Einheitsfront gegen Antifas

Militante Neonazis, die Stadt Saalfeld und der SPD-Innenminister Richard Dewes verhinderten gemeinsam die Antifa-Demo im thüringischen Saalfeld

Die Anti-Antifa ist in Thüringen bestens organisiert. Zum einen gibt es eine militante Neonazi-Szene und zum anderen einen sozialdemokratischen Innenminister. Wer hat wen funktionalisiert? Wer reichte wem die Hand? In einer bisher einmaligen Gemeinschaftsaktion verhinderten Neonazis, die Stadt Saalfeld und SPD-Mann Richard Dewes am vergangenen Wochenende eine vor allem von Gewerkschaftern organisierte antifaschistische Demonstration in Saalfeld.

Zunächst meldete die NPD/JN einen Aufmarsch gegen die angekündigte Antifa-Demo an, der zunächst nicht verboten wurde. In Saalfeld begann daraufhin eine aufgeregte Debatte, weil durch die Genehmigung der Nazi-Demo eine Eskalation zwischen Linken und Rechten programmiert war. Dann verlegte die NPD/JN ihre Demo nach Rudolstadt. Als "Chaoten, die nach Saalfeld strömen", blieben jetzt die Antifas übrig. Die Angst war geschürt, die Saalfelder wollten ihre Ruhe haben. Als nächstes verbot das Landratsamt zunächst die Antifa-Demo und dann die Nazi-Demo in Rudolstadt. Das Verwaltungsgericht Gera bestätigte das Verbot der linken Demo u.a. mit der Begründung, daß Übergriffe von Nazis zu befürchten seien. Innenminister Richard Dewes befürwortete das Demonstrationsverbot in Thüringen.

Zwar wurden am Samstag in Thüringen nicht nur Antifas festgenommen, sondern auch ein Nazi-Waffenlager ausgehoben, doch die Rechtsradikalen freuten sich am Sonntag offen über das gelungene Zusammenspiel mit den staatlichen Behörden.

Am Samstag hatte die Polizei praktisch ganz Thüringen abgeriegelt, Straßensperren sollten das Vordringen von Linken nach Saalfeld verhindern. An manchen dieser Sperren waren Bundesgrenzschützer mit Maschinenpistolen im Anschlag postiert; am Samstagmorgen stürmte ein Sonderkommando ein von Linken bewohntes Haus in Saalfeld und nahm 14 Personen fest, darunter drei Kölner Journalisten. Begründung für den rüden Morgenbesuch: Es würden Drogen und Sprengstoff im Haus vermutet. Gefunden wurden allerdings nur ein paar Handies, die sofort beschlagnahmt wurden, ebenso wie ein Messer und eine Reizgas-Spühdose. Einen geschnitzten Holzstock, der in den Medien als gefährliche Waffe herhalten mußte, entdeckten die Beamten bei einer weiteren Durchsuchung in einem linken Jugendklub. Als DGB und PDS in Saalfeld Flugblätter verteilten, nahm die Polizei zunächst rund 20, später noch einmal rund 50 Personen fest. Weitere 67 Antifas wurden auf dem Bahnhof von Gera festgenommen.

Woher allerdings die Gefahr tatsächlich droht, konnte man nach einer Polizeiaktion in Heilsberg bei Rudolstadt feststellen: Dort wurden in der Gaststätte Heilsberg, die als Treffpunkt der Szene um Tino Brandt und Mario Brehme gilt, 68 Neonazis festgenommen, nachdem die Polizei dort etwa 60 Schlagstöcke, 60 Hieb- und Stichwaffen, 300 Schuß Leuchtspur-Munition, sechs Äxte, vier Schreckschußpistolen, zehn Funkscanner und eine komplette Funkanlage entdeckt hatte. Dabei handelt es sich nach Polizeiangaben um den bisher größten Waffenfund in Thüringen.

Trotz der Einheitsfront aus Nazis und Behörden gab es am Samstag in Thüringen und Sachsen mehrere Antifa-Demos. In Halle griffen bereits am Freitagabend rund 30 Antifas einen Treff von Neonazis in einem Gasthaus an, in Erfurt demonstrierten am Samstag 300, in Jena 100, in Dessau 70 und in Leipzig rund 500 Antifas gegen Nazi-Terror und das Demo-Verbot der Behörden.

Zu einer spektakulären Aktion kam es auf der Autobahn A9. Auf dem Rasthof Osterfeld hatten sich aus Berlin, Görlitz, Nürnberg und Oldenburg angereiste Demonstranten getroffen, um gemeinsam nach Erfurt zu fahren. Als bekannt wurde, daß die Polizei an der Ausfahrt Eisenberg eine Straßensperre errichtet hatte, entschieden sich die rund 350 Antifas anders. Sie fuhren bis an die Polizeisperre heran, um die A9 dreieinhalb Stunden in beiden Fahrtrichtungen zu blockieren. Die Polizei mußte daraufhin Sonderkommandos mit Hubschraubern einfliegen und brach die bis dahin geführten Verhandlungen ab.

Die Verhandlungsdelegation sowie die übrigen Antifas, die mit einer friedlichen Sitzblockade reagiert hatten, wurden festgenommen. Die Busfahrer wurden verpflichtet, sie in eine Gefangenensammelstelle zu transportieren. Dort mußten die Antifas zum Teil bis zu fünf Stunden in ihren Bussen auf die erkennungsdienstliche Behandlung warten. Anschließend verbrachten sie in dem ehemaligen Gefängnis in Unterwellenborn die ganze Nacht, teilweise noch den nächsten Tag in "Unterbindungs-" bzw. später "Sicherheitsverwahrung". Ein Teil von ihnen wurde noch am Sonntag in Schnellverfahren verurteilt.

Für die verschiedenen Antifa-Gruppen, die zur Demo in Saalfeld mobilisiert hatten, stellt das Vorgehen der Thüringer Behörden eine neue Eskalationsstufe dar. Mit einer Verbotsverfügung wie der des Landratsamtes könnten künftig sämtliche Antifa-Demos verboten werden, wenn Nazis gleichzeitig ihre Demo anmelden.

"Mit dem Verbot soll Antifaschismus politisch diskreditiert werden", kritisierte das Leipziger Antifaschistische Pressebüro. Einer der Anmelder der Saalfeld-Demo, der Gewerkschafter Angelo Lucifero, will im Nachhinein vor dem Oberverwaltungsgericht feststellen lassen, daß das Demoverbot unrechtmäßig war, denn, so Lucifero, "die friedlichen Demonstrationen am Samstag haben gezeigt, daß die im Vorfeld durch die Stadt Saalfeld geschürte Panik unberechtigt war".