Ist die Antifa im Osten am Ende?

Über die Konsequenzen des Buches streiten Burkhard Schröder und Alexander Steiner, Antifaschistische Aktion Berlin (AAB)

Steiner: Man muß der von Ihnen beschriebenen Herausbildung flächendeckender "brauner Zonen" im Osten vor Ort entgegentreten. Zum Beispiel am kommenden Wochenende: Da soll im thüringischen Saalfeld dagegen demonstriert werden, daß die Stadtverwaltung den Nazis ein selbstverwaltetes "nationales Jugendzentrum" zur Verfügung stellen will.

Schröder: Dabei wünsche ich euch natürlich viel Glück. Aber das bisherige Auftreten der Antifa bringt nichts. Da wird mir zu sehr Antifaschismus mit Revolution und mit Sozialismus gleichgesetzt. Was die Antifa-Demos 'rüberbringen, ist nicht: Wir sind gegen Nazis, sondern: Wir sind gegen den Staat. Das wirkt abschreckend. Die Isolation der wenigen Antifaschisten in den Kleinstädten, für die sie nicht selbst verantwortlich sind, läßt sich jedenfalls so nicht aufbrechen.

Steiner: Unsere Demonstrationen wollen ja nicht Volkspädagogik sein, sondern Pop, von mir aus: Agit-Pop. Der schwarze Block, die roten Fahne - das ist eine eigene Form von Symbolik, die unmißverständlich klar macht: Wo die Antifa auftaucht, kriegen die Nazis was aufs Maul. Das soll den wenigen, die in den ostdeutschen Klein- und Mittelstädten in Opposition zum rechten Konsens stehen, Mut machen.

Schröder: Und was passiert? Wenn die Demonstranten aus den Großstädten abgereist sind, nehmen die Nazis um so schlimmer Rache an den wenigen örtlichen Antifas. Militanz muß vermittelbar sein. Vermittelbar ist sie aber nur, wenn sie defensiv ist, das heißt in Verteidigung auf Angriffe der Faschos erfolgt. Was ihr aber zum Teil praktiziert, ist offensive Militanz - ohne Anlaß Nazis jagen.

Steiner: Ohne offensive Militanz geht es oft nicht. Ein Beispiel: In einem Jugendzentrum ist zu Anfang das Publikum gemischt, Linke sind ebenso da wie Rechte, die Masse ist unpolitisch. Wenn die Rechten beginnen, Leute einzuschüchtern, und sei es zunächst nur verbal, müssen die Linken Stärke zeigen, sonst kippt das Kräfteverhältnis zugunsten der Rechten.

Schröder: Alles hängt davon ab, ob man die Formen der Auseinandersetzung vermitteln kann. Die Antifa muß volkstümlicher werden, um die Nazi-Kader zu isolieren. Verkloppt sie sie aus heiterem Himmel, können die sich als Biedermänner darstellen und sich bemitleiden lassen.

Steiner: Volkstümlicher werden? Also den Leuten nach dem Mund reden? Nach Ihrer eigenen Analyse gibt es doch eine rechte Grundstimmung im Osten.

Schröder: Leider. Zwei Drittel der Schüler an Haupt- und Realschulen sind bekennende Rassisten und Antisemiten, viele wünschen sich eine Art nationalen Sozialismus.

Steiner: Genau diese Grundstimmung kann man nicht bekämpfen, indem man auf die Befindlichkeit derer eingeht, die sie vertreten. Statt dessen müssen die, die diese Haltung am offensivsten vertreten, öffentlich angegriffen werden, damit ihr Mythos der Unbesiegbarkeit geknackt wird. Wie will man die Nazi-Kader denn sonst isolieren?

