgergespräche und stellten 10 000 Stellschilder auf", hieß es in einer Mitteilung. Als "vollen Erfolg" bewerteten aber auch die autonomen Vertreter und Vertreterinnen des "Hamburger Bündnisses gegen Rassismus und Faschismus" den Tag: "Wir haben den Nazi-Aufmarsch verhindert und auf die große Gefahr durch den Rassismus der Mitte hingewiesen."