Soul’n Paranoia

Was HipHop angeht, macht heute keiner mehr Solo-Platten, und Missy "Misdemeanor" Elliott schon gar nicht. Auf "Supa Dupa Fly" sind wieder alle mit dabei, die immer mit dabei sind. Allen voran der unvermeidliche Busta Rhymes. Stichwort: Irrenrap. Im Intro und Outro gibt es noch einmal sein ganzes Repertoire: Stottern, Flüstern, Schreien, Röcheln und der ganze vokalartistische Rest. Dazwischen dann Missy Elliott mit Lil' Kim und Aaliyah und Da Brat und Ginuwine und 702 und und und. Da sollte es auch niemanden wundern, daß vorliegendes Album mehr R & B ist als HipHop. Oder anders: Missy Elliot löst ein, was Mary J. Blige nur versprochen hat: HipHop-Soul. Wer ist eigentlich Missy Elliott? Zum einen die Frau aus MC Lytes "Cold Rock A Party"-Video, die nicht MC Lytes ist. Zum anderen diejenige, die sich für Aaliyahs letztes Album mehr als ein halbes Dutzend Tracks ausgedacht hat.

Wer Aaliyah ist, wird jetzt nicht erklärt. Einfach mal MTV Amour einschalten, das hilft weiter, da läuft nämlich immer was von ihr. Aber zurück zum Thema: Missy Elliott. Was gibt's zu ihrer Platte zu sagen? Nun, die ist eine runde Sache, gelungen, luftig, lässig, mit leichter Hand produziert und erinnert vor allem daran, daß der Sommer auch schon wieder vorbei ist. Aber das ist bestimmt nicht intendiert, sondern liegt allein daran, daß mal wieder jemand bei der Veröffentlichung geschlampt hat. Zwei Monate früher wär' jedenfalls besser gewesen, egal. Und sonst? Können die Hörer von dieser Platte etwas lernen? Hat die Platte eine Message? Janö. Muß ja auch nicht.

Das mit HipHop und der Message geht sowieso allzu oft daneben. Siehe Gravediggaz. Ihr zweites Album "The Pick, The Sickle and The Shovel" ist so voll von düsteren Botschaften, schwerer Blut & Stahl-Metaphorik und bedeutsamem esoterischen Allerlei, daß man mitunter auch gern mal die Ohren auf Durchzug stellen möchte.

Denn zu den Gravediggaz gehören neben Prince Paul (Ex-De La Soul Produzent), Fruitkwan (Ex-Stetsasonic), Poetic (ehemals Too Poetic und relativ wahnsinnig) auch der Über-Wu-Tang und Dauerproduzent namens RZA. Und der, das ist bekannt, ist mit jeder Verschwörungstheorie gut zu Fuß. Da versteht es sich von selbst, daß Paranoia geschoben wird, was das Zeug hält, um diese dann mit erzkonservativen Vorstellungen in Sachen Familie, Geschlechterverhältnis and so on derart kurzzuschließen, daß man nur noch staunen kann (bestenfalls). Also nicht so gut? Auch wieder: Janö.

Denn so sehr die Inhalte ganz schön crazy sind (wohlmeinende Einschätzung), so sehr ist die Musik mal wieder ganz wunderbar. Im Direktvergleich mit dem letzen Wu Tang Clan-Album, und dieser Vergleich muß gestattet sein: weniger kaputt, kompakter, freundlicher, zugänglicher, ruhiger und vor allem kürzer. Aber ebenso hochmusikalisch, was den Einsatz von Samples betrifft. Da ist guter Rat teuer. Aber eine kleine Entscheidungshilfe: Die rappen so schnell, daß man sowieso nicht genau versteht, was die eigentlich sagen, von ihrem Geheim-Sprech ganz abgesehen. Nur, diese sanfte Form des Selbstbetrugs (Stichwort: mentaler Kuhhandel) muß jeder mit sich selbst ausmachen. Nachher soll keiner sagen, er habe nichts gewußt, wie man so schön sagt.

Missy "Misdeanor" Elliott: "Supa Dupa Fly" (Eastwest); Gravediggaz: "The Pick, The Sickle and The Shovel" (Gee Street/V2)