Schröder: Jedenfalls nicht dadurch, indem man das Kräfteverhältnis selbst noch verschlechtert, indem man auch noch die Polizei pauschal zu den Nazis rechnet. Bei der Demonstration vor kurzem in Quedlinburg flogen mehr Steine gegen die Beamten als gegen die Nazis. Da gefällt mir das Herangehen der Leipziger Antifas besser: Die haben auf einem Flugblatt ein Foto gehabt, das zeigt, wie sich Polizisten 1946 an einer Antifa-Demonstration beteiligen. Überschrift: Es geht auch anders.

Zur möglichen Isolierung der Nazi-Kader: Gerade weil sie sozusagen aus dem Volk herauswachsen, ist eure martialische Parole vom "Zerschlagen der Nazi-Strukturen" so unsinnig.

Steiner: Manchmal denke ich auch, daß es besser wäre, nicht den Nazis was auf die Glocke zu geben, sondern den Sozialarbeitern, die sie hätscheln. Jedenfalls: Durch militante Parolen und entsprechende Aktionen geht es vor allem um symbolische Politik. Wir machen deutlich, daß ein unversöhnlicher Widerspruch zu den Faschisten besteht. Da gibt es nichts zu vermitteln, keinen Dialog, keine Runden Tische.

Schröder: Aber das mit dem "Zerschlagen" kann nicht klappen. In vielen Städten gibt es keine linken Jugendlichen mehr. Deswegen ist der bisherige "Zerschlagungs"-Antifaschismus am Ende - "Das Ende des Antifaschismus, wie wir ihn kennen" hieß ein Motto der Wurzener Demonstration, das ich richtig fand.

Angesichts des katastrophalen Kräfteverhältnisses bleibt nur Bündnispolitik. Nur so kann man das Klima ändern. Das heißt, man muß auf die Unentschiedenen zugehen, diejenigen , die "nicht rechts und nicht links" sein wollen.

Steiner: Guter Tip. Aber oft läßt er sich nicht befolgen. Als wir zum Beispiel in diesem Frühjahr die Demonstration in Dolgenbrodt organisiert haben, haben wir wochenlang nach Bündnispartnern gesucht. Je länger wir gesucht haben, umso schlimmere Antworten bekamen wir. Die PDS zum Beispiel legte Wert darauf, daß auch etwas zu den "rumänischen Banden" gesagt werden müßte, die in und um Dolgenbrodt agieren. Es mag einzelne geben, die in Dolgenbrodt und vergleichbaren Orten theoretisch für uns ansprechbar sind - aber wie sollen wir an diese Leute 'rankommen? Umgekehrt ist die Sache logisch: Wir machen die Demo unabhängig vom Desinteresse der PDS und anderen - und so erfahren die Vereinzelten, daß es noch viele andere Menschen gibt, die denken wie sie - wenn auch nicht in ihrem Dorf.

Schröder: Kommt drauf an, ob eure Parolen und Flugblätter auch das aufgreifen, was diese Leute denken. Ich bin zum Beispiel ziemlich sicher, daß ihr euch etwas verbaut, wenn ihr den Kampf gegen Nazis mit dem Kampf gegen den Staat und den Kapitalismus zusammenbringt. Das ist nicht nur schlecht vermittelbar, das ist auch schlecht zu begründen. Und vor allem: Es sind die Nazis, die im Augenblick auf Antikapitalismus und Staatsfeindschaft machen - in dieser Situation sollten sich die Linken zurückhalten. Auch die Parole "Nie wieder Deutschland" wird euch nicht die Volksmassen zuführen.

Steiner: Die vielbeschworenen Volksmassen will ich gar nicht ansprechen, die stehen rechts, das zeigt doch Ihr Buch.

Schröder: Also Revolutionär sein, aber nicht auf die Volksmassen zugehen wollen - bei Mao hätt's das nicht gegeben.

Steiner: Aber bei uns! Ich will auf den Zusammenhang zwischen Nationalismus und Faschismus aufmerksam machen, und dafür sind solche Parolen ganz gut.

Informationen zur Demonstration in Saalfeld: AAB, Tel. 030-615 73 29