Rundfunkgebühren

Ruft mich da doch morgens einer vom Radio an, ob ich in der Lage sei, mich am Abend während einer "Talk-Sendung" spontan telefonisch zu der Frage "Kann Literatur dem Menschen eine Orientierung geben?" zu äußern. Weil ich noch nicht ganz wach war, sagte ich zu, bereute es aber den ganzen Vormittag. Bin ich vielleicht Orientierungsexpertin? Orientierung hole ich mir gewöhnlich von Fahrplänen und Einkaufszetteln, aber nicht aus Büchern: "Au ja, jetzt mach ich's genauso wie Scarlett O'Hara" - ich bitte Sie! Ich wälzte dann doch so einiges an Nachschlagewerken und Zitatensammlungen und rang mich dazu durch, als Motto meines Lebens "Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg" (Goethe) anzugeben und überdies wie nebenbei anzumerken, daß schon Arno Schmidt ungefähr gesagt hat, daß das Leben in Wirklichkeit nur der Abklatsch unserer großen Romane sei.

Nachmittags ruft der Radiomensch wieder an und sagt, sie hätten wegen der aktuellen Bürgerschaftswahlen in Hamburg thematisch umdisponiert, und ob ich was zu der Frage "Wählen oder Nichtwählen?" sagen könne. Dazu konnte ich spontan nur "Laßt mich doch mit dem Scheiß in Ruhe" sagen, was er etwas dünn fand, aber ich versprach, daß ich noch mal darüber nachdenken würde. Das tat ich dann auch, und es fielen mir ganz prima Vorschläge dabei ein. Beispielsweise könnte man sich die ganze Hinlauferei zu den Wahllokalen sparen und statt dessen einen Apparat, sowas wie diese Lottokiste, anwerfen, wobei dann das Wahlergebnis nach statistischen Gesetzen ganz ähnlich ausfallen würde. Mal würde die CDU ein bißchen mehr Stimmen kriegen, mal das sogenannte kleinere Übel. Wer dabei wahrscheinlich rausfallen würde, wäre die Anarchistische Pogo Partei Deutschlands, die gerade in Hamburg antritt. Was allerdings schade wäre, denn ihr Slogan lautet: "Saufen, Saufen, Saufen", und sie hat versprochen, daß die Pro-Kopf-Staatsknete, die es nachher gibt, zusammen mit allen ihren Wählern versoffen wird.

Abends sitze ich dann mit dem Telefon neben dem Radio und warte und warte. Und warte. Endlich ruft er an: Sie hätten abermals umdisponiert, mein Beitrag sei jetzt nicht mehr nötig, und hoffentlich habe ich nicht gewartet. "Wohl!" "Tut uns leid. Aber dafür zahlen Sie ja schließlich Rundfunkgebühren!" "Was??" Na ja, eigentlich stimmt das. Das mach ich schon seit Jahren. Aber jetzt weiß ich wenigstens, wofür.