Der Pharisäer der Woche

Wenige Wochen, bevor Uwe Barschel die zehnte Wiederkehr seines Todestages begeht - oder wie sagt man? -, darf nun endlich auch das Geheimnis des letalen Wannenbads als gelüftet und enträtselt gelten. Eher beiläufig und vermutlich aus Versehen, von der Empörung über die "Pharisäer" fortgerissen, die sich anläßlich des allzu frühen Heimgangs der geschiedenen Mrs. Windsor über die sogenannten Paparazzi empörten, ließ Helmut Markwort einem zuverlässigen steady-seller die Luft raus: "Zur Erinnerung: Das bekannteste Paparazzi-Foto, das je in Deutschland veröffentlicht wurde, zeigte den Politiker Uwe Barschel tot in einer Badewanne.

Er war mit falschen Schlagzeilen gejagt und vernichtet worden." Hatte also, da kein Gerichtsmediziner eine Schlagzeile als Todesursache anerkennt, wohl doch Selbstmord begangen.

Zur Erinnerung: Besagtes Foto hat Focus, das Sturmgeschütz der Idiotie, dem stern mindestens achtmal nachgedruckt. Denn über die Frage, ob Barschel ermordet wurde oder doch nicht, wollte Markwort sich bis vor kurzem einfach nicht beruhigen. Im Januar dieses Jahres beschuldigte er den Spiegel, Barschel gekillt zu haben, um allerdings auf Nachfrage zu präzisieren, der Spiegel habe Barschel nur "politisch gekillt". Im April stützte ein geputzter Schuh die Mordtheorie: "Einer von Barschels Schuhen sei von Unbekannt gereinigt worden, befand ein Ingenieur des Reutlinger Lederinstituts. Diese Person 'müßte angefärbte Finger gehabt haben'. Barschel aber hatte saubere Finger."

Nun, das ganz gewiß nicht. "Barschel im Koma vergiftet", meldete Focus 1995 und stellte ausführliche Spekulationen an, wo denn der Mörder wohl zu suchen sei. "Die Spur führt zurück in die Zeit des Kalten Krieges, in die Stasi-Zentrale an der Normannenstraße in Ostberlin (...) Angeblich habe Barschel über illegale Millionengeschäfte mit Waffen (U-Boote für Südafrika und Kanonen für Nahost) oder Müll (Giftabfall nach Schönberg) plaudern wollen." Die Staatsanwaltschaft wollte "vor allem einem besonderen Gerücht nachgehen. Es besagt, daß Uwe Barschel von Angehörigen der Stasi ermordet worden sei."

Und der Mossad? Hat diesmal wider Erwarten saubere Finger? Immerhin gab es "die These des Buchautors und Ex-Agenten Victor Ostrovsky, Barschel sei vom israelischen Geheimdienst Mossad liquidiert worden. Barschel, behauptet Ostrovsky, war die Schaltstelle bei Waffengeschäften Israels mit Iran." Bedauerlich nur, daß diese These "unbelegt bleibt".

Immerhin konnte Focus schon 1993 "Barschels intimes Tagebuch" veröffentlichen. "Er soll mehrmals getanzt haben", hieß es da. "Er soll sie geküßt und versucht haben, sie auf sein Zimmer zu komplimentieren. Die 'Bürgerin der DDR' habe aber abgelehnt. Es geschah am 11. Mai 1982 in der 'Sky-Bar' des Warnemünder Hotels Neptun."

Barschel sprach übrigens in seinem intimen Tagebuch deshalb von sich in der dritten Person, weil sein intimes Tagebuch bloß ein Observationsbericht der Stasi war.

Tut man so was, Herr Markwort? Wollten Sie Barschel, fünf Jahre nach seinem Tod, mit falschen Schlagzeilen und einem gefälschten Tagebuch noch einmal vernichten? Haben Sie denn gar nicht an die Witwe und die Waisen gedacht? Über die "Woche der Pharisäer" regten Sie sich auf, und waren doch selbst der Pharisäer der Woche.