Marburg, die Zweite?

Hessens Rechte erlebte am 14. September ein Desaster und gibt dennoch nicht auf. Nun soll Mechtersheimer auf einer Veranstaltung gegen die Wehrmachtsausstellung hetzen

In Marburg gehen die Rechten in die nächste Runde: Der zweite Teil des angekündigten "Rahmenprogramms" gegen die seit dem 12. September in Marburg weilende Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944" des Hamburger Instituts für Sozialforschung ist für Samstag, den 27. September, angekündigt. Auf Einladung der "Fördergemeinschaft für Soldatenverbände im Landkreis Marburg-Biedenkopf e.V." (FfS) sollen ab 19 Uhr im Bürgerhaus Cappel Oberstleutnant a. D. Alfred Mechtersheimer und Brigadegeneral a.D. Reinhard Uhle Wettler "gegen die Diffamierung und Kriminalisierung der Kriegsgeneration" referieren.

Für die nordhessischen Rechten geht es dabei auch darum, ihr seit dem 14. September stark angekratztes Renommee wiederherzustellen: Unter dem Motto "Unsere Soldaten waren keine Verbrecher" wollten sie "in Würde" gegen die Wehrmachtsausstellung demonstrieren, doch das Ergebnis war ein Desaster auf allen Ebenen.

Per Einstweiliger Verfügung hatten Eike Erdel für den Republikanischen Hochschulverband (RHV) eine Kundgebung und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) eine Gegenkundgebung für den Nachmittag des 14. September angemeldet. Beide Veranstaltungen wurden vom Verwaltungsgericht Gießen genehmigt. Die zuvor von der FfS und Altnazi Manfred Roeder angemeldeten Demonstrationen und Kundgebungen waren bereits eine Woche voher verboten worden.

Zur Eröffnung der Wehrmachts-Ausstellung - der Marburgs Oberbürgermeister Dietrich Möller (CDU) demonstrativ fern blieb - verteilten Funktionäre der NPD, der Sauerländer Aktionsfront (SAF) sowie lokale Burschenschafter nazistisches Propagandamaterial. Von den in großer Anzahl anwesenden Polizisten wurden sie, wie Augenzeugen berichteten, dabei nicht behindert. Zwei Tage später jedoch lief bei den etwa 50 Alt- und Neonazis, die zur RHV-Kundgebung gekommen waren, nichts mehr. Manfred Roeder, wegen eines Anschlags auf die Wehrmachts-Ausstellung in Erfurt 1996 zu einer Geldstrafe von 4 500 Mark verurteilt, mußte nach einer Auseinandersetzung mit Antifaschisten mit einer Kopfverletzung ins Krankenhaus gebracht werden. Auch ein Dutzend weiterer Nazis wurde "von etwa zehn Autonomen mit Schlagstöcken angegriffen", wie Polizeisprecher Rainer Keim berichtete. Die verbliebenen Rechten suchten anschließend hinter einem großen Polizeiaufgebot Schutz vor den rund 350 antifaschistischen Gegendemonstranten. Schließlich führten sie vor dem 200 Meter entfernten Einwohnermeldeamt eine Mini-Kundgebung durch.

Auch der Versuch von 50 militanten Neonazis der SAF und der Jungen Nationaldemokraten (JN) - unter ihnen die SAF- Funktionäre Thomas Kubiak und André Zimmermann -, zu dieser Kundgebung zu gelangen, scheiterte: Sie wurden von der Polizei mehrere Stunden lang eingekesselt. Anschließend brachte eine Polizei-Eskorte die Nazis zu ihren Fahrzeugen zurück - oder besser gesagt, zu dem, was Antifas davon übriggelassen hatten: Ein Auto war völlig abgebrannt, zwei weitere hatten leichte Brandschäden, alle Reifen platt, die Autoscheiben zerbrochen. Die örtliche Antifa wertet ihre Aktionen als vollen Erfolg. Zwar habe es 18 vorläufige Festnahmen gegeben, jedoch habe man das Bündnis nationalkonservativer und neofaschistischer Kräfte zumindest in diesem konkreten Fall sprengen können.

Bereits am 21. September versuchten die Nazis, ihre Schlappe wieder wettzumachen. Doch nur ganze 15 waren gekommen. Sechs Hundertschaften Polizei trennte das Häuflein von den 200 Gegendemonstranten auf seinem Weg zum Ausstellungsort. Dort sprach Roeder - noch mit einem Kopfverband gezeichnet - kurz zu seinen Getreuen. Zum Abschluß drohte er: "Wir kommen wieder!" Die nächste Gelegenheit dazu wird sein, wenn Alfred Mechtersheimer am 27. September seinen Protest gegen die Ausstellung zu den Verbrechen der Wehrmacht vorträgt.

Der frühere Bundestagsabgeordnete versucht schon seit geraumer Zeit, mit der von ihm gegründeten Deutschland-Bewegung den untereinander zerstrittenen rechten Organisationen eine gemeinsame Plattform zu geben. Und auch sein Ko-Referent Reinhard Uhle Wettler übt sich seit Anfang der neunziger Jahre in rechter Bündnispolitik: 1993 führte er die Mitglieder seiner Gemeinschaft Freiheitlicher Deutscher der Deutschen Sozialen Union (DSU) zu. "Aktuell orientiert sich die DSU nach der West-Liaison mit der DP (Deutsche Partei) auf eine breite Zusammenarbeit unter dem Dach des Bündnis Konstruktiver Kräfte Deutschlands (BKKD)", ist dem Handbuch des Deutschen Rechtsextremismus zu entnehmen. Das BKKD, das "eine deutsche Zukunft in einem freien Europa" (FAZ, 18. September 1995) anvisiert, besteht seit April 1995 und versteht sich "als überparteiliche Initiative, welche die 'konservativen politischen Kräfte' unter Ausschluß der 'alten Rechten' und der Republikaner bündeln will" (Handbuch). Erstunterzeichner der Frankfurter Grundsatzerklärung des BKKD waren Alfred Mechtesheimer und Reinhard Uhle Wettler.

Nach den Vorfällen am 14. September wird damit gerechnet, daß anläßlich der Mechtersheimer-Veranstaltung die Rechten etwas zahlreicher antreten werden, um einen weiteren Flop zu vermeiden. Gerade auch militante Neonazis und Freunde der SAF und anderer neofaschistischer Organisationen werden vermutlich wieder verstärkt in Marburg und Umgebung in Erscheinung treten. Zum einen, um - in welcher Form auch immer - "Rache" für die verspätete Heimfahrt zu nehmen, zum anderen, um das breite rechte Bündnis, das sich - wie bereits in München - bei den Protesten gegen die Wehrmachts-Ausstellung zusammengefunden hat, für sich zu nutzen. Denn auch der SAF-Funktionär André Zimmermann strebt in die parlamentarische Politik: Laut einer Ansage des Nationalen Infotelefons Rheinland vom April dieses Jahres wird er im März 1998 in Kerkrade (Niederlande) zu den dortigen Kommunalwahlen als Stadtratskandidat der neofaschistischen Partei CP 86 antreten. Finanzielle und logistische Unterstützung der deutschen Rechten kämen da natürlich gelegen.